No. 180

167 17 7
                                    


Paul war mit seinen Gefühlen so emotional, dass er die Nacht gar nicht schlafen konnte. Immer wieder wälzte er sich im Bett hin und her. Irgendwann hielt er es nicht mehr aus und stand auf. Mit dem schwarzen Boxershort bekleidet ging er die Treppe nach unten und stand im Flur. Es war dunkel, dennoch schauderte es ihm den nackten Rücken. Das Bild vor seinem inneren Auge kam zum Vorschein, wo vor ein paar Stunden Jenny und er noch vor der Tür gestanden haben und sich erst zögernd und doch zu einem innigen Kuss verschmolzen waren. Er hatte Jenny noch gebeten, die Ehe nicht aufzugeben und für einen Neuanfang zu kämpfen. Für ihn fühlte es sich wie ein Abschied an. Immer wieder ging Paul Charlottes Worte durch den Kopf, dass sie ihm was Wichtiges sagen musste. Merkwürdig fand er auch, dass ausgerechnet zu dem gleichen Zeitpunkt Alex mit absurden Gerüchten über eine angebliche Schwangerschaft mit Jenny ins Krankenhaus kam und ihn bedrohte, die Familie nicht zu zerstören. „Aber in Wirklichkeit hatte Jenny unser Kind verloren. Unser Kind. Es kam zwar überraschend, aber ich bin mir sicher, ich hätte mich sehr gefreut! Und der Unfall hatte alles zerstört!", seufzte Paul mit geschlossenen Augen in seinen stillen Gedanken und als er die Augen wieder öffnete, ging er in die Küche. Der Kühlschrank leuchtete so hell von innen, dass Paul kurz seine Augen blinzeln musste. Die ganze Zeit war er nur im Dunkeln im Haus rumgeschlichen. Paul schaute sich den Inhalt des Kühlschrankes an. Erst wollte er nach der Bierflasche greifen, die ihn anlächelte, entschied sich aber für Mineralwasser. Mit der Flasche in der Hand marschierte er ins Wohnzimmer und liess sich auf die Couch fallen.

Mit erhöhter Geschwindigkeit kam der dunkelgrauen BMW an den Seitenstreifen eines Hauses zum Stillstand. Es war bereits spät nach Mitternacht und durch die Fensterscheibe des BMWs konnte Jenny sehen, dass in der Parterrewohnung noch Licht brannte. Mit gemischten Gefühlen stieg Jenny aus dem Auto und stand vor dem Haus, in dem sie mit Alex wohnte. Als die beiden ein Paar wurden, beschlossen sie damals, eine grössere Wohnung zu finden, und es war eine lange Suche gewesen. Es musste alles auf ihrem Plan stimmen, von der nicht zu weiten Entfernung zwischen Wohnung und Autobahnpolizei, genügend Freiraum in der Wohnung und um die Umgebung Einkaufsmöglichkeiten sowie einen Naturpark. Jenny merkte, dass sie wie die Perfektionistin klang und verwarf den Gedanken auch schnell wieder. Tief ausatmend ging sie mit schnellen Schritten auf die Haustür zu, da es leicht zu regnen begann. Energisch drückte sie auf die Türklingel und stützte mit den Händen an der Hauswand ab. Von innen wurde die Tür geöffnet, eine kleine Frau im Bademantel stand vor Jenny. Als sie Jenny erkannte, hellte ihr Gesicht vor Freude auf. „Jennifer! Schön, dass du da bist!" „Hallo Viola", sagte Jenny, „ich weiss, dass es so spät ist. Aber ich muss mit Alex reden!" Dann ging Jenny an Viola vorbei und streckte ihren Kopf in die Küche und dann ins Wohnzimmer, wo sie auf einen überraschenden Alex traf. Neben ihm sass Amanda. Kurz sah Jenny die Frau an, ignorierte sie kurz darauf. „Ähm, Jenny, was machst du denn hier?" „Meine Frage ist eher, was hast du dir für einen Bullshit ausgedacht?" Mit verschränkten Armen stand im grossen Raum und Viola trottete herbei. Viola ahnte schon vom Gefühl her, dass der Besuch nicht nur ein Besuch auf Versöhnung war. „Können wir vielleicht in aller Ruhe reden?" Viola hoffte auf Verständnis von Jenny und Alex, doch Jenny warf ihr einen bösen Blick zu. „Viola, deinen Sohn in aller Ehre, aber diesmal ist er zu weit gegangen!" „Jenny,...", Alex stand auf und wollte auf sie zugehen, um sie zu besänftigen, da stand Amanda auch auf. „Ach, das ist also deine Freundin?" Über Alex Schulter schauend, verbesserte Jenny die Antwort. „Nein, Ex-Verlobte!" Viola wollte was sagen, und just in dem Moment sah Jenny, dass Amanda zur Seite stand und ihren Kugelbauch man sehen konnte. „Irgendwo habe ich dich schon mal gesehen", meinte Jenny, ihr Blick blieb auf Amandas Bauch hängen. Alex musste schwer schlucken und Viola konnte in den Augen ihres Sohnes sehen, dass die Wahrheit nicht länger zu verbergen war. „Komm, Alex, sage die Wahrheit!" „Mama, bitte mische dich nicht ein!" Jenny sah von Alex zu Viola und wieder zu Alex. „Wieso hast du Paul gesagt, dass ich schwanger bin? Von dir!" „"Oh Gott!", stöhnte Amanda auf, „jetzt wirst du doch zweifacher Vater." Man hörte Alex genervt stöhnen, Jenny blickte Amanda verwirrt an und langsam realisierte sie, dass diese Frau in Wirklichkeit schwanger von Alex war. Einen Teil der Wahrheit legte Amanda offen auf den Tisch. „Ich war die Stewardessin auf dem Flug von Kalifornien nach Köln, und ja, Alex und ich hatten was miteinander. Aber es blieb nicht bei dem einen Mal. Du warst an dem Tag des Rückfluges so traurig und verschlossen, dass Alex nicht an dich rankam. Und wir hatten Sex gehabt." Als Jenny das hörte, schloss sie mit schwerem Atem die Augen und musste schlucken. Langsam öffnete sie die Augen wieder und hörte Alex zerfetzte Stimme, von der sie kein Wort verstand, als er vor ihr stand. Jennys Handfläche holte zu einem Schlag auf Alex rechter Wange aus und dieser verzog sich mit einem schmerzverzerrten Gesicht zurück. „Arrrgg, was soll das?" „Du verdammter Mistkerl! Und ich hatte immer geglaubt, dass in dir ein guter Mensch steckt. Nach der Geschichte mit deiner Mutter, dass sie dich als kleiner Junge verlassen hatte, hatte ich Mitleid mit dir, aber du bist nicht besser als sie!" Mit dem Finger deutete Jenny auf Viola und diese fühlte einen Stich in ihren Herzen. Amanda zuckte zusammen, Viola musste mit den Tränen kämpfen. „Ich wäre niemals bei dir geblieben, mit einem Kind, das es nie von dir gab! Ich habe Pauls Kind verloren, verdammt!"  

California - The Endless SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt