Paul hörte mit einem nachdenklichen Lächeln zu, während ich darüber sprach, wie es mir mittlerweile ging. Er fragte an den richtigen Stellen nach, erst ungewohnt zurückhaltend, dann doch mutiger, natürlicher, mehr so, wie wir sonst miteinander umgegangen waren und ich ließ mich davon anstecken. Ich sprach gerne von Renesse, von meinen Freunden und sogar von Pip und Highlight und mit Paul zu reden war dann eben doch irgendwie zu leicht und zu vertraut, um es nicht zu tun. Mehrfach versuchte ich mich selbst zu bremsen, aber am Ende- wir hatten längst aufgegessen- spürte ich selbst, wie ich strahlte. Nicht seinetwegen, sondern weil ich die guten Momente der letzten Monate im Zeitraffer durchlebt hatte. Verlegen strich ich mir eine Haarsträhne hinter mein Ohr und warf einen abwartenden Blick in Richtung Paul. So weit hatte ich die Tür eigentlich nicht aufstoßen wollen. Er musterte mich mit einem schwer zu deutenden Blick.
„Du siehst glücklich aus.", stellte er dann leise fest.
Ich nickte, fast etwas atemlos nach meinem Erzählmarathon, während Pauls Gesicht einen bedauernden Ausdruck annahm.
„Ich hätte gern dazu beigetragen.", erwiderte er auf meine unausgesprochene Frage nach dem Warum und sein Mund verzog sich zu einem gequälten Lächeln. Ich schwieg für einen Moment, weil ich erst nicht wusste, was ich darauf erwidern sollte. Ich war kurz versucht das abzutun, aber die Wut war dann doch nicht tief genug verschüttet worden.
„Das hast du nicht.", bestätigte ich also seine Aussage. Er nickte langsam und warf einen kurzen Blick aus dem Fenster, ehe er wieder mich ansah.
„Kim, ich.... Ich weiß nicht, was ich sagen soll." Ich sah, wie seine rechte Hand wieder in Richtung seines Nackens zuckte, aber er ertappte sich selbst dabei und verknotete seine Finger ineinander. Aus dem Augenwinkel sah ich, wie sein Knie unterm Tisch nervös wippte. „Ich...ich würde mich gerne entschuldigen, aber ich weiß, dass das nicht reicht."
Damit hatte er Recht. Ohne zu wissen, was ich wirklich brauchen würde, wusste ich, dass eine simple Entschuldigung, egal, wie ernst er sie meinte, mir nicht reichen würde. „Warum?", fragte ich schlicht und während ich ihm ins Gesicht sah, lag ein Teil meiner Aufmerksamkeit doch auf seinem zitternden Knie. Es hatte fast etwas tröstliches zu spüren, dass ihn die Situation nicht unberührt ließ.
Paul nickte und fuhr sich dann doch fahrig mit seiner Hand durch die Haare, bevor er seine Finger wieder ineinander verschränkte und fast hastig anfing zu erzählen. „Ich bin kein Fernbeziehungsmensch. Als ich dir das Anfang des Jahres gesagt habe, habe ich das ernst gemeint. Ich..."
„Du meinst, wenn ich nicht dabei bin, gehst du halt fremd.", versuchte ich den Satz für ihn zu beenden. Ich konnte nicht fassen, dass er sich mit der Begründung retten wollte.
Er schüttelte den Kopf und stöhnte. „Nein, Kim, das meine ich nicht."
Als ich demonstrativ mit den Schultern zuckte, fuhr er fort.
„Ich hasse es, Konflikte am Telefon zu klären. Das einzige was ich noch mehr hasse, ist darüber zu schreiben. Ich bin furchtbar darin. Nachdem du mich in Mannheim angerufen hast und mir vorgeworfen hast, ich würde garantiert mit irgendwem im Bett landen, weil ich halt so wäre, da war ich...ich war außer mir. Kim, ich schwöre dir, ich habe im letzten Jahr nie auch nur an jemand anderen gedacht. Ich war so wütend, weil ich mir dachte, dass es nicht sein kann, dass ich mich für dich auf diese Fernbeziehungssache einlasse, dass ich dir sage, dass ich mit dir zusammen ziehen möchte, dass ich einfach alles für dich tun würde und dann trotzdem noch dieser Vorwurf kommt."
„Und dann hast du gedacht, du lässt meine Befürchtungen besser wahr werden?", erwiderte ich trocken und spürte eine verräterische Enge in meiner Kehle.
„Ich habe es danach einfach nicht geschafft, dich anzurufen und mit dir darüber zu sprechen, was das für mich bedeutet hat."
„Das wusste ich auch so. Und ich habe mich entschuldigt." Meine Stimme klang auch in meinen eigenen Ohren hart.
„Und wenn ich dich gesehen hätte, dann hätte ich die Entschuldigung auch annehmen können."
„Du hast mir ja quasi verboten, nach Balve zu kommen, um das zu klären."
„Das war der dümmste Fehler, den ich je gemacht habe." Paul sah zur Seite und biss sich fest auf die Unterlippe. Ich sah, dass er die Luft anhielt und ich sah auch ein verräterisches Schimmern in seinen Augen. „Ich war enttäuscht und der festen Überzeugung, dass du mir niemals vertrauen wirst. Und dann..."
„...wolltest du dafür sorgen, dass es wirklich so kommt.", beendete ich den Satz für ihn und unterdrückte mühsam das Verlangen, aufzuspringen und zu gehen.
„...dann wusste Jenny, was sie sagen muss.", widersprach er und verbarg bei den Worten sein Gesicht in seinen Händen. „Sie kennt mich. Sie hat davon angefangen, dass du nie gegangen wärst, wenn ich dir annähernd so viel bedeuten würde wie du mir. Sie hat mich gefragt, ob du nicht vielleicht so eifersüchtig wärst, weil du von dir auf mich schließen würdest. Ich habe ihr von dem Typen in Berlin erzählt und sie hat mich nur ausgelacht und mich gefragt, wie lange ich mich von dir herumschubsen lassen möchte, während du...Ich habe dabei einfach nicht gesehen, was sie in dem Moment versucht hat. Irgendwann hatte ich Bilder im Kopf und dann war ich ein betrunkener Idiot." Er zog seine Finger gerade so weit zurück, dass ich ihm in die Augen gucken konnte. Er schämte sich wahnsinnig, das sah ich.
„Du hast ihr ernsthaft geglaubt?", fragte ich leise und hob die Schultern. „Betrunken oder nicht, wieso hast du ihr geglaubt?"
„Wieso hast du in Mannheim gedacht, dass ich was mit ihr anfangen würde?", fragte er zurück und atmete lang aus, bevor er seine Hände endgültig auf die Tischplatte absinken ließ. Wir beide brauchten keine Antwort auf seine Gegenfrage. Wir beide hatten von Anfang an wahnsinnige Angst davor gehabt, das mit uns wieder zu verlieren. Er, weil er so lange darauf gewartet und viel dafür riskiert hatte. Ich, weil er zwischenzeitlich alles gewesen war, was ich gehabt hatte. „Kim, ich werde nie wieder ein Wort mit Jenny wechseln und seit Balve rühre ich, wenn ich unterwegs bin, nicht ein Bier an. Ich weiß, was ich falsch gemacht habe und warum."
„Und das soll mir reichen?", fragte ich und hätte selbst nicht sagen können, ob die Frage mehr an ihn oder an mich gerichtet war.
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Was sagt ihr? Soll ihr das reichen?
....und was sollte Kim Jenny sagen, wenn sie sich je wieder begegnen? ;)
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Auftauchen
Подростковая литератураIch ertrinke. Ich ertrinke in endloser Tiefe, In endloser Aufrichtigkeit. Ich will Auftauchen. Will ich? Kim Feldmann ist 19 Jahre alt und kehrt nach der abgeschlossenen Bereiterausbildung auf den elterlichen Hof zurück. Dort erwarten sie nicht nur...