„Echt alles wie immer.", staunte Pia, als ich die Haustür aufschloss und mit ihr die Treppe hoch zu Pauls kleiner Wohnung ging. „Es hängen echt noch die gleichen Bilder an der Wand."
„So oft wird hier nicht umdekoriert." Als ob irgendjemand dafür Zeit hätte- oder sie sich nähme. Die meisten der Bilder hingen schon genauso an der Wand, seit ich denken konnte. „Mich würde es nicht wundern, wenn es noch das ein oder andere Relikt von den Vorbesitzer gibt."
Die letzte Treppenstufe knarrte- wie immer- unter unseren Füßen und Paul öffnete just in dem Moment seine Tür und schaute uns entgegen.
„Ihr zwei überrascht mich ein bisschen." Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar und Pia grinste ihn an.
„Wobei haben wir dich gestört, hm?"
„Beim Einschlafen, ehrlich." Er trat zur Seite, ließ uns hinein und schloss hinter uns die Tür. „So viel Schlaf gab es gestern nicht."
Wem erzählte er das? Mir steckte unsere Auseinandersetzung vom Vorabend wahrscheinlich nicht weniger in den Knochen.
„Wie war es heute mit Rasputin?", fragte ich, um das Thema gar nicht erst anzuschneiden und ging schnurstracks zu seinem Wasserkocher herüber, in dem das Wasser schon blubberte.
„Oh...war okay. Wir waren einen aus der Platzierung raus, aber er hat sich benommen und wir haben das Ziel gesehen, von daher war es wirklich okay."
„Hätte ja schlimmer gekonnt." Ich öffnete seinen Schrank, in dem er immer den Tee lagerte und versuchte, aufs oberste Fach zu linsen. „Hast du noch den einen Tee? Den, den ich mag?"
„Präzise, Kim!" Pia ließ sich schwungvoll auf Pauls Bett fallen.
„Glaube schon. Lässt du mich mal?" Er wartete, bis ich Platz gemacht hatte, stellte sich auf die Zehenspitzen und zog schließlich eine Packung Ingwer-Zitronen-Tee aus dem Schrank. „Sollte passen." Er reichte ihn mir und vermied dabei sorgfältig, meine Hand zu berühren. Es war schmerzhaft offensichtlich, dass er ängstlich darauf wartete, dass ich ausrasten und ihn vor Pia zur Rede stellen würde.
„Passt tatsächlich.", sagte ich und bemühte mich um ein versöhnliches Lächeln. „Danke."
„Machst du mir auch einen, wenn du dich hier ja eh schon so gut auskennst?", fragte Pia und beobachtete Paul und mich sichtlich amüsiert in der Küche. Vermutlich entging ihr Pauls Nervosität genauso wenig wie mir.
„Und ihr zwei...ihr habt...gesprochen?" Paul sah zu Pia herüber, während ich zwei Teebeutel in Pauls einzige Becher hängte.
„Würde ich so beschreiben, Pauli." Pia wirkte so gelöst, wie ich sie den ganzen Abend über noch nicht gesehen hatte. „Oder wie siehst du das, Kim?"
Ich lachte nur und goss den Tee auf.
„Ich habe Kim übrigens gesteckt, dass du regelmäßig mit Jenny schläfst. Ich weiß zwar nicht einmal, ob du wusstest, dass ich das weiß- aber ich dachte, dann herrscht hier endlich ein Informationsgleichgewicht. Außerdem habe ich zu lange nicht mehr richtig getratscht."
Paul wurde erst blass und lief dann ziemlich rot an. „Regelmäßig ist echt anders. Kim, wirklich!"
„Wir haben alle unsere Geheimnisse." Damit tätschelte ich ihm betont lässig den Unterarm, nahm die Becher in die Hand und ging zu Pia herüber. Ich würde ihn grillen, wenn wir alleine waren.
„Die könnte man manchmal auch wahren.", sagte Paul mit einem Seitenblick auf Pia.
„Ach Paul, rege dich ab." Sie zwinkerte ihm zu und er gab seufzend auf. „Ich habe Kim von dem Egomanen erzählt."
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Auftauchen
Teen FictionIch ertrinke. Ich ertrinke in endloser Tiefe, In endloser Aufrichtigkeit. Ich will Auftauchen. Will ich? Kim Feldmann ist 19 Jahre alt und kehrt nach der abgeschlossenen Bereiterausbildung auf den elterlichen Hof zurück. Dort erwarten sie nicht nur...