Part 17

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Den Nachmittag über klebte ich meinem Vater an den Fersen. Irgendwie tat es gut, dass er wusste, dass ich Pia treffen würde, ohne daraus ein Drama zu machen. Er überließ es mir, seine Stute Fanjana reiten und ich litt dabei solche Höllenqualen, dass ich nicht mehr nervös sein konnte. Er lehnte an der Bande und ich erwischte ihn mehr als einmal beim Lachen, während ich mich wirklich abmühte. Die Fuchsstute war so großrahmig und sperrig und hatte mit meinen Pferden so wenig gemein, dass ich mir zwischendurch vorkam wie ein Anfänger. Die zwei Wochen Reitpause taten ihr übriges. „Jetzt setze dich schon hin.", rief mein Vater mir zu, als ich im Mitteltrab lieber ins Leichttraben wechselte. „Motor an, locker sitzen, bloß nicht klemmen- wenn du es einfach richtig machst, ist es leichter." Diesen Spruch hörte ich nicht zum ersten Mal von ihm und ich musste selbst lachen. Klar- einfach richtig machen. Ich bemühte mich eine gute Stunde verbissen darum, es einfach richtig zu machen, wartete vergeblich darauf, dass es leicht wurde und stieg schließlich durchgeschwitzt ab. „Ich lasse mir von dir nie mehr erzählen, dass meine Pferde unrittig sind." Mit vor Anstrengung wackeligen Knien zog ich die Steigbügel hoch und stakste mit Fanjana an der Hand auf ihn zu.

Er schmunzelte. „Ja, die Lady ist speziell. Komm, gib sie mir. Du solltest nämlich auf die Uhr schauen und duschen gehen."

„Shit!" Damit sprintete ich Richtung Wohnhaus, wo die Nervosität mich schließlich einholte.

Um fünf vor sieben stand ich an der Hofauffahrt. Frisch geduscht, in Jeans und T-Shirt. Meine noch feuchten Haare hatte ich zu einem Pferdeschwanz gebunden, der sich ungewohnt schwer anfühlte. Immer wieder warf ich einen nervösen Blick zum Haus herüber, aber ich sah nirgendwo Paul oder sonst irgendwen, der sich für die Pia-Sache interessiert hätte. Die Pia-Sache. Ich stöhnte innerlich und mir war schlecht. Zu gern hätte ich gewusst, ob Pia sich ähnlich fühlte. Schließlich sah ich, wie ein älterer, dunkelgrüner Golf auf die Hofeinfahrt einbog. Pia. Sie lächelte vorsichtig, als sie an mir vorbeifuhr und das Auto auf den Parkplatz fuhr. Die halbe Minute, die sie brauchte, um auszusteigen und auf mich zuzugehen, fühlte sich an wie in Zeitlupe. Irgendwie langsam, aber unaufhaltsam. Mit einem ungläubigen Gesichtsausdruck kam sie auf mich zu. Als sie vor mir stand, sah ich in ihren braunen Augen die Frage, ob es wohl okay wäre, mich zu umarmen. Ihre welligen braunen Haare waren länger als damals, viel länger. Fast bis zur Hüfte. Sie trug sie offen- wie früher. Sie war immer noch ein bisschen größer als ich, aber nicht weniger schlank.

„Hey.", sagte sie, lächelte nervös. „Darf ich...?" Sie breitete die Arme aus und ich erwiderte ihre Umarmung.

„Hey."

Dann fing sie an zu weinen. Nicht ein bisschen, sondern wirklich. So, wie ich am Mittag in den Pullover meines Vaters geheult hatte, stand sie nun schluchzend vor mir. „Ich habe dich vermisst.", brachte sie schließlich hervor. „Ich habe dich so vermisst."

„Ich dich auch.", hörte ich mich sagen und zog sie fester an mich. Schon in diesem Moment wusste ich einfach, dass ich meine beste Freundin zurück hatte. Und ich wollte nichts mehr, als ihr einfach zu verzeihen.

Als sich ihr Atem langsam beruhigte, reichte ich ihr ein Taschentuch, dass ich eigentlich für mich eingesteckt hatte. „Wie geht es dir?", fragte ich, während sie die Tränen wegwischte.

„Gut eigentlich. Ich komme wirklich klar." Sie lächelte unbestimmt. „Und du?"

„Gut.", sagte ich, irgendwie sprachlos. Was hätte ich auch sonst sagen sollen?

„Es ist so krass, hier zu sein." Sie sah sich ungläubig um. „Es ist wie..." Sie unterbrach sich und sah mich an. „Können wir eine Runde über den Hof drehen? Einfach mal alles ansehen?"

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