No. 70

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Das weisse Gebäude entpuppte sich als die kleine weisse Hochzeitskapelle in Las Vegas. Das Schild „Little White Wedding Chapel" aussen am Gebäude hatte Jenny komplett übersehen, als sie auf der Flucht bei der Verfolgung vor dem schwarzen Geländewagen war. In der Hochzeitskapelle war gerade eine Hochzeitsgesellschaft eingetroffen, die Gospelmusik setzte sich ein. Paul stand nun hinter Jenny, die immer noch angewurzelt im Türrahmen stand und nicht wusste, was sie jetzt machen sollte. Paul rettete die Situation, als die Köpfe der Hochzeitsgesellschaft zu Paul und Jenny blickten, indem Paul seine rechte Hand hochhob und ein „Sorry!" rief. Schnell reagierte Paul und schloss die Tür hinter ihm zu, richtete seinen Smoking, durchfuhr mit der Hand sein wuscheliges Haaren. Wie ein Gentleman führte Paul Jenny durch den Gang der Kapelle, Jenny staunte Paul überrascht an und begriff, dass er vorhatte, sich unter die Gesellschaft zu mischen. „Aber wir sind doch gar nicht eingeladen!" Jenny sprach so leise, da die Gospelmusik noch im Hintergrund lief. „Egal, das Brautpaar freut sich bestimmt", sagte Paul cool und suchte sich einen Platz auf der Kirchenbank in der Mitte aus. Mit Jenny Hand in Hand in der Reihe ging Paul an einigen Gästen vorbei und beide nahmen Platz ein. Das Brautpaar stand mit dem Rücken vorne am Altar, der Reverend hielt eine Bibel in der Hand und hatte seine Augen geschlossen. Die Gospelmusik klang langsam aus, das Brautpaar schaute sich verliebt an und konnte es kaum erwarten, in dieser berühmten Hochzeitskapelle in Las Vegas zu heiraten. Der Reverend begann mit der Hochzeitszeremonie, die in englischer Sprach stattfand. Paul konnte die Zeremonie problemlos verstehen während Jenny Mühe hatte, es zu verstehen. Dennoch berührte die Worte auch Jennys Herz. Paul sah im Blickwinkel zu Jenny hinüber, die ihr Lächeln breit und die Augen auf das Brautpaar gerichtet hatte. Neben dem Brautpaar standen die jeweiligen Trauzeugen. Vor Jennys Augen begann sie zu träumen, wie sie in ihrem schlichten Hochzeitskleid ohne grosse pompösen Aufwand am Traualtar stand, ihr schönsten Lächeln dem Traumprinz ihres Lebens schenkte. Der Mann, dessen Gesicht gar nicht zu erkennen war, stand neben Jenny am Altar. Wie eine Prinzessin träumte sie von der wahren Liebe. Jennys Traum endete, als wieder die Gospelmusik einsetzte. Bevor das Brautpaar gegenseitig das Eheversprechen gab, machten sie eine romantische Liebeserklärung. Die Hochzeitsgesellschaft hatte mit den Tränen zu kämpfen, Taschentücher wurden herausgerückt, auch bei Jenny kullerte eine Träne vor Berührung an ihrer Wange. Wie in Trance griff sie nach Pauls Hand und lehnte ihren Kopf an seine Schulter. „Zu schön, um wahr zu sein, dieser Liebesschwur!", flüsterte Jenny. Paul lehnte seinen Arm um sie und streichelte diese sanft an ihrem Oberarm. Nun wurde der Bund des Lebens geschlossen, bei dem Kuss zwischen dem Brautpaar applaudierten die Gäste, auch Paul und Jenny klatschten kräftig mit.

Zurück bei der Autobahnpolizei begab sich Felix Möller zu einem Gespräch mit der Krüger in ihrem Büro, während Semir schadenfroh zu seinem Schreibtisch ging, einige Akten bearbeitete und durch die Glasscheibe in das Büro seiner Chefin durchblicken konnte, wie die Krüger ein entsetztes Gesichtsausdruck darstellte. Felix bedankte sich bei der Krüger für ihr Vertrauen und die Möglichkeit, den Tag als Probe bei der Autobahnpolizei zu erleben. Mit einem Händedruck verabschiedeten sich die beiden, Felix kam aus ihrem Büro und auf Semir zu. Semir blickte von den Akten zu ihm, stand auf und gab ihm die Hand. „Ich wünsche Ihnen alles Gute und dass Sie das finden, was Ihnen gefällt.", sagte Semir ehrlich aus seinem Munde. „Danke!", fügte Felix bei, „wirklich schade! Ich denke, ich kann Ihnen kein behilflicher Kollege sein." Semir nickte leicht, Felix verliess daraufhin das Revier. Kim stand nach einem Telefonat auf einmal im Türrahmen und mit strengem Ton sprach sie Semir auf den Vorfall mit dem Möller an. „Gerkhan! Was haben Sie mit ihm angestellt, dass er gar nicht daran denkt, hier anzufangen?" Semir setzte seine Unschuldsmiene auf. „Ich habe gar nichts gemacht, ich habe nur erzählt, wie es hier bei der Autobahnpolizei abläuft." „Zwei Wochen gebe ich Ihnen noch, und wenn Sie bis dahin keinen geeigneten Partner finden, dann liegt die alleinige Entscheidung wieder bei mir", beendete die Krüger das Gespräch und drehte sich um, so dass ihre offenen, langen Haare leicht wehten. „Hauptsache, es hat sich ausgepfeift", sprach Semir über das nervige Pfeifen von Möller leise zu sich selbst, lehnte sich mit einem Grinsen in seinen Schreibstuhl zurück.

Währenddessen ging das Brautpaar in der Hochzeitskapelle den kurzen Gang vom Traualtar bis zur Tür nach draussen entlang. Kurz vor der Tür hielt die Braut inne und warf ihren Brautstrauss im hohen Bogen nach hinten. Einige Frauen verpassten den Fang, mit einem schnellen Reflex reagierte Jenny und fing den Brautstrauss auf. Paul staunte nicht schlecht und pfiff anerkennend. Mit offenem Mund versuchte sie einige Worte zu fassen, doch der Applaus überschlug ihre Sprache und die Braut kam lächelnd auf Jenny zu. Sie legte ihre Hand an Jennys Hände, die immer noch den Strauss festhielt. „Ich wünsche dir viel Glück mit deinem Traummann!" Dabei sah die Braut von Jenny zu Paul und drehte sich mit einem Lächeln um, ging auf ihren frisch angetrauten Ehemann zu und verliess mit ihm die Kapelle. Zurück blieben Paul und Jenny. Paul haderte kurz mit seinen Gedanken. „Jetzt oder nie!" Entschlossen griff er nach Jennys Hand und zog sie mit nach vorne zum Traualtar. „Reverend! Könnten wir Ihren Segen bekommen?", fragte Paul...    

California - The Endless SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt