Part 174

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Ich rutschte noch tiefer unter meine Bettdecke, als es an meiner Tür klopfte. Als ich nicht antwortete und die Tür trotzdem quietschend aufschwang, stellte ich mich schlafend.

„Kim?", hörte ich Felix fragen. Statt zu antworten atmete ich weiter in mein Kopfkissen. Vorsichtig tapste mein Bruder zu mir ans Bett und im nächsten Moment senkte sich die Matratze leicht ab, als er sein Knie auf meinem Bett abstützte und sich über mich beugte. Irgendwie rechnete ich damit, dass er mir den Finger in die Nase stecken oder sonst irgendeinen Schwachsinn machen wollte und bereitete mich innerlich schon darauf vor, ihn laut schreiend vom Bett zu treten. Umso heftiger zuckte ich zusammen, als er sich neben mich plumpsen ließ und unbeholfen meine Schulter streichelte. Darauf war ich nicht eingestellt gewesen.

„Lass das, Felix.", murmelte ich und zog meine Decke höher, so dass seine Hand nur noch den Stoff tätscheln konnte.

„Kommst du zum Essen?", fragte er und klang dabei so mitleidig, dass ich es kaum aushielt.

„Garantiert nicht."

„Papa hat Pizza geholt.", versuchte er mich zu locken.

„Schön für Papa." Meinem Vater, der gerade erst nach Hause gekommen war, wollte ich einfach nicht begegnen. Er war so skeptisch gewesen, was Paul und mich betraf. Dann war er über seinen Schatten gesprungen war, hatte seine Meinung über Paul und mich geändert und Paul wirklich behandelt, als würde er zur Familie gehören. Das alles hatte Paul in dem Moment vor seinem Hotelzimmer mit Füßen getreten und ich schämte mich dafür, dass ich das nicht hatte kommen sehen. Ich wollte nicht mit diesem ich-wusste-dass-er-dir-wehtun-wird-Blick angesehen werden und seine Enttäuschung wollte ich auch nicht sehen.

„Er hat gesagt, dass ich dich holen soll." Felix zog seine Hand von meiner Schulter zurück, stützte sie stattdessen vor seiner Brust ab und beugte sich so weit über mich, dass er den Teil von meinem Gesicht sah, den ich nicht ins Kissen drückte.

„Mir ist schlecht.", sagte ich und schielte mit dem rechten Auge zu ihm hoch. „Haue schon ab, Felix."

Der rührte sich nicht und starrte mich so lange an, bis mein rechtes Auge beim Versuch ihn anzusehen anfing zu tränen. Fluchend drehte ich mich gerade so weit, dass ich ihn richtig ansehen konnte. „Willst du einen Rat fürs Leben?", murmelte ich und schniefte, weil ich kaum noch Luft durch meine verstopfte Nase bekam. „Wenn etwas zu gut ist, um wahr zu sein, dann ist es nicht wahr. Dann bleibe bloß weg davon."

„Das passiert mir nicht.", erwiderte er und zuckte mit den Schultern. „Das mit dem zu gut."

„Glückszwerg.", ächzte ich und zog mir die Decke vollends über den Kopf. „Worauf wartest du? Du kannst meine Pizza haben."

Ich hatte gewusst, dass ich maximal bis nach dem Essen eine Begegnung würde herauszögern können und trotzdem schloss ich unter meiner Decke die Augen, als meine Tür wieder aufging. Mein Vater klopfte nicht und er sagte auch nichts, während er meinen alten Schreibtischstuhl vor mein Bett stellte und sich setzte. Ohne es zu sehen wusste ich, dass er seinen linken Fuß auf seinem rechten Knie ablegte und sich mit hinter dem Kopf verschränkten Armen zurücklehnte. Er atmete geräuschvoll aus und ließ sein Fußgelenk einmal laut knacken, bevor er etwas sagte.

„Wenn du im August zurückkommst, wohnt er nicht mehr hier. Das verspreche ich dir." In seiner Stimme klang dabei etwas gefährlich Absolutes mit.

Ich rührte mich nicht, weil ich nicht wusste, wie ich darauf reagieren sollte. Sollte ich mich bedanken? Sollte ich mich entschuldigen? War mir wichtig, dass Paul auszog? Reichte mir, dass Paul auszog? Ich hatte keine Ahnung, wie ich diese Fragen beantworten sollte.

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