No. 161

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Die Krankenschwester versuchte Paul zu beruhigen, als dieser sich an den Schlauch, der in seinem Mund hing, mit einer Hand entfernen wollte. „Ganz ruhig, versuchen Sie normal zu atmen." Die Worte klangen durch Pauls Ohren, das wie Balsam für die Seele war. Seine Atmung wurde langsam wieder zur Normalität, seine Augen waren an die Decke gerichtet. Paul hatte noch mit der Helligkeit zu kämpfen. Dr. Brentano kam ins Zimmer gerannt und überprüfte die Pupillen in Pauls Augen. „Es sieht ok aus", meinte Dr. Brentano, als er den Schlauch entfernte und Paul kurz darauf husten musste. „Wasser...", krächzte er an die Krankenschwester. Seine Kehle fühlte sich staubtrocken an. Die Schwester reichte ihm ein Glas mit Wasser und Paul versuchte vorsichtig den Kopf zu heben, um aus dem Glas einen Schluck Wasser zu nehmen. Mit einem wohligen Seufzen lehnte er sich wieder in den Kissen zurück. „Wo bin ich? Und Jenny?" „Brentano ist mein Name und Sie sind in der Uniklinik Köln. Können Sie noch daran erinnern, was passiert war?" In Pauls Gedanken begann der Kopf zu rattern, bis zu dem Tag, als er im Mercedes auf der Autobahn ein anderes Auto verfolgte. Ein heftiger Streit war geschehen. Mit Jenny, die auf dem Beifahrersitz sass. Einen Moment lang hatte Paul nicht aufgepasst und mit einem lauten Knall lag der Mercedes kopfüber auf dem Asphalt der Autobahn. Dann war es ihm schwarz vor Augen. An die Zeit danach bis zum Aufwachen hatte Paul keinen blassen Schimmer mehr. „Sie hatten eine schwere Operation am Kopf gehabt. Wir haben Sie nach der OP in ein künstliches Koma versetzt", erklärte Dr. Brentano, „und wer bitte ist Jenny?" Paul tastete an seinem Kopf und fühlte den Verband. Er versuchte seine Lippen zu befeuchten. Wer Jenny war, das wusste Paul noch sehr gut. „Meine Frau." „Ich weiss nicht, wo sie ist. Die Schwester könnte Ihre Frau anrufen." Nachdem die Krankenschwester die Infusion überprüft hatte, nickte sie dem Arzt zu und verliess das Zimmer, um die Frau und den Eltern zu verständigen, dass Paul wieder aufgewacht war.

Die freudige Nachricht aus dem Krankenhaus machten Helga und Klaus so glücklich, dass sie sich sofort auf dem Weg zur Uniklinik machten. Lisa versprach nachher vorbeizukommen, sobald Emilia aus der Schule kam. Lisa versuchte vergebens, Jenny auf dem Handy zu erreichen. Nachdem Jenny kurz einen Abstecher zur Autobahnpolizei machte, war sie mit dem Taxi mitten auf der Autobahn in einen Stau geraten, was nur sehr schleppend vorankam. Nervös blickte sie immer wieder auf ihren Armbanduhr. Jenny schimpfte über den Stau, was dazu führte, dass die Bauarbeiten so lange dauerten und der Taxifahrer gab daraufhin Gas, als sie endlich den Reissverschluss einer Fahrbahn verliessen. Mit quietschenden Reifen hielt der Fahrer vor dem Eingang des Flughafens und half Jenny noch schnell mit dem Koffer. Jenny drückte ihm das Fahrgeld in die Hand. „Der Rest ist Trinkgeld!" Und schon war Jenny in die Halle gerannt mit dem Koffer, der neben ihr auf vier Rädern rollte. Der Taxifahrer sah sich den fünfzig Euro Schein an und pfiff dabei fröhlich. „Was für ein guter Morgen!" Der dagegen für Jenny in einem Stress ausbreitete. Fast krempelte sie einen Herrn mit dem Koffer um und als sie am Check In Schalter stand, merkte sie, dass es der falsche Check In war. Fluchend rannte sie zum richtigen Schalter und gab ausser Atem der Frau am Abfertigungsschalter ihre Daten des Fluges mit, den sie kurzfristig auf ihrem Smartphone gebucht hatte. Das Klingeln des Handys ignorierte sie und als sie endlich ihre Boardingkarte bekam, stellte sie fest, dass sie einen Anruf von Lisa bekommen hatte. Kurz darauf streikte ihr Akku und das Display wurde schwarz. „Fuck!" Ob was mit Paul war? Dann fiel ihr ein, dass sie Lisa gebeten hatte, ihr wichtige Sachen zu mailen, die sie mit dem Treffen des Maklers in Kalifornien brauchte. Ihr schlechtes Gewissen meldete sich wieder zurück. War es richtig, dass ich Paul alleine zurückgelassen habe? Bevor Jenny weitergrübelte, wurde ihr Flug aufgerufen, das Boarding geöffnet und sie sass im Flieger am kleinen Fenster. Der Platz neben ihr war frei. Jenny suchte in ihrer Handtasche nach einem Magazin, das sie kurz vor dem Boarding noch gekauft hatte. Dabei fiel ihr Blick auf den Schlüsselanhänger, das Paul gehörte. Sie nahm es in die Hand und ballte es zu einer Faust. Das Flugzeug setzte sich in Bewegung und hob nach einigen Minuten von der Startbahn ab. Jenny lehnte ihren Kopf an die kalte Glasscheibe und starrte aus dem Fenster. In der Hand umklammerte sie den Schlüssel. Pauls Gesicht erschien vor ihren Augen. Sein Lächeln... Sie vermisste es zu hören. Wird er jemals wieder lachen? Fragend blickte Jenny durch das Fenster. Überall waren weisse Wolken zu sehen. Wie Watte, so weich und sanft. Jedoch schien die Sonne über den Wolken. War das ein gutes Zeichen? Jenny erinnerte sich an den besten Sommer ihres Lebens und wie glücklich sie da war.

„Onkel Paul!", voller Freude stürzte Emilia auf Paul zu, der in Sitzposition auf dem Bett sass. „Meine Grosse!" Paul freute sich und stiess kurz darauf einen Schmerzenslaut vor sich hin. „Aua!" Durch die Umarmung verspürte Paul ein Hämmern an seinem Kopf. Lisa betrat das Zimmer nach ihrer Tochter und freute sich, ihren Bruder wiederzusehen. Klaus und Helga sassen auf den Stühlen neben Pauls Bett. „Hi, Bruderherz! Willkommen zurück im Leben!" „Hi, Lisa!" Lisa umarmte Paul und nahm an den Bettenden Platz. „Mama, Papa?" Paul sah seine Eltern an. „Ja, mein Junge?", war es die Mutter. „Ich muss euch was sagen." Helga ahnte, worauf Paul hinaus wollte. Sie griff nach seiner Hand und sagte:"Wir haben deine Jenny schon kennengelernt. Wieso hast du sie uns so lange verschwiegen? Wo ist sie überhaupt?" 

California - The Endless SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt