No. 165

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Alex stand vor dem Krankenbett, und Paul richtete sich gerade auf. Mit verschränkten Armen an seinem Oberkörper lehnte er sich in den Kissen zurück und sah Alex mit bösen Augen an. „Wie geht es Ihnen?", wollte Alex wissen. Kurz lachte Paul auf. „Sind Sie deswegen hergekommen, um mir das zu fragen?" „Wenn Sie so einen frechen Humor haben, scheint es Ihnen besser zu gehen." „Was wollen Sie?" Pauls Stimme klang unhöflich. Langsam konnte er Alex nicht mehr ausstehen. Zu lange hatte Paul Rücksicht auf Jennys Ex genommen, aber jetzt hatte er wahnsinnige Lust, Alex aus dem Zimmer zu schmeissen. Als Alex immer noch keine Antwort gab, sondern Paul nur noch zornig ansah, konnte Paul es nicht mehr aushalten. Ruckartig beugte er mit dem Oberkörper nach vorne und sprach mit drohender Stimme:„Lassen Sie uns ein für alle mal in Ruhe!" „Bitte? Ich soll was?" „Sie haben richtig gehört. Lassen Sie meine Frau und mich in Ruhe!" Alex hämisches Grinsen brachte Paul zur Weissglut. Um ihn nicht länger anzusehen, drehte Paul seinen Kopf zur Seite und schaute aus dem Fenster. „Ich sage Ihnen was und Sie hören mir gut zu! Sie haben mir Jenny weggenommen, aber mein Kind lasse ich mich nicht von Ihnen nehmen! Mein eigenes Fleisch und Blut! Sie werden niemals mein Kind grossziehen! Dafür garantiere ich!" Vor Schock wirbelte Paul seinen Kopf zu Alex und ihm stand der Kinnlade offen. „WAS?" Seine Wunde am Kopf pochte vor Schmerz. Ein bitterer Geschmack machte sich auf Pauls Zunge bemerkbar und ihm wurde es schlecht. Jenny ist schwanger? Von diesem Affen? Ein Kloss bildete sich in seinem Hals und Paul fand seine Stimme wieder. „Jenny ist nicht schwanger. Das wüsste ich aber!" Einen Moment schwankte Paul zwischen Lüge und Wahrheit. Was ist, wenn er die Wahrheit sagt? Und wieso hat Jenny mir nichts davon gesagt? Wollte sie deswegen die Scheidung? Alex eisblaue Augen weiteten sich und sein Grinsen machte sich auf seinen Lippen breit. „Oh, sie hat es dir nicht erzählt? Was ist das für ein Vertrauen?" Man hörte Pauls Schnauben durch die Nasenlöcher, seine Augen verengten sich zu Schlitzen. Seine Hand ballte sich zu einer Faust. Krampfartig versuchte Paul die Beherrschung nicht zu verlieren und das ganze Krankenhaus zusammen zuschreien. „Raus hier!", knurrte Paul, dessen Gesicht langsam vor Zorn rot anlief. „Ich habe gehört, Sie vermissen Ihre Frau. Zur Info, Jenny ruht sich von den Strapazen des Unfalls bei mir aus. Wie konnten Sie UNSER Kind in Gefahr bringen?" Alex sah Paul mit bösen Blicken an. Paul fehlten die Worte. Er wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Alex Worten drangen in Pauls Ohren und ihm drohte Ekel zu übermannen. Alex ging auf die Tür zu und drehte sich um. „Wagen Sie es nicht, meinem Kind was anzutun, sonst lernen Sie mich richtig kennen!" Mit dieser Drohung verliess Alex das Zimmer und lehnte sich aussen gegen die verschlossene Tür. Innerlich hoffte Alex, seinen ärgsten Rivalen endgültig ausgeschaltet zu haben. Um Jenny werde er sich noch kümmern, das sei ein einfaches Spiel. Mit einem triumphierenden Gesicht ging Alex den Flur entlang bis zum Ausgang.

Durch die Zeitverschiebung in Amerika war bereits ein neuer Tag angebrochen. Jenny hatte die Nacht gut geschlafen, auch wenn sie immer noch das schlechte Gewissen plagte, Paul alleine zurückgelassen zu haben. Ihr erster Gedanke war beim Aufstehen das Handy. Zwar war es in Deutschland weit nach Mitternacht. Jenny wählte Lisas Nummer und zu ihrem Erstaunen nahm Lisa auch schnell ab. „Jenny! Na endlich erreiche ich dich!" Lisas aufgekratzte Stimme versetzte Jenny in Panik. „Ist was mit Paul passiert?" „Nein, er ist endlich aufgewacht!" „Was?", sprach Jenny ungläubig leise und liess einen lauten Seufzer raus. „Oh Gott, wie geht es ihm denn?" Vor Freude kullerten ihr die Tränen an den Wangen und sie musste daraufhin weinen. „Ach, und ich wäre gerne bei ihm gewesen. Die Erste, die er sieht. Ihn in die Armen nehmen und ihm sagen, wie sehr ich ihn vermisst habe." „Ich weiss, Paul hat auch sofort nach dir gefragt." „Du glaubst gar nicht, wie sehr ich mich freue!" Mit dem Smartphone am Ohr ging Jenny nach draussen auf die Terrasse. Der Morgen war recht frisch, die Sonne war dabei, ganz langsam aufzugehen. In kurzer Schlafhose und mit Top bekleidet fröstelte Jenny leicht im morgendlichen Wind. Die Wellen rauschten ganz leise. Einige Surfer machten sich bereit und rannten ins Wasser. In ihren Gedanken malte sich Jenny aus, wie Paul mit dem Surfbrett unter dem Arm auf den Strand rannte und voller Adrenalin ins Meer auf dem Surfbrett stürzen würde und die beste Welle seines Lebens ritt. „Doch, doch, das kann ich mir gut vorstellen. Es wird Zeit, dass du heimkommst." Lisas Worte holte Jenny in die Realität zurück. „Heute ist der Termin mit dem Makler. Kimberley unterstützt mich. Das ist eine gute Freundin von Paul." „Ja, ich erinnere mich. Du hast jetzt alle wichtigen Details, oder?", wollte Lisa noch wissen, ehe das Gespräch endete. Sie klang müde. „Dank der Hilfe von meinem Vater könnte es klappen. Wünsche mir Glück!" Nach dem Telefonat blieb Jenny noch eine Weile auf der Terrasse stehen und schaute aufs Meer. Sie betrachtete ihren Ehering und führte ihn an ihren Lippen. In guten und schlechten Zeiten wich der Ring nicht von ihrer Seite, auch wenn sie aus Verzweiflung versucht hatte, den Ring von ihrem Finger zu entfernen, was ihr nie gelang. Aus Dankbarkeit, dass Paul aufgewacht war, küsste sie den Ring. „Und jetzt kämpfe ich für unsere Zukunft. Zuerst hole ich mir das Strandhaus zurück!" Bevor der Makler eintraf, wollte Jenny unbedingt noch die Stimme von Paul hören und versuchte ihn zu erreichen. Vergebens. Sie legte den Smartphone auf die Schaukel, setzte sich einen Moment hin. Niedergeschlagen senkte sie den Kopf zwischen ihren Händen und schloss die Augen.

California - The Endless SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt