Part 130

89 11 4
                                    


Es wurde draußen schon fast dunkel, als ich hörte, wie die Tür zur Ferienwohnung aufgeschlossen wurde und ich lauschte mit angehaltenem Atem, während Paul sich unten die Schuhe und die Jacke auszog. Es regnete und stürmte noch genauso wie am Mittag. Ob er hochkommen würde? Er musste klatschnass sein. Ich richtete mich im Bett, in dem ich mich in meiner Decke eingerollt hatte, auf und rang mit mir. Runtergehen oder nicht? Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich wusste nicht, ob er mit mir reden würde. Er war so, so sauer- verständlicherweise.

Er hatte mich, nachdem er den geöffneten Chatverlauf gesehen hatte, zur Rede gestellt und ich hatte- während ich mich in Grund und Boden geschämt und eine Entschuldigung nach der nächsten gestammelt hatte- versucht ihm zu erklären, dass ich dieses Herz gesehen hatte, dieses dumme, nichtssagende, unverfängliche Herz und dass es mich nervös gemacht hatte. Aber ich hatte eben nicht nur den Chatverlauf geöffnet, gesehen, dass es da keinen Grund zu Angst und Panik gab, sondern ich hatte weitergeschnüffelt- und das hatte ich vor ihm nicht leugnen können. Ich hatte ihm unter Tränen gestanden, was ich mir wieso angesehen hatte und hatte hilflos dabei zugesehen, wie mit jedem Satz, den ich sagte, sein Blick härter geworden war. Als ich geendet hatte, hatte ich ihm nicht mehr in die Augen sehen können und er hatte die Kaffeebecher neben dem Bett abgestellt, mir sein Handy abgenommen, stumm den Chat von ihm und Jenny geöffnet, sich alle verschickten Bilder anzeigen lassen und es mir hingehalten.

„Gucke es dir an.", hatte er gesagt und dabei trotz gesenkter Stimme fast bedrohlich geklungen.

„Nein." Kopfschüttelnd hatte ich weggesehen, aber er hatte nach meiner Hand gegriffen und sein Handy reingelegt.

„Gucke es dir an!", hatte er gefaucht. „Turnierparty-Hotelzimmer-sonst-was Bilder bis du genug davon hast und es sein lassen kannst."

„Ich will nicht, ich wollte nicht...ich vertraue dir doch.", hatte ich unter Tränen gestammelt und dabei gemerkt, wie hohl meine Worte vor dem Hintergrund klangen, dass ich Minuten zuvor heimlich sein Handy durchforstet hatte. Ich hätte mir selbst nicht geglaubt. Als ich ihm mit einem flehentlichen „Bitte" sein Handy hingehalten hatte, hatte er sich wortlos umgedreht, sich angezogen und war nach unten gegangen. Als ich gehört hatte, wie er sich seine Jacke und seine Schuhe anzog, war ich hinterher gegangen, hatte ihn immer wieder gebeten, mit mir zu reden, mir zuzuhören- aber er hatte mich stehen gelassen und die Tür mit einem lauten Knall hinter sich zugeschlagen. Danach war ich alleine gewesen, hatte mich im Bett eingerollt, geheult und war mit dem Gedanken allein gewesen, wie ich innerhalb von wenigen Minuten das, was der schönste Tag seit Ewigkeiten hätte sein können in einen absoluten Alptraum verwandelt hatte. Weil ich nicht darauf hatte vertrauen können, dass Paul, der sich wirklich für mich die Beine ausriss, nicht insgeheim doch noch jemand anderen wollte. Wieso hatte ich nicht einfach vertrauen können? Nicht einfach aushalten können? Er hatte mir doch keinen Grund gegeben- ganz im Gegenteil. Jedes Mal, wenn meine Gedanken an diesem Nachmittag, dessen Minuten nicht vorbeigehen wollten, den Abend und die Nacht zuvor gestreift hatten, an unsere Träumereien, an mein Gefühl, dass das Jahr für Paul und mich nur gut werden könne, hatte ich nur mühsam dem Drang widerstehen können, meinen Kopf einmal fest gegen die Wand zu schlagen- damit es wehtat, damit alles, was darin offensichtlich nicht in Ordnung war, einfach mal an Ort und Stelle rückte. Wie bescheuert war ich bitte.

Als ich seine Schritte auf der Treppe hörte, war ich einfach nur erleichtert. Er kam hoch. Immerhin kam er hoch. Ich hätte ihm auch zugetraut, sich im Wohnzimmer einzuigeln- und es auch verstanden. Wie das Kaninchen auf die Schlange starrte ich auf den Türrahmen, bis er auftauchte, klatschnass und durchgefroren, wie ich vorhergesagt hatte.

„Hey.", sagte ich und streckte einen Fuß aus dem Bett, unsicher, ob ich ihm entgegen gehen sollte.

„He.", sagte er ohne mich richtig anzusehen, zog seine nassen Klamotten aus und ging ohne ein Wort ins angrenzende Badezimmer und schloss die Tür hinter sich ab.

He. Wie paralysiert starrte ich auf seine Jeans, so durchnässt, dass das Wasser auf den Boden tropfte und einwandfrei abbildete, wie ich mich gerade fühlte. Fuck.



------

Nur ein kleiner Happen zum  Start ins Wochenende. 

Ich würde sagen: zwei sind unglücklich. eine schwer reumütig, einer schwer getroffen.

Autsch. 

AuftauchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt