No. 156

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Martin nahm neben Jenny Platz auf der Couch. „Ich glaube, ich habe mit der Scheidung übertrieben", gestand Jenny und spielte mit dem Schlüssel in der Hand. Dabei zeigte sie auf die Rückseite des Briefes und las ihrem Vater vor. „Ich konnte Dich im Hotel nicht antreffen. Wenn Du den Flug heute nicht schaffen solltest, nimm bitte den Hausschlüssel und warte Zuhause auf mich. Ich werde Dich von unterwegs anrufen! Mach es Dir schon mal gemütlich in Deinem neuen Zuhause, ich liebe Dich!" „Dieser Mistkerl!", schimpfte Martin und Jenny war schockiert. „Was? Paul?" „Nein, nein", beruhigte Martin Jenny und tätschelte ihren Oberschenkel, „Alex meine ich!" „Ohne ihn wäre das überhaupt nicht so weit gekommen!", nun ärgerte sich Jenny auch, „wie konnte er es mir antun?" Jennys Handy begann zu vibrieren. Sie zuckte das Handy aus der hinteren Hosentasche und als sie Alex Namen auf dem Display las, blockte sie den Anruf ab und verwarf das Handy achtlos auf der Couch. Martin konnte sich schon denken, wer das war. „Alex?" „Ja. Mit ihm bin ich durch! Ein für allemal!"

Derweil in der Küche wirkte Alex nachdenklich. Gerade hatte er ein Gespräch mit Charlotte geführt und sie angeschnauzt, wieso sie ihn nicht schon vorher gewarnt hatte, dass Jenny und Paul verheiratet waren. Am anderen Ende der Leitung war selbst Charlotte fassungslos und ihr klappte den Kinnladen offen. „Verdammt!", sagte sie, das sich wie reumütig klang. „Wenn ich das gewusst hätte, hätte ich mich nie auf dieses miese Spiel eingelassen! Ich bin keine Ehebrecherin!" Sie hörte nur ein höhnisches Lachen von Alex. „Ich steige aus!" Charlotte war fest entschlossen. „Ich werde Paul die Wahrheit sagen." „Ob er dich ohne Beweise glaubt?" „Was wollen Sie damit sagen?" „Es gibt keine Telefonmitschnitte, kein Video von unserem Treffen und das Fläschchen mit den K.O.-Tropfen kannst du mir nicht in die Schuhe schieben. Ganz einfach, deine Liste hier beim BKA ist zu interessant, womit du dir dein Geld verdienst." „Mistkerl!" „Was hast du eben zu mir gesagt?" „Mistkerl!", wiederholte Charlotte fauchend. „Mal sehen, was deine feine Mutter dazusagen würde, wenn die Akte in ihren Händen kommt." Lachen. Arrogantes Lachen. Charlotte schluckte schwer und fühlte Abschaum. „Bitte nicht", flehte sie, doch Alex hatte bereits das Gespräch weggedrückt. Panik überkam ihr. Charlotte starrte das Display an, das kurz darauf schwarz wurde. Sie rannte vom Badezimmer in ihr Schlafzimmer und suchte vergebens nach den kleinen Fläschchen. Fieberhaft überlegte sie, wo es sein konnte. Dann fiel ihr etwas ein, sie rannte mit schnellen Schritten die Treppenstufen von oben bis hinunter in den Keller und durchwühlte den schmutzigen Wäschekorb im Waschraum. Nix! Es blieb unauffindbar. „Scheisse! Wenn meine Mutter das gefunden hatte? Dann würde sie mich darauf ansprechen, oder?", grübelte Charlotte und ihr wurde blass im Gesicht.

Alex knallte das Handy auf den Tisch. „Alex?" Viola stand in der Küche. Er spürte, wie seine Mutter ihre Hand auf seine Schulter legte und tröstend sagte:"Glaube mir, Jenny braucht noch ein wenig Zeit, um das Ganze zu verarbeiten." „Sicher?" Alex spürte die Ablehnung Jenny ihm gegenüber. „Du hättest sie sehen sollen. Sie war auf einhundertachtzig!" Viola nickte und versicherte ihm, dass er sich gedulden sollte. „Ich weiss nicht, ob das eine gute Idee war, mit dem Brief?" „Hattest du eine andere Wahl? Mein Instinkt sagt mir, der Mann wird Jenny in Ruhe lassen." „Mama, kapierst du das nicht? Jenny hat den Renner geheiratet! Sie hat wohl den Verstand verloren!" Nun packte Viola beide Hände an Alex Schulter und rüttelte ihn fester. „Und du verlierst gleich den Verstand, wenn du nicht dagegen was unternimmst!" Leise sprach Viola weiter. „Ich lege ein gutes Wort für dich bei Jenny ein und du entschuldigst dich bei ihr!" Mutter und Sohn sahen sich eine Weile an, ehe Alex nickte.

Wie es der Zufall mag, trafen sich Lisa und Jenny vor dem Eingang des Krankenhauses. „Hallo!" „Wie geht es dir?" „Na ja, nicht so gut. Ich muss dir was erzählen", begann Jenny und Lisa deutete mit dem Kopf in Richtung Parkbank. Zögernd erzählte Jenny die Geschichte, was in Kalifornien seit dem Auftauchen von Alex passiert war bis hin zum Brief, den sie heute bekam. „Ich weiss, Paul hatte mir das schon erzählt. Aber, dass dein Ex den Brief ausgetauscht hatte, das ist eine Frechheit!" „Mein Gott, und ich mache mir solche Vorwürfe!" Jenny legte ihren Nacken nach hinten und sah zum Himmel, der bewölkt war. „Was war das für einen Notfall in der Familie?", wollte Jenny nun doch wissen. „Ach das", meinte Lisa und erzählte ihr von dem Telefonat und dass sie ihren Bruder bat, heimzukommen, da bei Klaus die Diagnose angehende Demenz festgestellt wurde. „Oh Gott!" Jenny schlug mit der Hand an ihre Stirn. Lisa brachte Jenny auf den aktuellen Stand, wie es momentan bei Klaus aussah. „Du, da gibt noch was, worüber ich mit dir reden muss", Lisa klang nun ernst. Jenny ging davon aus, dass Lisa bestimmt das Wort Scheidung ansprechen wollte. „Paul möchte das Strandhaus in Kalifornien verkaufen. Weisst du da was darüber?" „Was?" „Du hast keine Ahnung?", fragte Lisa vorsichtig und löste ein Gefühl der Verwirrungen aus. Jenny schüttelte den Kopf. Wieso habe ich Paul nicht nur mal ansatzweise zugehört? „Der Makler hat heute bei mir angerufen und wollte Unterlagen haben. Und den Schlüssel. Es gebe Interessenten", sagte Lisa. Jenny holte aus ihrer Jackenseite den Schlüssel und wedelte damit vor Lisas Augen. „Meinst du das hier?" „Du hast den Schlüssel?" „Erst seit heute!" „Wie meinst du das?" „Alex hatte ihn bei sich gehabt, frag mich bitte nicht, warum!" „So ein Arschloch!"

California - The Endless SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt