No. 179

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„Was hast du gesagt?" Vor Schock hatte Paul vergessen, dass er Jenny immer noch am Ärmel festhielt. „Jetzt lass mich los, du tust mir weh!" Jenny versuchte sich zu befreien. „Entschuldige!", sagte Paul schnell, liess Jenny los und nahm sie in die Armen. Schmerz und Trauer vermischten sich. „Es tut mir so leid!" „Mir auch", sagte Jenny mit stockender Stimme. Lisa und Charlotte waren Zeuge dieses emotionalen Augenblickes. „Es ist meine Schuld, dass ich uns in Gefahr gebracht habe", begann Paul leise zu wimmern. „Nicht nur deine Schuld, auch meine Schuld. Der blöde Streit hat das Ganze zerstört!", schluchzte Jenny in Pauls Armen und hielt ihn fest. „Ich hätte mich gefreut auf unsere kleine Familie. Nur mit dir will ich eine Familie haben, weil ich dich von Herzen liebe. Meine Pretty Woman", kam es aus Pauls Munde. Auch bei Lisa und Charlotte, die unbemerkt hinter den beiden im Flur standen, hatten ebenfalls Tränen in den Augen. Vor allem Charlotte fühlte sich schuldig an dem ganzen Ausmass der Situation. Pauls Herz war nie frei für Charlotte und wird es auch nie werden. Das wurde Charlotte mit einem Schlag bewusst klar. Lisa signalisierte ihr mit der Hand, dass man Jenny und Paul jetzt alleine lassen sollten. Sie brauchten den Augenblick für sich alleine. Stille. Nur noch Jenny und Paul alleine im dunklen Flur. Der Mond schien am Himmel und leuchtete durch die Glasscheibe der Haustür. Man konnte Jenny und Paul im Schatten erkennen. Jenny löste sich von ihm. „Wir haben unsere Chance verspielt!" „Was redest du da?" „Schicksal." Paul wollte nicht glauben, was Jenny gerade sagte. Er hob ihr Kinn und sah sie flehend an. „Gib uns nicht auf, bitte!" Er nahm Jennys weinendes Gesicht zwischen seine Hände und trocknete mit dem Daumen die Tränen weg. „Es ist schon viel zu viel passiert", hörte man Jenny wispern. Sie umarmte Paul nochmal und hörte seine Worte „Es ist nie zu spät, Jenny!" Ein letztes Mal berührte Jenny Pauls vordere Haarsträhne, mit der Finger ging sie herab auf seinen Lippen und umrundete sie. Paul nahm sie in die Taille, die Lippen waren nur noch Millimeter voneinander entfernt. „Ich wünschte, ich hätte dich in einem anderen Leben kennengelernt!" Tränen stiegen den beiden in die Augen. Beide lehnten sich Stirn an Stirn und atmeten schwer. Ihre Lippen berührten sich ganz leicht, wurde mehr zu einem langen, innigen Kuss, der nicht aufhören wollte und ganz langsam in Zeitlupe voneinander trennte. Die Welt um die beiden herum blieb für einige Sekunden still stehen, Paul und Jenny sahen sich tief in die Augen und umklammerten ihre Hände fest. „Jenny, bitte geh nicht! Lass uns nochmal neu anfangen!" Doch Jenny löste sich von Pauls Händen, öffnete die Haustür, drehte sich schweren Herzens nicht mehr zu Paul um und liess die Tür hinter sich ins Schloss fallen. Paul lehnte seine Stirn verzweifelt an die Tür, eine Träne kullerte herunter. „Aber ich liebe dich doch!", boxte Paul mit der Faust an die Tür und verzog ein schmerzverzerrtes Gesicht. Der Kampf um Jenny schien verloren, doch seine Liebe zu Jenny kannte kein Ende. „Du wirst immer meine Pretty woman bleiben!"

Als Jenny gegangen war, nahm Lisa Paul in die Umarmung und als sich die beiden lösten, sah sich Lisa Pauls verletzte Hand an, aus der etwas Blut floss. Kurz verschwand sie in die Küche. „Wenigstens die Tür ist noch heil!" Lisa wischte mit einem feuchten Lappen darüber und gab Paul eine kleine Packung mit TK Erbsen in einem Handtuch gewickelt, das er auf seinen verletzten Handrücken legte. „Ich hatte nichts anderes da", meinte Lisa. Charlotte traute sich nichts zu sagen. Ihr war das Ganze unangenehm. Dann wandte sich Lisa Charlotte zu. Es ist besser, wenn du gehst! Du hast genug Unheil gebracht!" Lisa hielt die Haustür auf und bat Charlotte, das Haus zu verlassen. „Deinen Bulli kannst du morgen Abend abholen. Bis dahin ist es repariert." „Und wie komme ich nach Hause?" „Keine Sorge, zu Fuss ganz bestimmt nicht", sagte Lisa, die in kurzer Pyjama an der Haustür gelehnt stand, „ich habe dir ein Taxi gerufen. Es müsste gleich kommen." Paul sah seine Schwester ungläubig an. „Bitte? Ich kann sie auch nach Hause fahren." „Lieber nicht, wer weiss, was sie als nächstes vorhat!" Charlotte war getroffen von Lisas Vorwurf, konnte es ihr aber nicht verübeln. Sie hatte schon genug Mist gebaut, noch mehr musste es nicht sein. Dann wandte er seinen Blick zu Charlotte. „Summer, was meint meine Schwester damit?" Summer musste schwer schlucken. Es wurde Zeit, die Wahrheit zu sagen. „Es gibt da was, was ich dir erzählen muss. Können wir das auf morgen verschieben?" „Das können wir jetzt gleich machen!" Paul bestand darauf und ahnte, dass Charlotte vielleicht etwas damit zu tun hatte. „Hey!" Lisa tippte mit dem Finger auf ihrer Armbanduhr. „Sagt mal, wisst ihr eigentlich, wie spät es ist? Meine Tochter schläft und ich muss morgen früh raus. Ausserdem ist das mein Haus!" Paul wollte protestieren, gab aber nach. Charlotte wollte nicht, dass sich die Geschwister auch noch streiten. „Bitte, lass uns darüber morgen reden! Deine Schwester hat Recht, es ist schon so spät." Paul wollte ihrer Bitte nachkommen und erklärte sich bereit. Ehe Charlotte in die Dunkelheit hinausging, drehte sie sich um, als Paul nach ihren Namen rief. „Charlotte, versprichst du es mir?" Sie nickte und wusste, was Paul mit der Frage meinte.

Wir tauchen in den Bilderrahmen eines Hochzeitsfotos von Jenny und Paul in Las Vegas hinein, den schönsten Tag ihres Lebens. Der Rahmen drohte immer kleiner zu werden bis es von der Bildfläche verschwand und der Hintergrund im Bilderrahmen schwarz wurde. Das Ende ihrer kurzen Ehe? Hat die Liebe noch eine Chance?

California - The Endless SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt