No. 93

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Auf dem Weg zum Hotel ging Jenny den Strand entlang, bald näherte sie sich den vielen Touristen, die in der Sonne ihren Spass hatten. Die Surfer waren wieder unterwegs im Wasser, ritten die Wellen. Andere Touristen schwammen oder spielten Volleyball, Männer schauten den Frauen in den knappen Bikini hinterher. Bei denen herrschte die Welt bunt und lustig, bei Jenny dagegen war die Welt von dem einen auf den anderen Moment zusammengebrochen. Jenny konnte immer noch nicht begreifen, was gerade passiert war. Sie war so kurz vor dem Ziel, Alex zu sagen, dass sie ihr Leben in den USA an der Seite ihres Mannes leben wollte. Einen Neuanfang. Und jetzt? Jetzt war wieder alles beim Alten. Zurück nach Deutschland, zur PAST und in die Wohnung mit Alex. „Wo war ich da stehen geblieben, bevor ich Urlaub machte? Weil Viola uns besuchen wollte, bin ich deswegen in den Urlaub gefahren. Die ganze Hochzeitsvorbereitungen...oh Gott!" Jenny wurde es schlecht bei dem Gedanken an die Hochzeit, die sie so sorgfältig plante und das Schwiegermonster noch in Deutschland war. Je näher sie dem überfüllten Strand entgegenkam, bog sie in letzter Minute in eine andere Richtung und hatte das Bedürfnis, nochmal zum Strandhaus zu gehen. Dort angekommen, war alles wie vor ein paar Stunden. Das Haus war wie leergefegt und schien unverändert zu sein. Schweren Herzens kehrte sie dem Haus, die sie mit schönen Erinnerungen verband, den Rücken und rannte weinend aufgelöst ins Hotel zurück.

Zufrieden schaute Semir auf seinen Garten, das gepflegt aussah. Friedrich sass auf einer Decke im Rasen, spielte mit seinem Spielzeug. Dana wollte ihrem Vater einen Kaffee bringen und pfiff anerkennend, wie schön der Garten aussah. „Auch wenn der Garten schön aussieht, es ist trotzdem zu gross. Vielleicht sollte man den Rasen verkleinern, Kiessteine da dekorieren, dort eine grosse Pflanze einpflanzen?", stellte sich Semir vor. Dana machte mit und sagte es so, wie sie es sich vorstellte. „Würdest du die Gartengestaltung übernehmen?" Erstaunt sah Dana ihren Vater an. „Das freut mich, dass du da an mich denkst. Aber ich habe mit meiner Polizeiausbildung viel zu tun, da bleibt kaum Zeit dafür. Aber danke, Papa!" „Ok, war ja nur ein Versuch. Ich rede mal mit Andrea. Oh, schau mal, Friedrich ist eingeschlafen", mit dem Finger deutete Semir auf die Decke und ging zu dem Kleinen. Er hob ihn hoch, brachte ihn ins Haus und legte ihn ins Schlafzimmer von Andrea und ihm. Friedrich liess es sich in dem grossen Bett gemütlich kuscheln und hielt ein kleines Schläfchen ab. Wieder im Garten zurück, sassen Ayda und Lilly am Tisch auf der Terrasse, Semir gesellte sich dazu und Dana brachte kühle Getränke nach draussen. Semir erzählte den Mädchen, was für einen Spass der Kleine beim Rasenmähen hatte, als er im Beisein von Semir auf dem Rasentraktor durch die Wiese pflügte. „Wäre das nicht der ideale Partner für dich?", lächelte Dana. „Bis er seinen Führerschein hat, bin ich schon längst in Rente", schmunzelte Semir, „...aber mein Gefühl sagt mir, mein Partner wird kommen, sehr bald." Semir lehnte sich mit einem kühlen Eistee im Glas zurück in den Stuhl und blickte gegen Himmel. „Irgendwo im Flugzeug ist er." Die sechs Augen der Frauen folgten Semirs Blick und schauten in den Himmel, das mit kleinen weißen Wölkchen bedeckt war und zwischen den Wolken schien die Sonne herab in den Garten. „Von oben kommt der Partner? Geht's dir gut, Papa?" Dana wusste nicht, ob sie lachen sollte oder nicht. „Hast du was in den Eistee reingetan?", fragte Ayda und Dana verneinte. „Wie kommst du darauf?" „Weil Papa so komisch redet, von da oben mit dem neuen Partner", antwortete Lilly. „Ich bin nicht verrückt, ich verlasse mich auf meinen Instinkt", sagte der Vater und leerte das Eistee in einem Zug, „und Danke, Dana! Mir geht's gut!" In der Ferne war ein leises Flugzeuggeräusch zu hören. „So, Kinder, was essen wir heute Abend?", klatsche Semir in die Hände und sah seinen Töchtern an. „Grillen?" „Au ja!" „Würstchen?" „Ich mache Salat." „Ich helfe mit!" „Und ich?" Die Frauen redeten durcheinander, Semir lächelte und war sehr glücklich, wie toll seine Familie war, auch wenn vier Frauen im Hause zu viel waren.

Viel war nicht mehr einzupacken, die andere Tasche war bei Paul im Strandhaus. Zum Glück hatte Jenny die Wertsachen bei sich gehabt und traf im Hotelzimmer auf Alex, der sie bereits erwartete. Alex wollte Jenny in die Armen nehmen und ihr Trost spenden. „Es gibt noch andere Freundinnen", meinte er und Jenny konterte auf seinen Satz. „Aber Paula war was Besonderes! Wie konnte ich mich in ihr täuschen?" Alex reagierte ruhig und wusste, dass es noch viel Arbeit war, den Typen aus Jennys Kopf zu schlagen. „Ach, das werde ich schon hinkriegen!" Leichter gesagt als getan... Alex schleppte das Gepäck zum Aufzug. An der Rezeption checkten die beiden aus, Jenny hoffte, Kimberley anzutreffen und sie nach Paul zu fragen. Doch Kimberley hatte schon längst Feierabend und war in das lange Wochenende gegangen. Traurig verliess Jenny das Hotel, Alex wartete draussen auf sie und beide wurden von einem Taxi zum Airport gebracht. Kurze Zeit später hoben sie mit dem Flugzeug ab und steuerten auf Deutschland zu, während der Flieger mit Paul und Charlotte an Bord näher auf Düsseldorf zukam und auf der Rollbahn landete. „Willkommen Zuhause!", meinte Charlotte und Paul lächelte gequält. So müde Paul auch war, er konnte im Flieger keine Augen zumachen. Seine Gedanken kreisten sich um Jenny. Er wusste nicht, was mit seiner Frau war und hoffte, gleich mehr zu erfahren, wenn das Handy wieder eingeschaltet wurde. Kurz vor dem Ausgang wählte Paul die Festnetznummer in Santa Monica an...    

California - The Endless SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt