No. 58

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Las Vegas ist für sein quirliges Nachtleben mit rund um die Uhr geöffneten Kasinos und anderen Unterhaltungsangeboten bekannt. An der Hauptstrasse und Lebensader der Stadt, die mit 6,5 km sehr lang vorkommt, ist der sogenannte Strip. Entlang der Boulevard befindet sich viele Mottohotels mit ausgefallenen Gestaltungselementen wie Musikbrunnen oder Nachbildungen einer ägyptischen Pyramide, des Canale Grande in Venedig, die Liberty Statue von New York oder der Eifelturms Paris. Mittendrin das grösste Riesenrad, das eine spektakuläre Aussicht auf Las Vegas zeigt...

Paul war noch nie in Nevada gewesen, so wusste er auch nicht alles. „Und wo ist unser Hotel denn?", fragte er, als Jenny den Blick wieder auf das Handy gleiten liess. Zu gerne hätte sie den bunten Ausblick genossen, aber ewig rumfahren wäre auch nicht in ihrem Sinne gewesen. Während Jenny die Route checkt, entdeckte Paul auf der anderen Seite ein Parkplatz, auf das auch Wohnmobile gestrandet waren. Statt Jennys Antwort abzuwarten, wendete Paul das Lenkrad nach links und steuerte auf den Parkplatz zu. „Was, wo willst du hin?", wurde Jenny durch den schwungvollen Wendung an die Beifahrertür gedrückt. „Du willst doch nicht etwas aus Las Vegas flüchten?", machte Jenny grosse Augen und versuchte die Route auf dem Handy wiederherzustellen. „Keine schlechte Idee!", witzelte Paul und lachte. „Aber Paul,...", Jenny wollte schon protestieren, dass er sein Versprechen nicht einhielt, aber Paul redete weiter. „Keine Sorge, ich halte mein Versprechen. Hier parken wir den Bulli." Der Bulli rollte auf der Parkfläche in die Mitte, rechts und links daneben stand jeweils ein grosser Wohnmobil. Man hatte das Gefühl, dass der Bulli ziemlich sehr klein vorkam in der Mitte, aber das schien Paul nicht zu stören. „Und jetzt?", fragte Jenny, als sie ausstieg. „Zum Hotel können wir doch zu Fuss gehen. Bewegung schadet nicht", zwinkerte Paul mit seinem rechten Augen, was sein Markenzeichen geworden ist. Beide streckten ihre Armen und Beinen, denn durch die lange Fahrt fühlten sie sich ein wenig eingerostet. „Haha", sagte Jenny und war wieder in der Konzentration, wo es entlang ging. „Wir müssen dahin", blickte Jenny vom Handy auf und deutete in die Richtung. Das Gepäck wurde geholt, was man über die Schulter tragen konnte und zum Glück war es ja keinen grossen Rollkoffer. Paul checkte nochmal die Sicherheit des Autos, verdeckte die wertvollsten Sachen, darunter sein heiss geliebtes Surfbrett und dass auch alle Türen verschlossen war. Die Tüte mit dem Smoking und dem Kleid, das Paul und Jenny am Huntington Beach gekauft hatten, wurde mit aller Vorsicht in der Hand getragen und so spazierten sie den Las Vegas Strip entgegen bis sie vor dem Hotel standen. „Wow!", sagte Paul und staunte nicht schlecht, was Jenny da organisiert hatte. „Perfekt, was?", blinzelte sie mit den Augen und stützte ihren Ellbogen auf Pauls Schulter. Ihre Blicke trafen sich, beide lächelten sich an. Die Augen waren auf das Hotel gerichtet. Es war ein nobles Casino-Resort. Weisses Gebäude mit sehr gepflegter Einfahrt. Fünf Sterne Hotel. „Ob die uns so reinlassen?" Paul schaute an sich herunter, denn Jenny und er waren in coole Sommerkleidungen gestylt. „Bestimmt", nickte Jenny. „Überlasse das mir. Das wird garantiert ein toller Aufenthalt!", war sich Jenny absolut sicher. „Da bin ich aber gespannt, was für Überraschungen noch auf uns wartet", sprach Paul mit skeptischer Stimme. „Jede Menge! Ich freue mich schon auf das Zocken, das wird unser Abend!", hauchte sie in Pauls Ohr.

Am Flughafen in Paris-Charles-de-Gaulle stieg Alex aus dem Flieger, der aus Deutschland kam, aus und nahm in der grossen Wartehalle Platz auf einen von den vielen Sitzen, die in den Reihen aufgeteilt waren. Es dauerte Stunden, bis der nächste Flug war. Während Alex wartete und die vielen Reisende zusah, wie sie sich umarmten, in ihren Taschen kramten, am Handy telefonierten, Selfies machten oder am Schalter irgendetwas erledigten. Alex stellte sich die Frage, ob es die richtige Entscheidung war, nach Kalifornien zu fliegen und Jenny heim zu holen. Wäre da nicht dieser Flugausfall ohne Nonstop gewesen und jetzt den Flug mit zwei Zwischenstopps. Das alles zog sich in die Länge. Für seine Verlobte war es wert, diesen ganzen Stress auf sich zu nehmen. Ausserdem beschlich Alex ein ungutes Gefühl, was Jenny anging. Denn er kannte seine Verlobte, die würde sich doch nie in irgendeine Abenteuer stürzen. „Nee, so ist Jenny nicht, die hat schon Verstand und kennt ihre Grenze", hing Alex seinen Gedanken nach, als endlich der Flug nach New York als zweiter Zwischenstopp, aufgerufen wurde. Dass ausgerechnet seine sonst so brave Verlobte in Las Vegas das Gegenteil von sich behauptete, das wusste Alex in diesem Moment noch nicht und stieg ahnungslos in den Flieger, das kurz darauf abhob und Paris verliess.

Wie Paul es erwartet hatte, sah eine feine, ältere Dame hinter der Rezeption mit argwöhnischen Augen auf die beiden herab, als Paul und Jenny das Hotel betraten. „Wir hätten gerne ein Zimmer", sagte Jenny höflich. „Haben Sie einen reserviert?", fragte die Dame. Jenny verneinte und die Frau nahm ihre Lesebrille ab. „Tut mir leid, dann kann ich Ihnen nicht weiterhelfen." So selbstsicher wie Jenny es vor einigen Minuten noch war, war jetzt nichts mehr davon übrig. Paul übernahm an Jennys Stelle und liess seine Charme spielen. „Hören Sie, wir sind auf der Durchreise", er bat die Dame mit seiner Hand bewegend näher an sich heran und flüsterte ganz leise in ihr Ohr,woraufhin die Dame lächelte...    

California - The Endless SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt