No. 82

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Nachdem Jenny das kleine Lämpchen auf dem Nachttisch ausgemacht hatte, kroch Alex zu ihr unter die Decke und nahm sie in die Arme. „Schlaf gut, Sweety!", flüsterte er ihr noch ins Ohr und gab ihr einen Kuss an der Wange. Jenny kniff die Augen zu und liess es über sich gehen. Hinterher fühlte sie einen Schauer auf ihrem Rücken. In seiner Umarmung kam sich Jenny fremd vor, als läge ein Unbekannter neben ihr. Dabei war es Alex, den sie einst mal geliebt hatte. Sie hegte keine Gefühle mehr für ihn. Denn als Jenny zum ersten Mal Paul sah, veränderten sich ihre Gefühle mit der Zeit ihm gegenüber und aus der leidenschaftlichen Affäre wurde Liebe. Paul hatte sich in Jennys Herz eingeschlichen und die Liebe zu Alex erlosch. Sie stellte ihr Leben als Perfektionistin in Frage, sie hatte sich hier verändert, wurde lockerer und liess sich auf Abenteuer ein. Traurig schaute Jenny in dem dunklen Zimmer zum Fenster hinaus. Der Himmel war sternenklar. „Das bin nicht ich! Das was ich mir früher als kleines Mädchen gewünscht habe, war mir heute nicht mehr so wichtig, die perfekte Lebensplanung. Ich hatte spontan geheiratet, konnte mir ein Leben mit Paul hier in Amerika vorstellen...", verträumt drehte Jenny an ihrem Ehering und erinnerte sich daran, wie glücklich sie in dem Moment war, als sie Pauls Frau wurde. Die Nacht konnte Jenny nicht schlafen, ihre Gedanken kreisten sich um Paul. „Wie geht es ihm? Ich wünschte, ich wäre an seiner Seite und nicht Charlotte", verärgert drehte sich Jenny auf den Rücken und starrte an die Decke. Sie konnte nicht mehr aushalten neben Alex im Bett zu liegen und drehte ihren Kopf zu Alex, der tief schlief. Sie hörte seine normale Atmung. Jenny spürte, dass sie innerlich vor Eifersucht kochte, wenn sie daran dachte, wie sich Charlotte jetzt um Paul kümmerte, ihn berührte und jede Sekunde nicht von seiner Seite wich. „Auch wenn es eine Jugendliebe war, wie Paul es erzählte, dennoch habe ich das Gefühl, dass Summer nie über Paul hinwegkam und ihre Chance bei ihm wittert. Ich muss zu ihm!", dachte Jenny angestrengt nach und versuchte sich vorsichtig aus dem Bett wegzuschleichen, ohne dass Alex gestört wurde. Für einen kurzen Moment zuckte Jenny zusammen, als Alex sich gerade im Bett bewegte und die Schlafposition wechselte. „Alex?", flüsterte Jenny so leise wie möglich in die Dunkelheit des Schlafzimmers. Keine Reaktion. Jenny wartete noch einige Sekunden, dann schnappte sie sich im Dunkeln die Klamotten, die auf dem Koffer ausgelegt waren und verschwand ins Bad. Ganz leise auf Zehenspitzen verliess sie das Hotelzimmer und als sie draussen in der kühlen Nachtluft stand, atmete sie frei wie ein Vogel. Die Kälte durchfuhr ihren Körper, sie hatte den Strandkleid an, den sie zu ihrem Geburtstag getragen hatte. Sie zog ihre Jeansjacke enger an sich und versuchte sich aufzuwärmen, der Wind blies in ihr Gesicht und sie machte sich auf dem Weg zu Pauls Strandhaus.

Währenddessen kam Paul zu Hause an. In der Hoffnung, Jenny möge schon eingezogen sein, zerplatzte wie eine Seifenblase. Das Strandhaus war dunkel, kein Licht brannte. Summer begleitete Paul noch ins Haus und erdrückte ihn mit ihrer Fürsorge. „Komm, leg dich hin. Mach es dir bequem." Sie legte die Decke auf der Couch aus, stapelte die Kissen zusammen und wollte in die Küche gehen. Schliesslich hielt es Paul nicht mehr aus und versuchte Summer schonend beizubringen, dass er für ihre Hilfe dankbar war, aber er käme zurecht und ausserdem würde Jenny bald kommen. Er wusste nicht mal, wo Jenny war, hoffte, dass Summer nicht weiterfragen würde. Doch da hatte Paul nicht mitgerechnet, dass Summer doch neugierig wurde. „Ach, und wieso ist Jenny dann nicht hier?" Paul senkte seinen Blick zu Boden und wusste nicht, was er darauf antworten sollte. „Sei mir bitte nicht böse, ich wäre jetzt gerne alleine." Betroffen sah Summer Paul an, sein Blick verriet ihr, dass er es ernst meinte. „Gut, aber versprich mir, wenn was ist, du kannst mich jederzeit anrufen!" Paul nickte, Summer kam auf ihn zu. „Sicher, dass ich dich alleine lassen kann? Ich bleibe gerne hier, wenn du es möchtest." „Danke, nicht nötig!" Charlottes Mundwickel zogen sich nach unten, mit der Abfuhr hatte sie nicht wirklich gerechnet. Sie versuchte Paul trotzdem ein Lächeln zu schenken und nahm ihn in ihre Umarmung. Kurz darauf löste sich Paul von ihr und brachte sie zur Tür. Als er nun alleine war, kam ihm das Strandhaus viel zu gross vor. Vor ein paar Stunden hatte er noch glücklich mit Jenny hier im Wohnzimmer gestanden, mit ihr die Zukunft geplant. Jetzt war diese Leere, die Stille, Jennys zauberhaftes Lächeln fehlte. „Vielleicht fühlte sie sich eingeengt von der Idee, hierher zu ziehen? Wir hätten eine Lösung gefunden. Nur verdammt, wo war meine Frau? Und wer war dieser Mann am Strand? War Jenny doch in einer Beziehung? Das könnte den Deal erklären, dass nichts aus dem Leben erzählt wurde. Ach, dieser bescheuerten Deal! Sie liebt mich aber, sonst hätte sie mich nicht geheiratet." Paul machte sich ernsthaft Gedanken um die Zukunft. Er hatte viel Geld im Casino gewonnen und wollte endlich sein Bauprojekt in Deutschland zu Ende bringen, falls Jenny doch nicht wohlfühlen sollte in Kalifornien, so konnte er mit seiner Frau zurück nach Deutschland kehren und ein neues Leben führen. Er hatte ihr versprochen, sie glücklich zu machen. Für Jenny wäre er bereit, nach Deutschland zurück zu kommen. Er wäre zurück bei seiner Familie, die ihn damals stetig den Rücken freihielt und ihn nach Kalifornien ziehen liess. Kurz fasste sich Paul an seinem Hinterkopf, an der Stelle, die er bei dem Unfall mit Summer zugefügt hatte. Leichte Kopfschmerzen stiegen bei ihm auf und er legte sich hin...    

California - The Endless SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt