164. Mein Wissen ist nun dein

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Kapitel 164

Hermine lag ganz allein auf der Krankenstation. Sie wusste nicht, dass sie eigentlich nicht alleine war, denn den Leichnam konnte sie nicht sehen. Sie starrte an die hohe Decke. In ihr ging so viel vor und doch war ihr Kopf irgendwie leer. Dennoch hatte sie das Gefühl, als würde er jeden Augenblick zerspringen. Die stillen Tränen, die sie nun schon länger weinte, spürte sie nicht. Ihre Gedanken kreisten immer wieder, einzig und allein um Severus und jetzt wurde es in ihrem Kopf so richtig voll.

… Das war es… das hat ihn so belastet… natürlich konnte er mir das nicht sagen… wie auch? … Hallo, also mir geht es schlecht, weil ich dir verheimlichen muss, dass ich Professor Dumbledore töten werde… Wohl kaum! … Er hat ihn einfach so umgebracht… und er kann… er muss es gewollt haben, Hass und Wut auf ihn gehabt haben… sonst hätte der Zauber nicht funktioniert… Wie konnte er nur?... Dumbledore war sein Freund… sein Pate… Er hat sich immer um ihn gekümmert und gesorgt!... Das wäre so, als würde ich meine Eltern umbringen!... Ich dachte, er wäre auf unserer Seite, ich dachte… er würde nicht mehr so sein wollen… Alles war gelogen… Malfoy hatte Recht… er hat nicht für Malfoy gespielt, sondern für mich … mit mir… und dieser elende Spiegel sagt mir, dass ich ihn liebe?!... Das kann doch nicht sein!... Wie konnte ich nur so blind und auch blöd sein!... Auf Viktor habe ich mich auch nicht eingelassen… da hat mein Verstand doch noch funktioniert und bei ihm?... Was, wenn er wirklich mehr getan hat, als ich weiß?... Wenn er mir Tränke verabreicht hat, die das bewirken?... Wenn er mich mit einem Zauber manipuliert hat? … Dass er es kann, weiß ich… Warum habe ich nur geschwiegen?... Ja, weil er so gut war, dass er sogar Dumbledore hinters Licht führen konnte… und letztendlich hat er es mit seinem Leben bezahlt…

Hermine schluchzte, sie war wütend, verzweifelt, voller Trauer und dennoch war dort die Liebe für den gemeinen Mörder, denn ein Teil in ihr glaubte weiterhin, dass es ein Traum sei oder er irgendwie unschuldig. Dass sie es mit eigenen, bzw. mit seinen Augen gesehen hatte, verdrängte dieser Teil in ihr gekonnt und blendete auch alles andere aus. Sie wollte ihn hassen, aber sie konnte es nicht.

„Du hast versprochen, mir nicht wehtun zu wollen und auch nicht zuzulassen, dass es jemand anderes tut… du elender Lügner!“, entwich es ihr erst leise, dann fauchte sie es wütend an die Decke. Nie hatte sie sich so schrecklich gefühlt wie in diesem Moment. Selbst das Wissen, dass auch er fühlte wie sie, dass auch er so verzweifelt und alleine war, hätte es nicht besser gemacht.

*

Er hatte nur einen Stich gespürt, nachdem er Albus getötet hatte, dann nichts mehr. Die Präsenz, das Wissen um Hermine in seinem Geist war verschwunden. Er konnte es sich nicht erklären und der, der es ihm hätte erklären können, war tot, seinetwegen. Schon seit Stunden stand er unter der Dusche und seine leuchtend rote Haut war mittlerweile an manchen Stellen aufgerissen und blutig. Er fühlte sich elendig, dreckig und eine Art Zwang hielt ihn nun unter der Dusche. Erst, als er überdeutlich seine Schmerzen spürte, drehte er das Wasser ab, denn sein Verstand war ihm wieder präsent. Wieder und wieder hallte ihm dafür auch das Bild durch den Kopf, dazu Albus‘ Worte. Er heilte die Wunden und zog sich dann wieder an, verkroch sich in sein Wohnzimmer, wo ein Feuer im Kamin prasselte. Alles schien ihn an Albus zu erinnern und er kniff die Augen zusammen.

… Wie konnte ich nur? Ich hätte diesem Irrsinn nie zustimmen dürfen! Es hätte eine andere Lösung geben müssen… irgendetwas… Wenn Minerva dich nur halb so sehr vermisst… Es tut mir so Leid… Ich wollte das nicht…

„WARUM ICH?! WARUM MUSSTE ES SEIN; ALBUS!“, brüllte er wütend. Seine Wände und sein ganzes Haus war mit einem Schallzauber belegt, sodass er sich keine Sorgen machen müsste, dass ihn irgendwer hören könnte und Wurmschwanz war auch wieder bei seinem Herren und somit war Severus wieder allein. Wobei sein Herz irgendwo genau das nicht sein wollte – er wollte nicht alleine sein, er wollte seine kleine Gryffindor bei sich haben. Aber wusste, dass er sie dafür entführen müsste, denn bei allem, was sie gesagt und getan hatte, sie würde ihm freiwillig keinen Meter mehr folgen, wenn sie ihn nicht umbringen wollte oder ihn wenigstens schnappen wollte, damit er eine gerechte Strafe erhielt. Wohin war sie ihm nicht schon gefolgt? Wohin hatte sie ihn nicht schon geführt, um nicht zu sagen, verführt? Verzweifelt griff er nach der Flasche Whiskey, die er sich auf den Tisch gestellt hatte, sie war bereits zur Hälfte leer, doch er trank weiter. Er wollte vergessen und wenn es ihn umbrachte, war es ihm nur recht. Er machte sich keine Gedanken mehr, ob Hermine es spüren würde oder nicht und ob es sie überhaupt interessieren würde. Er spürte sie nicht, warum sollte sie ihn spüren? Er war wieder zum Mörder geworden, warum sollte sie ihn lebend sehen wollen? Ein Klopfen an der Scheibe schreckte ihn auf. Eine Eule? Misstrauisch und schwankend ging er zum Fenster und öffnete es. Er kannte die Eule nicht, sie war unscheinbar, groß, aber unscheinbar. Sie ließ ein verpacktes Buch vor ihm fallen und einen dicken Brief. Er legte beides zur Seite, war sich nicht sicher, ob er überhaupt wissen wollte. Weder auf dem Buch, noch auf dem Brief stand sein Name oder überhaupt ein Wort. Er ließ es einfach liegen und wollte sich wieder setzen, stieß im Taumeln die Flasche vom Tisch und sie zerschellte am Boden. Er fluchte leicht, ließ sich dennoch einfach in den Sessel fallen. Er konnte und wollte nicht mehr. Sie waren von Hogwarts direkt zu Voldemort appariert. Er war sehr ungehalten, weil Draco den Auftrag nicht ausgeführt hatte, doch er hatte diabolisch gelacht, als er erfuhr, wer es an seiner Stelle getan hatte. Severus hatte den eiskalten Todesser gemimt. Es war seine Pflicht und er hatte sie erfüllt – nichts weiter. Die Tatsache, dass er schwer damit zu kämpfen hatte, nicht zusammenzubrechen oder seinen tiefen Schmerz zu zeigen, bemerkte niemand. Äußerlich wirkte er wie immer, das war genau das, was der Lord an ihm schätze: er war pflichtbewusst und führte Befehle ohne Fragen aus, es sei denn, er wüsste einen besseren Plan. Er war einer der wenigen, die Voldemort widersprechen durften, bzw. ihm einen Vorschlag unterbreiten durften – jeder andere wurde gefoltert, wenn nicht so gar getötet. Jetzt war er allein und nicht mehr in der Lage, seine Maske zu halten. Er konnte nicht weinen, da waren keine Tränen, die es zu verbergen galt. Er seufzte und schleppte sich ins Bett. Überall spürte er Kälte und nichts vermochte ihn zu wärmen, denn innerliche Kälte ließ sich nicht so einfach vertreiben. Sie brauchte innerliche Wärme, Liebe und genau diese hatte er, spätestens jetzt nicht mehr zu erwarten, nicht verdient und er gab die Hoffnung auf. Er lag lange wach und ihm kamen die Gedanken an Hermine. Er dachte daran, wie sie neben ihm im Bett lag, wie oft hatte er sie beobachtet, ihr beim Schlafen zugesehen. Sie strahlte immer eine solche Ruhe aus, eine solche Wärme, so sehr, dass es ihm das Gefühl von Geborgenheit schenkte. Er erinnerte sich daran, wie sie jedes Mal, wenn sie neben ihm auf der Couch saß, eingeschlafen war, sich an ihn gekuschelt hatte. Es war ihr egal, was er von sich dachte – sie hatte immer wieder seine Nähe gesucht, sie gefunden und sie nie wieder hergeben wollen, hätte sie doch einmal seinen Umhang gegriffen, als er gehen wollte. Er seufzte. All das würde nie wieder passieren, für all das würde sie ihn verurteilen, wenn nicht sogar hassen. Sie würde ihm nie verzeihen, was er getan hatte, dass er es ihr nicht hatte sagen können, dass er geschwiegen hatte. Die Liste wäre endlos gewesen und schloss resigniert die Augen, doch ihr Bild erschien vor seinem geistigen Auge. Sie saß an seiner Seite und lächelte ihr schönstes Lächeln nur für ihn. Wütend riss er die Augen auf. Entweder Albus oder Hermine, einer von beiden spukte in seinem Geist herum und quälte ihn auf die eine oder andere Weise – er würde noch verrückt werden! Wie sehr beneidete er in diesem Moment Lockhart, der wusste bestenfalls seinen eigenen Namen. Er ärgerte sich, dass man solche Vergessenszauber nicht auf sich selbst anwenden konnte. Verzweifelt schloss er wieder die Augen und versuchte, zu schlafen. Es dauerte lange, aber es klappte schließlich und er konnte ein paar Stunden schlafen. Jedoch wachte er schweißgebadet wieder auf – Albus und Hermine spukten wieder in seinem Kopf herum und er war wieder hellwach. Es war noch sehr früh und sein Kopf brummte – es war eben viel zu viel Alkohol gewesen. Mühsam schleppte er sich in sein Bad, wo er Tränke bereit stehen hatte, auch für einen Kater. Hastig stürzte er einen hinunter und fühlte schnell die Wirkung. Ein kleines Frühstück, er hatte kaum Hunger, und eine Dusche später, stand er fertig angekleidet in seinem Wohnzimmer und beseitigte die Spuren von vergangener Nacht, denn der Alkoholgeruch stieg beißend in seine Nase und allein davon wurde ihm fast schlecht. Er sah ebenso aus und hatte den Blick in den Spiegel so kurz wie möglich gehalten, denn so genau wollte er sich nicht sehen. Das Päckchen und der Brief zogen erneut seine Aufmerksamkeit auf sich und nun, da er etwas nüchterner war, wollte er sich beidem widmen. Er nahm Buch und Brief und setzte sich damit in seinen Sessel, legte das Buch auf seine Beine und öffnete den Brief, mehrere Pergamente zog er heraus und erkannte auf einem die Schrift von Albus Dumbledore. Er legte die anderen drei Seiten auf das Buch und begann, den Brief zu lesen.

7 Jahre bis zum Glück oder Sturheit und Liebe das dauert...Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt