„Ähm..." Pia klang so ehrlich überrascht über meine heftige Reaktion, dass ich mich fragte, ob sie meinen Herzschlag durchs Handy hören konnte. „Er meinte, du wärst ein bisschen garstig gewesen heute."
„Ja, vielleicht. Eigentlich war nichts wichtiges." Ich harrte in Habachtstellung aus, bis sie weitersprach.
„Ich glaube, er hatte ein bisschen Angst, dass er dir vielleicht zu sehr auf die Pelle gerückt ist."
„Wie das denn?", fragte ich misstrauisch. Ich war mir nicht sicher, was ich mit ihm anstellen würde, wenn er ernsthaft direkt heute Pia brühwarm von letzter Nacht erzählt haben sollte. Schlimm genug, dass mein Vater offensichtlich darüber nachdachte, was zwischen Paul und mir lief. Ich wollte nicht noch eine Person einweihen. Dazu war mir das nicht nur zu frisch, ich wollte es auch einfach nicht mit der Welt teilen. Nachdem Thomas die vermeintlichen Details unseres Sexlebens mit meinen Kollegen geteilt und sich königlich mit ihnen amüsiert hatte, war mir wirklich nicht danach, dass Paul losmarschierte und ungefragt losquasselte- und sei es hundertmal Pia.
„Weiß ich das?" Sie seufzte. „Kim, ich war damit beschäftigt, ihn nach eurer See-Knutscherei auszufragen. Nachdem der Versuch am Wochenende ja noch in ein Riesendrama ausgeartet ist, war ich mega neugierig- bin ich mega neugierig. Im Ernst, ich habe nicht damit gerechnet, dass ihr das Kriegsbeil so schnell begrabt. War es Pauls kaputtgeschlagene Lippe oder was hat dich weich werden lassen?"
Ich atmete durch. Wahrscheinlich eine Spur zu laut und zu erleichtert, als dass es Pia nicht aufgefallen wäre, aber sie fragte nicht weiter nach. Stattdessen erzählte ich ihr vom See und das selige Grinsen, dass ich schon beim Kochen mit Paul auf dem Gesicht gehabt hatte, kehrte zurück. Meine Gesichtsmuskeln hatte ich definitiv nicht mehr unter Kontrolle. Pia fragte und fragte, ohne dabei zu aufdringlich zu werden und ich war mir ziemlich sicher, dass sie gespürt hatte, dass ich einfach noch nicht alles erzählen wollte. Weil sie eben Pia war, weil sie von München wusste und weil sie am Wochenende dabei gewesen war, war ich mir sogar ziemlich sicher, dass sie wusste, weswegen ich auf ihr „Und nun? Wie geht's weiter mit euch?" mit einem verhaltenen „Wird man sehen." antwortete. Wir beließen es dabei und beschlossen noch, dass sie am Samstag bei mir schlafen könnte, ehe ich sie auf ihren Egomanen ansprach. Sie wiegelte ab. Er wäre am Sonntagabend noch spät bei ihr aufgetaucht und seitdem quasi nicht mehr gegangen, bis er vor gut zwei Stunden dann doch abgehauen war. Zu sich nach Hause, hatte er gesagt. Pia hatte, weil sie ihm keinen Meter über den Weg traute, den Instagram-Account seiner Freundin gestalkt und kaum, dass er bei ihr aus der Tür war, gesehen, wie sie eine Story der beiden hochgeladen hatte.
„Weißweinschorle und Flammkuchen mit Schatzi" Sie spuckte das Wort förmlich aus. „auf dem Balkon."
„Sorry, Pia.", murmelte ich und spielte an einem losen Faden meiner Leggins herum, die ich nach dem Duschen angezogen hatte. „Werde ihn doch los. Ich helfe dir auch dabei."
„Beim Entsorgen?", fragte sie. Zum ersten Mal seit wir wieder Kontakt hatten, klang sie mutlos.
„Ich kann einen Geländewagen organisieren."
Sie lachte angestrengt. „Ich mache ihn so klein, dass wir gar kein Auto mehr brauchen. Ich muss nur noch ein bisschen Mut und ein paar scharfe, verbale Messer suchen."
Ich versuchte es noch ein paar Mal halbherzig, aber sie ließ sich nicht trösten. Sie war gleichzeitig sauer auf ihn und sich selbst und so, wie ich nicht teilen wollte, was zwischen Paul und mir passiert war, wollte sie offensichtlich genauso wenig darüber sprechen, weswegen sie den Kerl nicht längst zum Teufel gejagt hatte.
„Ich freue mich auf euch.", sagte sie zum Abschied. „Echt- ich freue mich richtig. Nach der Scheiße mit Vik bin ich echt froh, wenn ich hier raukomme..." Vik-Viktor wahrscheinlich. Es war das erste Mal, dass sie seinen Namen aussprach und sie klang dabei so resigniert, dass ich dem Typen eine Lebensmittelvergiftung von seinem Flammkuchen wünschte. Schatzi.
„Wir...ich freue mich auch. Pass auf dich auf." Damit legte ich auf.
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Tja. Gefrustete Pia. Bleibt die Frage: Hat Pauli wirklich nicht gequatscht oder hat Pia gemerkt, wie dünn das Eis wird?
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Auftauchen
Teen FictionIch ertrinke. Ich ertrinke in endloser Tiefe, In endloser Aufrichtigkeit. Ich will Auftauchen. Will ich? Kim Feldmann ist 19 Jahre alt und kehrt nach der abgeschlossenen Bereiterausbildung auf den elterlichen Hof zurück. Dort erwarten sie nicht nur...