Ich hatte keine Ahnung, wie lange ich in Lolos Box gekauert hatte. Manchmal vermisse ich dich. Wieder und wieder hörte ich ihn das sagen, sah sein Gesicht vor mir, so dicht an meinem. So wie damals, als ich ihm noch vertraut hatte, als er mein Rettungsanker in einer wirklich beschissenen Zeit gewesen war. Bevor er besitzergreifend, bevormundend und impulsiv geworden war und ich ihn verlassen hatte und sicher bevor er angefangen hatte, Lügen über mich zu verbreiten. Es gab diese Momente, in denen ich mich fragte, was wohl passiert wäre, wenn ich einfach bei ihm geblieben wäre, ob es besser geworden wäre. Oder zumindest der einfachere Weg gewesen wäre.
Mir wurde schlecht während ich darüber nachdachte, dass er wahrscheinlich direkt nach unserem Gespräch zu Ulrich und meiner Mutter gelaufen war, die sich gefragt haben mussten, warum er alleine zurückkam. Die ihn das vielleicht sogar gefragt hatten. Ich fragte mich, was er ihnen erzählt hatte und was meine Mutter mittlerweile über mich dachte, was sie vielleicht auch davon hielt, dass ich Thomas nie auch nur mit einer Silbe erwähnt hatte. Als ich Schritte auf dem Gang hörte, blieb ich einfach reglos sitzen und hoffte, niemand würde mich bemerken.
„Kim?" Die Schritte verstummten direkt vor Lolos Box.
„Ist schon okay.", sagte ich und versuchte erfolglos zu lächeln.
Pia sah mich mit einem Blick an, den ich nicht einordnen konnte. „Lüge mich doch nicht an." Sie strich Lolo über die Stirn, der sich ihr zuwandte und wahrscheinlich nicht verstand, was heute alle in seiner Box wollten.
„Willst du nicht das Stechen angucken?", fragte ich in der Hoffnung, sie würde den Wink mit dem Zaunpfahl verstehen und mich in Ruhe lassen.
„Das ist eh schon halb durch. Als du nicht wieder aufgetaucht bist, habe ich deine Mutter nach dir gefragt."
„Aah...." Ich schloss kurz die Augen. „Du hast ihn kennengelernt, was?"
„Deinen alten Chef? Sitzt du deswegen hier?"
„Ne...ich meine eher Thomas."
Pias Augen weiteten sich erstaunt. „Das ist Thomas? Der dunkelhaarige Typ, der mit dem kleinen Mädel rumläuft? Was macht der denn hier?"
„Das kleine Mädel ist seine Schwester." Den Rest beantwortete ich nicht. Es war mir zu mühsam, die Story von der Familienfeier herunterzuleiern. Es war mir auch einfach egal, warum er hier aufgetaucht war. Es war nicht mehr zu ändern. „Er hat gerade meiner Mutter von ihm und mir erzählt."
„Wusste sie denn wirklich gar nichts von ihm? Nicht mal vom harmlosen Teil?" Pia sah mich besorgt an.
„Nope." Ich seufzte. „Das heißt, ich kann ihr gleich die ganze Geschichte erzählen."
„Ist das nicht sowieso vielleicht besser?"
„Lass gut sein, Pia." Mühsam stand ich auf und klopfte mir die Späne von der Jeans. „Geh ruhig zu den anderen zurück. Ich mache die Pferde für die Rückfahrt fertig, ich will nur heim."
„Ich kann dir auch helfen.", bot sie an, aber ich winkte ab.
„Du hilfst mir am meisten, wenn du guckst, dass Thomas meiner Mutter keinen Quatsch erzählt. Der hat nicht vergessen, wie er zu mir steht."
„Wie meinst du das?", fragte sie sichtlich beunruhigt und ich lächelte bitter.
„Wir hatten unsere Auseinandersetzung. Und jetzt hau schon ab."
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Auftauchen
Novela JuvenilIch ertrinke. Ich ertrinke in endloser Tiefe, In endloser Aufrichtigkeit. Ich will Auftauchen. Will ich? Kim Feldmann ist 19 Jahre alt und kehrt nach der abgeschlossenen Bereiterausbildung auf den elterlichen Hof zurück. Dort erwarten sie nicht nur...