No. 168

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„Alex Brandt? Deinen Vorgänger?" Semir konnte es immer noch nicht fassen. Was hatte denn Brandt mit Paul zu tun? „Was wollte er denn von dir?" Paul liess einen Seufzer raus und ging zu Semir. Gemeinsam gingen sie einigen Schritten weiter. „Ist immer das gleiche Thema. Jenny, Jenny und wieder Jenny." „Deswegen stattet Alex dir einen Besuch am späten Abend ab? Merkwürdig!" Semir liess seine Hand an den Holster, in dem seine Waffe steckte. Semir wollte näher auf das Thema kommen, als Paul ihm eine Frage stellte. „Wie war dein Verhältnis zu Alex? Kann man ihm trauen?" „Paul, worauf willst du hinaus?" Nun blieb Semir stehen. „Sag es mir bitte!", bat Paul mit zittriger Stimme. Er hatte Bedenken, ob sein Entschluss, was Jenny und ihn betraf, letzte Nacht das Richtige war. „Paul, du weisst, dass ich viele Partner hatte. Ok, mit Alex hatte ich am Anfang Schwierigkeiten. Es hatte gedauert, zu ihm ein vertrautes Verhältnis aufzubauen. Aber wieso willst du das denn wissen?" „Also doch!", sagte Paul nur und wollte weitergehen, als er von Semir hinten an der Schulter angehalten wurde. „Komm, du kannst mir vertrauen! Was wollte Alex?" Einen Moment zögerte Paul, ehe er zu reden begann. „Er hat mich gedroht, sonst lerne ich ihn richtig kennen." „Was?" „Ja." „Aber da muss doch was dahinter stecken!" Semir fuchtelte mit dem Zeigefinger. „Hast du denn noch Zeit? Du weisst, die Chefin mag es nicht, wenn man zu spät zur Arbeit kommt", schmunzelte Paul und Semir regte sich auf. „Komm mir jetzt nicht mit der Krüger! Sag mir, was Alex wollte!" „Gut", sagte Paul, als die beiden langsam dem Krankenhaus näherten. Wie aus dem Nichts hallte ein Ruf und Paul wirbelte seinen Kopf in die Richtung, aus der seinen Namen gerufen wurde. „Paul! Da steckst du!" Es war Lisa, die mit der Hand winkte und mit schnellen Schritten auf ihren Bruder zugerannt kam. Just in dem Augenblick klingelte bei Semir das Handy. Genervt kramte Semir nach dem Handy und auf dem Display konnte er sehen, wer ihn im Moment störte. „Wenn man vom Teufel spricht!" Paul sah von Lisa zu Semir und wieder zu Lisa, die nun vor ihm stand. „Was ist denn so wichtig mit dem Brief, dass du mich damit herumscheuchst?", regte sich Lisa gegenüber Paul leicht auf, und versuchte ihre Atmung zu normalisieren, ehe sie ihr Gesicht Semir zuwandte. „Hallo Herr Gerkhan." „Hallo, Lisa", sagte Semir, der nebenbei sein Handy wieder in die Jackentasche einsteckte. „Die Krüger will, dass ich umgehend in die PAST komme. Wir sind noch nicht fertig mit Reden, Partner!" Semir sah Paul mit eindringlichen Blicken an und gab ihn zu verstehen, das nächste Mal werde er ihm auf den Zahn fühlen. „Ja, ist ok. So, jetzt Abmarsch, ehe die Krüger dich hier persönlich abholt." Paul steckte seine Hände in die Hosentasche und lächelte, als er Semir beim Sprinten zusah. „Haha!", rief Semir noch hinterher, ehe er den Ausgang fand. Nun wand sich Paul seiner Schwester zu. „Schön, dass du es doch geschafft hast!" „Tsss!" Die beiden gingen ins Gebäude hinein.

Die Zeit bis zum Abend verbrachte Jenny am Strand. Sie ging zum Surfverleih und besorgte sich ein Surfbrett und zog sich einen Neoprenanzug an. Sie erinnerte sich noch an Pauls Kurs, wie man mit einem Board umging. Sie sammelte sich Mut zu und atmete tief ein- und aus. Am Wasser angekommen, liess sie das Surfbrett auf dem Wasser gleiten und krabbelte mit ihrem Körper darauf. Die Armen streckte sie zum Schwimmen aus und als sie eine Welle sah, die langsam auf sie zukam, reagierte sie schnell und stand auf dem Brett. Mit einem Lächeln ritt sie die Welle und war hinterher erstaunt, dass sie es noch konnte. Nur schade, dass Paul in diesem Moment nicht da war und sie zujubeln konnte. Es war ein schönes Gefühl, Jenny vergass für den Moment ihre Sorge um Paul, den Streit, den sie mit Paul hatte bevor es zu dem Unfall kam, die Schuldgefühle, dass Paul um sein Leben kämpfte, den Verlust des Kindes und das Vorhaben mit dem Strandhaus. Die Zeit verging wie im Fluge. Ihre Armen wurden vom paddeln so müde, dass sie sich mit dem Board unter dem Arm aus dem Wasser kam, das Surfbrett in den Sand steckte und sich in den weichen Sand setzte. Der Wind, welcher noch am frühen Nachmittag kräftig blies, war abgeklungen. Der Strand war fast menschenleer bis auf einigen Leuten, die die Sonne noch genossen. Jenny starrte wehmütig in die Ferne, wo die Sonne am Horizont hing. So viel Zeit war seit ihrem Urlaub in Kalifornien vergangen. Keine Ahnung, wie viele Tage seitdem vergangen waren. Es war so vieles in dieser Zeit passiert. Mit einem Lächeln umspielte sie den Ring an ihrem Finger, das ihr in die schwersten Stunden beistand. In der Ferne spürte Jenny, dass irgendwann alles wieder gut wird.

„Wie geht es dir?", fragte Lisa, als sie durch die Tür ins Zimmer gingen. „In zwei Tagen darf ich endlich nach Hause!" Pauls ironischer Ton liess Lisa aufblicken. „Ist doch schön!", sagte sie, als sie die Tasche auf dem Stuhl abstellte. „Zur Cobra darf ich erst in zwei Wochen!" „Ja, Paul, bedenke doch, du hattest eine schwere OP am Kopf gehabt. Und die Zeit im Koma. Mann, du hättest draufgehen können!" Lisa stemmte die Hand an ihrer Hüfte und seufzte tief. Paul sagte kein Wort, brachte stattdessen nur ein „Sorry" heraus. „Wie konntest du mich anrufen, wenn du mich bittest, dein Ladekabel fürs Handy mitzubringen?" Lisa fiel ein, dass Pauls Handy vom Vortag kein Akku mehr hatte, als sie den Ladekabel aus der Tasche holte und sie Paul hinhielt. „Ich habe eine Krankenschwester gefragt und sie war freundlich, und hatte mir ihre ausgeliehen." „Aha", nun hatte Lisa den Brief aus der Tasche gekramt und überreichte sie Paul. „Was ist denn im Brief?" Stille. „Paul?" „Ja?" „Ich habe dich was gefragt!" Wieder Stille. „Die Scheidungsunterlagen."

California - The Endless SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt