No. 98

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Hinter dem Haus führte ein schmaler Weg in den kleinen Wald, das mitten von einem kleinen See umgeben war. Die Sonnenstrahlen schien durch die Bäumen herab auf den Weg und als Paul und Lisa am See ankamen, glänzte das Wasser auf der Oberfläche so schimmernden. „Du hast immer so gerne hier geschwommen", erinnerte sich Lisa und Paul musste lachen. „Ja, diese Ruhe hier! Und du hattest immer Angst gehabt, erwischt zu werden." Lisa stupste Paul mit ihrem Ellbogen in seine Rippen. „Hier ist ja auch kein öffentliches Baden gestattet!" „Sind wir erwischt worden?" „Nicht, dass ich wüsste!" „Nur Papa hatte sich darüber aufgeregt, Mama war verständnisvoller." Beide lachten und gingen einige Schritte weiter. Es war recht frisch im Walde. „Was machen wir jetzt?", stellte Paul die Frage. Lisa erzählte, dass der Arzt der Familie Broschüren über die angehende Krankheit gegeben hatte und dass es sinnvoll wäre, wenn die Angehörigen einen Seminar besuchen und sich über die Krankheit informieren und wie man im alltäglichen Leben mit einem betroffenen Menschen umgehen konnte. Paul blieb stehen und starrte auf den See. „Das heisst, dass ich eine Weile hier bleiben werde und euch unterstütze." „Paul, ich weiss, das ist viel verlangt, aber für den Anfang vielleicht?" Paul hielt kurz inne, um die kühle Morgenluft einzuatmen. „Lass uns die Broschüren genauer ansehen und uns mit dem Arzt in Verbindung setzen, dann sehe ich weiter, ok?", schlug Paul vor und Lisa nickte lächelnd. „Danke, Bruderherz!" Eine Umarmung unter Geschwister löste sich nach einigen Sekunden auf. „Und jetzt will ich alles über Jenny wissen!" Lisa warf einen verstohlenen Blick zu ihrem Bruder, der mit Begeisterung von Jenny zu reden begann. Seine Augen leuchteten, wie er rührend über seine Traumfrau sprach. „Pretty woman?", ungläubig lachte Lisa über das Wort und auch Paul konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. „Ja, ich glaube, du wirst sie mögen." „Ja, und wo ist sie dann?", wollte Lisa wissen. „Das ist noch nicht alles", meinte Paul und spannte Lisa auf die Folter. Dann begann Paul von Las Vegas zu erzählen, wie erfolgreich er im Pokern spielen war und viel Geld gewann. Und das alles mit Jenny als Glücksbringer. Dann kam die Sache mit der Verfolgung und dass sie Zuflucht in der Hochzeitskapelle gefunden hatten. „Und?", die Neugier wurde bei Lisa so gross und schaute ihren Bruder an. „Lass mich raten, ihr seid gefunden und verhaftet worden. Habt eine Nacht hinter Gittern verbracht?", redete Lisa für Paul weiter, als dieser für eine Weile still war. Lisa stellte sich vor, wie die beiden mit einem schwarzen Schild, auf der eine lange Nummer eingetragen war, ihre Gesichtsmiene alles andere als erfreulich war, vor dem Fotografieren standen. Lisa amüsierte sich herzhaft darüber und im nächsten Augenblick klappte ihr den Kinnlade runter. „Nein", lächelte Paul, „wir haben geheiratet!" „Sag das nochmal!" „Dein Bruder hat geheiratet!" Paul holte seine Kette unter der Jacke hervor und zeigte Lisa den Ring. „Donnerwetter! Ich fasse es nicht!", Lisa war immer noch sprachlos. „Ich hätte nie gedacht, dass du dich mal trauen wirst!" „Soll ich dir was verraten?", Paul sah seine Schwester an, die es immer noch nicht glauben konnte, „ich auch nicht!" Nun hatten die Geschwister den See umrundet und Paul erzählte weiter bis er seinen Blick wieder auf den See gerichtet hatte. „Ich weiss nicht, wo Jenny ist! Ich mache mir allmählich Sorgen!" Lisa hatte Mitleid mit ihm und nahm ihn tröstend in die Armen. Bevor sie den Heimweg antraten, bat Paul Lisa noch um einen kleinen Gefallen. „Ich möchte die Geschichte mit der Hochzeit Mama und Papa selber erzählen. Bis dahin wird nicht darüber gesprochen, bis ich weiss, wo meine Frau ist." „Na klar!", schwor Lisa mit ihren Fingern und Paul wusste, dass er sich auf seine Schwester verlassen konnte. „Ich bin froh, dass es dich gibt, kleine Schwester!" „Und ich erst, dass ich einen grossen Bruder habe! Ich wüsste nicht, was ich ohne dich machen sollte?" Lisa freute sich darüber, dass Paul da war und hatte ein breites Lächeln in ihrem Gesicht.

Zur gleichen Zeit in Köln wartete Viola ungeduldig auf die Ankunft von Jenny und Alex. Gerade hatte sie die letzte Vorbereitung getroffen, als sie die Tür öffnen hörte. Freudig und mit ausgestreckten Armen kam Viola in den Flur und drückte Jenny in ihren Armen. „Jennifer! Schön, dich wiederzusehen!" Viola gab Jenny Küsschen an der eine Wange und der anderen. Jenny liess sich von Viola umarmen und zog ihre Mundwickel kurz hoch. Schnell löste sie sich aus der Umarmung und verschwand ins Bad. Alex sah ihr hinterher und seufzte, während Viola sie verständnislos ansah. „Habe ich was falsch gemacht?" Alex schloss die Tür hinter sich, nachdem er den letzten Koffer in den Flur stellte. „Nein, Mama, alles gut!" „Was ist dann mit der los?" Alex umarmte seine Mutter und flüsterte ihr ins Ohr:"Erzähle ich dir nachher." „So schlimm?", Violas Blicke waren mit Sorgen gerichtet. „Ich weiss nicht!", meinte Alex und folgte seiner Mutter in das Esszimmer, und als sein Blick auf den gedeckten Tisch fiel, bekam er einen Riesenhunger. „Das sieht lecker aus!" Im Bad lehnte sich Jenny an die geschlossene Tür und sackte auf den Boden. Tränen kullerten an ihrer Wangen. Ihr Herz wurde schwerer und mit jeden Minuten wurde sie immer trauriger. Sie lächelte nicht mehr, seitdem sie den Brief gelesen hatte und in eine Starre verwandelt hatte. Von dem einen Moment auf die andere war ihr Leben in eine Seifenblase zerplatzt worden. Jenny hatte Pläne und Ziele gehabt, doch als sie Paul in Kalifornien kennenlernte und sich in ihn verliebte, war sie bereit, dieses Vorhaben über den Haufen zu werfen. Sie spielte an dem Ring, das so schön funkelte wie ihr Lächeln. Zugleich überfiel ihr die Wut über Paul und sie versuchte erneut, wieder den Ehering von ihrem Finger zu lösen. Doch der Ring klebte an ihr wie Pech und Schwefel...    

California - The Endless SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt