No. 166

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Eine Weile verharrte Jenny in dieser Position. Dann sammelte sie sich wieder und sprach Mut zu. Was brachte das Jammern? Jenny stand auf und streckte sich die Armen in die Höhe. Ihr Nacken war verspannt. „Eine Massage wäre nicht schlecht." Gedankenverloren starrte sie auf das Meer, das vor ihren Augen rauschte. Die Wellen machten sich bemerkbar. „Paul wird Augen machen, wenn er von meiner Überraschung erfährt. Hier war er glücklich, und das sollte er in Zukunft auch sein. Dass Paul immer weiss, wo sein Herz zu Hause ist." Ein Blick auf die Uhrzeit, das ihr Smartphone anzeigte, liess sie kurz aufschrecken. Es blieb nicht mehr viel Zeit, sie wollte noch vor dem Treffen mit dem Makler noch ein wenig Ordnung im Strandhaus machen und mit ihrem Vater die letzten wichtigsten Details zum Kauf via Skype besprechen.

Durchnässt vom starken Regenfall kam Alex in der Wohnung an. Im Flur zog er die nasse Jacke aus, an der leichte Wassertröpfchen herabprallten. Er hängte sie an die Garderobe und zog die Schuhe aus. „Wo kommst du denn her?", fragte Viola, als sie ihren Sohn im Flur entdeckte. „Vom Krankenhaus." „Wie? Bist du verletzt?" Ihr Gesicht mit Sorgen gezeichnet, kam Viola näher an Alex und tastete ihn am Gesicht ab. „Alles gut, Mama!" Alex nahm Violas Hände von seinem Gesicht. „Ich hatte dem Renner einen kurzen Besuch abgestattet." Alex ging ins Bad und trocknete seine Haare mit einem Handtuch ab. Erst wusste Viola nicht, was Alex meinte und als er ihr auf die Sprünge half, wurde sie neugierig. Alex erzählte seiner Mutter, was im Krankenzimmer vorgefallen war und für einen Moment hatte er ein schlechtes Gewissen. „Ich weiss nicht, ob das eine gute Idee war, diesem Renner eine Lügengeschichte zu erzählen?" Viola schüttelte den Kopf und rieb sich an der Schläfe. „Hattest du eine andere Wahl? Nur so wird sich der andere Mann von Jenny fernhalten. Mein Instinkt sagt mir, er wird Jenny in Ruhe lassen." Alex sah zu Boden. Zwar wusste er, dass Jenny nicht zu ihm zurückkehren würde, in seinem Kopf schien das nicht so wirklich angekommen zu sein. Nun packte Viola beide Hände an Alex Schulter und rüttelte ihn fester. „Verspiel diese einzige Chance nicht, wenn Jenny hier weinend vor der Tür steht und einsieht, dass sie einen Fehler gemacht hat, sich auf den falschen Mann einzulassen. Ich helfe dir, und sei fürsorglich zu Jenny, wenn sie deinen Beistand braucht! Aber nicht übertreiben!" Mit weit aufgerissenen Augen sah Alex zu Viola auf, die ihm warnende Blicke zuwarf. Mutter und Sohn blickten sich eine Weile an, Alex lenkte ein und warf das Handtuch über die Kante der Badewanne und ging an Viola vorbei ins Wohnzimmer. Nachdem Alex das Bad verlassen hatte, räumte Viola hinter ihrem Sohn auf, als sei es das Normalste auf der Welt.

Weit nach Mitternacht deutscher Uhrzeit im Krankenhaus starrte Paul vom Krankenbett liegend aus durchs Fenster. Es regnete in starken Strömen, die Regentropfen klatschen ans Fenster und liefen wie eine Perle an der Scheibe herab. In der Hand hielt er seine Kette fest, an dem der Ehering hing. Wie es die Aura wollte, durchlebte Paul die schönsten Momente mit Jenny in Kalifornien. Nach einer Weile überschlugen sich die Ereignisse und der Autounfall kam wieder zum Vorschein. Eine Zeitlang sah er den Ring noch an, zu sehr wühlte ihm das Ganze, dass er das Baby von Jenny fast in Gefahr gebracht hatte. Nur weil sie sich gestritten hatten und Paul sich nicht auf den Verkehr konzentrierte. Mit Vollgas auf der Autobahn. Ein kleines Menschenleben auf dem Gewissen zu haben, wäre für Paul unverzeihbar gewesen. Andererseits hallten die Worte von Alex noch in seinen Ohren. „Hatte Jenny deswegen auf die Scheidung bestanden? Hat sie die Liebe zu mir verloren? Wollte sie zum Schutz des Kindes bei dem Vater bleiben, um heile Welt zu spielen? Alex Drohung klang ernst und auf die Dauer immer mit ihm zu streiten und Jenny mittendrin? Nee, nicht mit mir!" Die Enttäuschung stand Paul ins Gesicht geschrieben. „Wieso hatte Jenny mir nicht die Wahrheit gesagt?" Vielleicht hätten sie einen Kompromiss gefunden, mit der alle leben konnten. Paul dachte mal wieder über Alex Worte nach und in ihm reifte der Entschluss, einen Schlussstrich in seinem Leben zu ziehen. Mit traurigem Gesichtsausdruck legte er die Kette in die Schublade. Sein Blick fiel auf das Handy. Er griff nach seinem Handy, zögerte ein paar Mal und rief seine Schwester Lisa an. Es klingelte eine Weile. „Na endlich!", sagte Paul, als Lisa mit verschlafender Stimme meldete. „Weisst du eigentlich, wie spät es ist?", regte sich Lisa auf. Da Lisa müde wirkte, überhörte sie Pauls mürrische Antwort. „Muss mir wohl entgangen sein." Während des kurzen Gesprächs bat Paul Lisa um ein kleines Anliegen. Lisa, die immer wieder gähnte, versprach ihrem Bruder, es am nächsten Tag mitzubringen. „Übrigens, Jenny hat sich gefreut, dass du aufgewacht bist!" „Schön für sie. Bis morgen dann und sorry, dass ich dich geweckt habe." Verwirrt schaute Lisa auf das Display ihres Handys. „Was war das denn?", dachte Lisa und nahm sich vor, morgen mit Paul zu sprechen. Ihre Augen fielen immer wieder zu und sie warf das Handy neben sich auf die andere Bettseite und knipste das Licht auf dem Nachttisch aus. Laut seufzend liess sich auch Paul nach dem Telefonat mit Lisa in das Kopfkissen fallen und starrte in der Dunkelheit des Zimmers an die Decke. An Schlaf war gar nicht zu denken, Paul haderte innerlich mit seiner Entscheidung.

California - The Endless SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt