Part 96

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Als ich am nächsten Morgen noch vor dem Wecker aufwachte und mich zu Paul umdrehte, der noch tief schlafend auf der Seite lag, den nackten Rücken mir zugewandt, die Decke irgendwie mehr unter sich zusammengeknäult als über sich, stand ich so vorsichtig wie möglich auf, schlich auf Zehenspitzen ums Bett herum und sammelte dabei meine Klamotten ein. Ich warf noch einen Blick auf Paul, der regungslos da lag, auf das Spiel von Licht und Schatten auf seiner Haut, in seinem Haar und spürte das mittlerweile fast vertraute Gefühl in meiner Brust. Dieses schwer zu beschreibende Kribbeln, diese Aufgeregtheit, die sich gleichzeitig wie Angst und unaushaltbare Vorfreude anfühlte und – seit gestern Nacht- dieses Gefühl von Stolz, dass ich schon in Pauls Blick gesehen hatte. Es war ein bisschen zu gut, um wahr zu sein und ich sehnte mich nach einer langen, ungestörten Dusche, um mich hinterher wieder wie ich selbst zu fühlen, zumindest aber geordneter und geerdeter. Ich hatte fast das Gefühl, über den Boden zu schweben. Vielleicht schaffe ich es deshalb geräuschlos zur Tür, die ich mit einem leisen Quietschen hinter mir schloss und zu mir herüberging, wo ich die Klamotten, die ich mir nachlässig übergeworfen hatte auszog, neben mein Bett warf und ins Badezimmer ging. Das warme Wasser, dass wenige Augenblicke später über meine Haut floss, kam gegen das Kribbeln nicht an, aber ich schloss trotzdem die Augen und versuchte zu sortieren, warum meine Füße keine Lust mehr auf Kontakt zum Boden hatten. Da war mein Sieg im M-Springen, der umso besser schmeckte, weil ich wusste, dass ich gut geritten war. Ich hatte am Abend noch ein Video davon gesehen und hatte mich- seit langen Monaten- mal wieder so auf dem Pferd gesehen, wie ich es von mir gewohnt war. Dieses Video war mir so viel mehr Wert als die Farbe der Schleife, die noch neben Pauls Bett lag. Da war Paul, der Rasputin nicht nur unfall- sondern auch fehlerfrei durch das anschließende S-Springen bekommen hatte und der das zweifelhafte Vergnügen gehabt hatte, mit Rasputin die Siegerehrung mitzureiten. Ich hatte ihn schon fast im Dreck liegen sehen. Später dann, zuhause, als wir die Pferde längst versorgt hatten und noch draußen am Holzzaun lehnten, auf die Wiesen schauten und dabei Eis aßen, dass ich aus der Tiefkühltruhe meiner Eltern stibitzt hatte, hatte ich ihm von Simon erzählt. Ich hatte gehofft, dass das Eis die Wut direkt abkühlen würde, aber Paul hatte nur schnaubend gelacht und die Augen verdreht.

„Erzähle mir was Neues.", hatte er gesagt. „Der ist mir dir Tanzen gegangen und hat dir sein dickes Pferd zum Reiten hingestellt. Natürlich will der was von dir."

„Und du nimmst das so hin?"

„Wieso nicht?" Er hatte ein Stück vom Schokoüberzug seines Eis' abgeknabbert und mich süffisant grinsend angesehen. „Willst du mich direkt eintauschen?"

Auch, als ich ihm danach noch erzählt hatte, was Simon am Freitagabend zu mir gesagt hatte, zuckte er nur mit den Schultern. „Gekränkter Depp. Ich gönne es ihm, dass der im M nicht mal in die Nähe der Platzierung gekommen ist, obwohl sein Sofa es echt probiert hat." Diese unaufgeregt, unkomplizierte Reaktion hatte mir einen gewaltigen Stein vom Herzen geräumt. Nicht, dass ich nach der Aktion mit Thomas ernsthaft gedacht hätte, dass Paul insgeheim ein gewalttätiger Mistkerl war. Vielmehr hatte ich noch Thomas einschüchternde, impulsive Eifersucht im Kopf gehabt und Paul so entspannt reagieren zu sehen, hatte mir einen Stein von der Seele, den ich vorher gar nicht bewusst gespürt hatte. Ich hatte nur gespürt, wie ich plötzlich durchatmete. Und dann, als wäre das alles nicht genug gewesen, hatte Paul mich an sich gezogen und dabei sein verschmitztes Paul-Lächeln gelächelt.

„Weißt du, bevor du mich neulich so...überrascht... hast, hatte ich doch einen Plan. Erinnerst du dich?"

Und dieser Plan war zu gut aufgegangen. Dieser Plan war der eigentliche Grund dafür, dass ich die Bodenhaftung beinahe verlor, während ich meine Zehen gegen den Boden presste und das Shampoo aus meinen Haaren spülte. Ich hatte lebhafte Bilder im Kopf, spürte lebendige Berührungen auf meiner Haut und atmete gegen mein sich zusammenziehendes Zwerchfell an, während ich mir den gestrigen Abend bewusst machte. Niemals hatte ich mich so gefühlt, wie in diesem sehr langen Moment und als ich eben aufgewacht war, meine Klamotten zusammengesucht und das Spiel von Licht und Schatten auf seiner Haut beobachtet hatte, hatte ich mich noch anders gefühlt, nicht einfach glücklich, sondern- und das Wort zu denken allein ließ mich fünf Zentimeter wachsen- begehrt. Das hatte ich nie gefühlt, nicht so jedenfalls. Nicht auf diese Art, die diesen verrückten Stolz in mir geweckt hatte, der sich irgendwo am Solarplexus räkelte und dabei hin und wieder unwillkürlich kleine Impulse durch meinen Körper schickte. Ich fühlte einen unangemessenen Besitzerstolz, von dem ich niemals jemandem erzählen würde, nicht mal und vielleicht schon gar nicht Paul selbst. Ich war brennend eifersüchtig und gleichzeitig seltsam ruhig, weil ich wusste, dass es dafür keinen Grund gab. Kurz- ich war unanständig verliebt in Paul, der nebenan auf seinem Bett lag und sich die Sonne auf seinen nackten Rücken scheinen ließ.



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habe kurz überlegt, ob ich nicht spontan "the end" hinter diesen Teil kloppe, aber nö 😛

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