No. 144

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„WAS?", schrie Jenny. „Beeilung!", rief der Notarzt und die Sanitäter kamen mit einer Trage angerannt. Diesmal schaffte Jenny es, sich von Semir loszureissen und kniete zu Paul nieder. „Lass mich nicht alleine!", flehte sie ihn an. Tränen überströmten ihre Wangen. „Platz da!", betonte einer der Sanitäter, doch Jenny ignorierte ihn. „Jetzt lass doch mal den Notarzt Paul versorgen. Komm!", versuchte Semir Jenny von Paul loszureissen und nahm sie in die Armen und diese liess sich einfach von ihm mitschleifen. "Was ist, wenn Paul stirbt? Das ist alles meine Schuld!", machte sich Jenny schwere Vorwürfe und Semir streichelte ihr behutsam am Rücken. Immer wieder blickte sie über ihre Schulter und sah, wie Paul auf die Trage umgebettet und in den Rettungswagen geschoben wurde. Die hinteren Türen wurden zugemacht und der Notarzt begann mit der Wiederbelebung. „Nein, Jenny, das darfst du nicht denken! Paul wird es schaffen, er ist ein Kämpfer!", versuchte Semir das Positive aus der Sache rauszuholen. „Aber der Kopf, überall Blut...", weinend brach Jenny den Satz ab und weinte bitterlich. Er drückte sie fester in seine Umarmung, wie eine Tochter. Kurze Zeit später kam der Notarzt zu Semir. „Gerkhan, mein Name. Das da im Rettungswagen ist mein Partner von der Autobahnpolizei. Wie geht es ihm?", fragte Semir und der Notarzt gab nur knappe Auskunft. Jenny drehte sich ebenfalls um und sah den Notarzt an. Sein Blick verhiess jedoch keine guten Nachrichten. „Es sieht sehr schlecht aus, wir müssen dringend in die Uniklinik Köln!" Jenny schüttelte weinerlich den Kopf, Semir hielt sie unter den Armen fest. „Und Sie sollten sich auch durchchecken lassen", meinte der Notarzt zu Jenny gerichtet und sah sie von oben bis unten an. „Gut, wir kommen dahin." „Mir geht es aber gut", protestierte Jenny. Der Notarzt sprintete schnell zum Rettungswagen zurück und dieser düste mit Martinshorn in die Uniklinik. „So, keine Widerrede! Platzwunde, offenes Knie und Schürfwunden", zählte Semir auf und stützte Jenny zu seinem BMW. „Du lässt dich durchchecken! Wir wollen doch auf Nummer sicher gehen." Unterwegs meldete sich Semir vom BMW aus bei der PAST. „Paul wird gerade in die Uniklinik gebracht. Es sieht nicht gut aus und Jenny ist bei mir." „Wie geht es ihr?", wollte die Krüger wissen. „Tja, einigermassen. Ich werde aber dafür sorgen, dass sie sich untersuchen lässt." „Gut, Gerkhan! Melden Sie sich, wenn was Neues von Renner gibt", bat die Krüger. „Ja", antwortete Semir. „Ach, wissen Sie was? Ich komme persönlich vorbei. Bis dann!" Und als der Funk aus war, sah Semir Jenny kurz an. „Du hast gehört, was die Krüger gesagt hat. Wir wollen sie nicht verärgern, also sei lieb und lass dich durchchecken." Jenny verdrehte ihre Augen und schwieg die restliche Fahrt bis zur Uniklinik. Der Schock sass noch zu tief bei ihr, um den ganzen Ausmass der Sache wahrzunehmen. Nach und nach traten Schmerzen auf, auch im Unterleib. In ihren Gedanken ignorierte sie die Schmerzen und machte sich Vorwürfe, gerade bei einem Einsatz mit Paul gestritten zu haben, anstatt sich auf den Fall zu konzentrieren. In der Uniklinik bestand Semir darauf, dass Jenny auch medizinisch durchgecheckt wurde. In der Notaufnahme herrschte Hektik. „Ich brauche einen Arzt!", wandte sich Semir einer Krankenschwester zu, die kurz daraufhin eine Ärztin zu sich holte. In Begleitung der Krankenschwester folgte Jenny der Ärztin in einen freien Behandlungsraum. Bei ihr wurde die Schürfwunden desinfiziert, das Knie versorgt und ein Ultraschall gemacht. Ausserdem bekam Jenny ein Beruhigungsmittel verabreicht. Während Jenny behandelt wurde, ging Semir auf dem langen Flur hin und her. Die grosse Uhr an der Wand zeigte den Sekundenzeiger. Minuten vergingen. Eine halbe Stunde war vergangen. Eine Tür ging auf und ein Bett wurde auf den Flur geschoben und von zwei Krankenschwestern in schnellen Schritten zur OP gerollt. Als das Bett an Semir vorbei geschoben wurde, erkannte er Paul. Er sah wirklich nicht gut aus, blass und vor allem hatte er sehr viel Blut verloren. Das konnte man durch den Verband an der Stirn sehen, der sich immer rötlicher verfärbte. „Was ist mit ihm?", fragte er voller Sorgen dem Arzt, der hinter dem Bett her trottete. „Verdacht auf Gehirnschwellung. Not-OP", fasste der Arzt sehr kurz zusammen und schon erreichte sie den OP-Saal, der für andere Befugte untersagt wurde. Bevor die Tür zur OP hinter sich verschloss, konnte Semir sehen, dass sich im OP-Saal der operationstechnischen Assistenten sich für die bevorstehenden Not-OP alles vorbereitete. Die Krüger traf kurz danach auch ein und erfuhr von Semir die schlimme Nachricht, wie es um den Zustand von Paul stand. „Oh Gott!", stöhnte sie und fragte nach Jennys Wohlbefinden. „Ach, da kommt die Ärztin", zeigte Semir auf eine Frau, die für ihr Alter gut aussah. „Guten Tag, ich bin Dr. Sellmann." Die Ärztin steckte das Stethoskop in die seitliche Jackentasche. „Mein Name ist Gerkhan und das ist meine Vorgesetzte, Frau Krüger", stellte Semir vor. „Wie geht es Frau Dorn?", wollte Kim wissen. „Bis auf einigen Schürfwunden scheint sie glimpflich davon gekommen zu sein. Ich würde sie aber eine Nacht unter Beobachtung hier behalten, um weitere Schäden auszuschliessen." Da kam eine Krankenschwester mit Blutwerte zu Dr. Sellmann angelaufen. Die Ärztin warf kurz einen Blick darauf. „Oh", meinte sie und verabschiedete sich von Semir und Kim. „Ich muss noch mal zu Frau Dorn." Mit schnellen Schritten war die Ärztin zurück in dem Behandlungsraum, wo sich Jenny gerade befand. Semir und Kim sahen die Ärztin noch von hinten an und so vergingen wieder Minuten. Derweil leuchtete die rote Lampe auf dem Flur für Alarm und weitere Assistenten in OP-Kleidungen rannten im inneren Bereich des OPs mit mehreren Bluttransfusionen und andere Sachen hin und her. „Das sieht aber nicht gut aus", meinte Semir, der einen Blick durch die Glasscheibe warf.

California - The Endless SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt