California - The Endless Summer

No. 184

In dem Wald, das nicht zu weit weg von dem Grundstück der Renners war, spazierten Charlotte und Paul am See entlang. Genüsslich schaute Paul gedankenverloren auf den See, dessen Oberfläche in der Sonne schimmerte. Auch Charlotte genoss die himmlische Ruhe und wusste, dass sie Paul die ganze Wahrheit schuldete. Langsam fasste sie sich Mut zu, was ihr wirklich schwer fiel. Aber da musste sie durch und konnte das nicht mehr länger aufschieben. Da Charlottes Mutter nun wusste, in welcher ihre Tochter war, hatte Paul die Wahrheit auch verdient. Und es war Charlotte am wichtigsten, dass er es von ihr persönlich erfuhr als von einer dritten Person. „Paul, ich...", der Kloss blieb in Charlottes Hals stecken, „...das was ich dir gleich erzählen werde, glaube mir bitte, das fällt mir wirklich schwer und du hast jedes gutes Recht, sauer auf mich zu sein." Paul blieb neben Charlotte stehen und legte seine Hand auf ihre Schulter. „Summer, das Urteil überlässt du mir. Ok?" Beide gingen einige Schritten vor, bis Summer wieder stehen blieb. „Paul, es tut mir wahnsinnig leid, dass Jenny euer Kind verloren hatte. Ich mache mir solche Vorwürfe, ich hätte mich gar nicht auf die Erpressung einlassen dürfen." „Erpressung? Von wem denn? Wieso hast du mich nicht um Hilfe gebeten oder bist zur Polizei gegangen?" „Ich weiss doch auch nicht...", seufzte Summer tief mit geschlossenen Augen, öffnete sie wieder und sah dabei Paul in die Augen. „Ich habe da mitgemacht, weil ich dadurch hoffte, dass wir wieder zusammen kommen." „Was?!" Während Paul Summer ungläubig anstarrte, hatte diese mit den Tränen zu kämpfen. Sie schluckte schwer und wollte einen Schritt auf Paul zukommen, doch dieser ging zwei Schritten zurück. „Summer, das mit uns ist schon sehr lange vorbei und ich habe dir nie Hoffnungen gemacht, es nochmal mit uns zu versuchen. Ich liebe Jenny, und das bleibt auch so." Charlotte faltete die Hände zusammen und sah dabei Paul mit flehendem Blick an. „Das ist mir klar geworden, dass dein Herz Jenny gehört. Gib mir die Chance, dir zu erklären, wieso es so weit gekommen war." Paul rang mit sich selbst und nickte. Eine Weile war es still, nur das Zwitschern der Vögel war im Wald zu hören. Ehe Charlotte zu reden begann, hatte Paul noch eine brenzlige Frage auf der Zunge. „Wer hat dich erpresst?" Es dauerte, bis Charlotte den Mund aufmachte. „Alex...". „Was sagst du? Alex Brandt?" Charlotte nickte nur, traute sich nicht, Paul anzusehen. „Fuck! Wie konntest du nur? Weisst du, was du damit angerichtet hast? Dann wäre der Unfall nicht passiert und mein Kind würde noch leben! Verdammt!" Pauls schmerzender Schrei kam aus seiner Seele. Er fuhr mit der Hand durch seine blonden Haare und stiess einen lauten Seufzer raus. Charlotte begann zu weinen und sie fühlte sich schuldig. „Als ich dich in Kalifornien nach langer Zeit wieder gesehen habe, habe ich mich gefreut. Es hört sich vielleicht blöd an, du hattest nur Augen für Jenny. Jenny da, Jenny da... Gott, ich komme mir so bescheuert vor, dass ich auf Jenny eifersüchtig war...", begann Charlotte zu erzählen. Paul hörte ihr geduldig zu, auch wenn in ihm die Wut wie Feuer brodelte, was Alex mit der ganzen Sache zu tun hatte und Charlotte mit reingezogen hat. Er unterbrach sie nicht und mit langsamen Schritten waren sie um den See gegangen. In Pauls Gedanken reimte sich alles zusammen. Der gefälschte Brief, das Verschwinden des Schlüssel vom Strandhaus, die Scheidung, Alex Drohung ihm gegenüber. „Und der Sex mit uns?" „Es war kein richtiger Sex zwischen uns. Ich habe alles so dargestellt, dass Jenny uns in Sexstellung vorfinden sollte. Ich habe dir K.O.-Tropfen in das Cocktailglas gemischt." „Du hast was?" Pauls laute Stimme liess ein paar Vögel aufschrecken, die daraufhin vom Ast davonflogen. „Alex hat mir das Fläschchen untergeschoben und es war einfach, dich in mein Zimmer zu locken." Auch da reimte es in Pauls Gedanken. Ihm war es auf der Treppe nach oben schlecht gewesen und kurz darauf hatte er keinen blassen Schimmer mehr, was dann geschah, bis er am nächsten Morgen wach wurde und sich immer noch im Hause Schrankmann befand. Dann kam der schlimmsten Streit mit Jenny bei einem Einsatz, der zu einem Unfall und dem Verlust des ungeborenen Kindes führte. „Und warum hast du dich von Alex erpressen lassen?" Die Sache war Charlotte unangenehm, aber daran führte kein Weg vorbei. Sie beichtete Paul die ganze Geschichte mit den illegalen Drogen, die sie für einen Mann undercover schmuggelte. Daran verdiente sie nebenbei. Und da Alex beim BKA arbeitete, hatte er eine Akte über den Drogenring und die Männer im Hintergrund. Der Deal war, wenn Jenny wieder an Alex Seite war, versprach Alex ihr, ihren Namen aus der Akte verschwinden zu lassen. Erleichtert stellte Charlotte fest, dass sie nun reines Gewissen gegenüber Paul hatte, nachdem sie alle Karten offen gelegt hatte. Paul schnaubte wütend, wie dreist Semirs alter Kollege war und er so besessen von Jenny war. „Dieses Arsch!" Beide umrundeten den See bis sie wieder zum Anfang gelangten. „Ich werde eine Selbstanzeige machen. Meine Mutter wird mir einen guten Anwalt zur Seite stellen." Paul nickte. „Das wird das Beste sein!" „Ich werde auch aussagen, dass dieser Brandt mit reinsteckte. Gerechtigkeit für alle!" Kurz sah man Pauls Lächeln, das wieder verschwand. „Paul?" „Ja?" „Kannst du mir das verzeihen?" Stille. Derweil waren sie auf den Hof der Renners angekommen. „Ich weiss nicht, ich muss das erstmal sacken lassen. Und wie es mit Jenny weitergeht, weiss ich auch nicht. Es ist schon zuviel passiert." „Klar, was für eine blöde Frage von mir!" Da kam ein Auto langsam um die Ecke herangefahren, blieb aber auf der Strasse stehen. Man konnte durch die Glasscheibe sehen, dass Paul Charlotte umarmte. „Hey, vielleicht verzeihe ich dir eines Tages?", löste sich Paul aus der Umarmung und auf Charlottes Gesicht erschien ein Lächeln.