Part 85

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Pia und Paul schlangen einen Pfannkuchen mit Erdbeeren und Eis nach dem nächsten herunter, während ich mit Mühe meinen ersten schaffte. Der Kater und das Mittagessen ließen mich danach erschöpft auf meinem Stuhl ein Stück abwärts sinken und ich stöhnte leise.

„Ich kann nicht mehr.", murmelte ich und schloss kaputt die Augen. Hätte ich mich hingelegt, ich wäre auf der Stelle wieder eingeschlafen.

„Du hast sie kaputtgemacht, Paul.", erwiderte Pia mit vollem Mund und einem Seitenblick auf mich. „Die ist gar nicht mehr konkurrenzfähig."

Paul räusperte sich verlegen, legte seine Gabel zur Seite und nahm einen großen Schluck Wasser. „Gestern war vielleicht ein bisschen wild."

„Tut mir Leid." Schuldbewusst hob ich die Hände. „Hast du Stress gekriegt?"

„Stress?" Paul lachte dunkel. „Ja....schon." Er nahm noch einen Bissen von seinem Pfannkuchen und seine Miene wurde ernst, während er kaute. „Stress ist vielleicht das falsche Wort."

Pia kicherte und ich sah angespannt zwischen den beiden hin und her.

„Dein Vater war gestern Nacht ein bisschen...aggro." Er schnitt mit einem Mal sehr genau noch ein Stück von seinem Pfannkuchen ab. „Er hat mich ziemlich zur Sau gemacht, während wir dich zum Auto geschleppt haben. Genauer gesagt wollte er eigentlich gar nicht mehr, dass ich mithelfe, dich zu schleppen. Deine Mutter hat sich aber geweigert und irgendwer musste ja helfen."

Mir wurde schlecht, als ich mir vorstellte, dass ich offensichtlich nicht mehr auf meinen eigenen Füßen Richtung Auto gegangen war. Pia schwieg taktvoll und steckte sich eine Erdbeere in den Mund.

„Er hat mich angeblafft á la ich solle lieber meine Hände von dir lassen und dass es nie zu der Situation gekommen wäre, wenn ich das von Anfang an geschafft hätte." Paul sah beinahe so aus, als würde er da zustimmen.

Fassungslos starrte ich ihn an. Wenn mein Vater das ernsthaft gesagt hätte, ich würde ihn umbringen.

„Jedenfalls", fuhr Paul fort. „hat er relativ schnell eingesehen, dass Sina dich nicht so prima auf ihre Schulter hängen und dabei laufen kann, deshalb haben wir dich dann doch zu zweit zum Parkplatz gebracht. Nach Hause mitgenommen hat er mich aber nicht."

„Er hat dich da stehen lassen?"

„Jep." Paul nahm einen neuen Pfannkuchen vom Stapel. „Ich bin gelaufen. Vielleicht war das auch besser. Sina ist völlig ausgerastet darüber, dass er mich nicht mitnehmen wollte und die beiden haben sich innerhalb von dreißig Sekunden so in den Haaren gehabt, dass ich für kein Geld der Welt in dieses Auto gestiegen wäre."

„Das ist nicht dein Ernst." Ein sehr kleiner Teil von mir wagte noch zu hoffen, dass er einen Witz machte oder haltlos übertrieb.

„Er hat sich heute Morgen entschuldigt.", sagte Paul und lächelte müde. „Wirklich. Er sei dankbar dafür, dass ich angerufen hätte und wir müssten ja wissen, was wir täten. Glücklich ausgesehen hat er trotzdem nicht. Ob Sina ihn dazu gezwungen hat oder ob er von alleine auf die Idee gekommen ist, keine Ahnung. Jedenfalls herrscht betont friedlicher, aber auch sehr distanzierter Frieden zwischen ihm und mir."

„Oh Paul..." Ich richtete mich auf und zuckte mit den Schultern. Das war übel und ändern konnte ich es trotzdem nicht mehr. „Das ist meine Schuld."

„Ich hätte dich nach Hause schleppen sollen, bevor es so eskaliert ist. Der Absturz kam ja mit unüberhörbarer Ansage. Ich hätte dich direkt nach Hause bringen sollen, als du mit der Weinflasche angelaufen kamst." Er sah weg und ich spürte, wie mir die Farbe aus dem Gesicht wich. Dieser dumme Rotwein. „An seiner Stelle wäre ich auch nicht überglücklich über die Situation gewesen.", sagte Paul mit abschließendem Tonfall, während er einen Rest Eis aus der Packung kratzte und auf seinem Pfannkuchen verteilte.

Ich schwieg. Paul schwieg.

Pia sah mich auffordernd an und räusperte sich schließlich laut. „Meine Tasche ist noch im Auto. Ich werde jetzt nach unten gehen und sie holen." Hätte ein Blick laut sein können, er hätte mich angeschrien. Drehe den Knoten aus deinen Gedanken. „Okay?" Sie stand auf, stellte auf dem Weg nach draußen ihren Teller in die Spüle, griff nach ihrem Autoschlüssel und schlug die Tür hinter sich mit einem lauten Donnern zu. Damit ließ sie uns alleine. 



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Nachtmahl.

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