No. 160

185 17 4
                                    

Viola erschrak im Moment, und sie drohte das Gleichgewicht zu verlieren, wo die Haustür so schwungvoll geöffnet wurde, und Jenny vor ihr stand. Viola konnte sich gerade noch retten, indem sie mit der Hand nach dem grossen Blumenkübel festhielt, das an der oberem Treppenende stand. „Gott, Jenny! Fast hätte ich ein Herzkasperl gehabt!" Bei dem Anblick verdrehte Jenny die Augen und drehte sich um. „Was machst du denn hier? Ich habe nicht viel Zeit, genauer gesagt gar keine Zeit!" Nachdem sich Viola ein wenig von dem Schreck erholt hatte, folgte sie Jenny ins Haus und schloss die Haustür hinter sich. „Ich wollte nur mit dir unterhalten", begann Viola das Gespräch, als sie den Koffer im Flur sah und Jenny mit der Handtasche beschäftigt war. „Ziehst du aus?" Innerlich hatte Viola ein Fünkchen Hoffnung, dass Jenny womöglich doch wieder zu ihrem Sohn zurück wollte. „Nein, zum Flughafen. Ich muss was erledigen", Jenny sah zu Viola auf, „und was möchtest du mit mir unterhalten? Wenn es um Alex geht, da ist alles gesagt. Es gibt kein Zurück mehr!" Mit diesem letzten Satz hatte Viola gar nicht gerechnet. „Jennifer, Alex hat es wirklich nicht böse gemeint mit dem Brief." „Bitte? Bist du deswegen hergekommen, um darüber mit mir zu sprechen? Das kannst du dir sparen, ich bin mit der Sache durch. Finito!" Dieses leidige Thema ging Jenny langsam auf die Nerven. „Mein Sohn war verletzt, als er erfuhr, dass du einen anderen Mann angelächelt hast. Wenn du verstehst, was ich meine", duckte Viola herum, „Alex liebt dich und würde dir gerne verzeihen. Gib ihm doch eine Chance, bitte!" Violas flehende Blicke liessen Jenny kalt. Ein Hupen war zu hören. „Das Taxi ist da", sagte Jenny und schleppte den Koffer zur Tür, zog sich die Jeansjacke an. „Sorry Viola, das Kapitel mit Alex ist endgültig. Und ich bin mit Paul verheiratet, das wird auch so bleiben!" Nun öffnete Jenny die Haustür und gab Viola zu verstehen, dass sie bitte gehen solle und der Taxifahrer stieg gerade aus dem Taxi und kam die Treppenstufen angelaufen. „Hier ist der Koffer", deutete Jenny auf das Gepäck, was der Mann in die Hand packte und in den Kofferraum trug. Mit langsamen Schritten kam Viola auf Jenny zu, sah ihr noch einmal in die Augen. Diese waren voller Traurigkeit. „Bedeutet Alex dir wirklich nichts mehr?" Eine Weile herrschte Stille. Während Jenny überlegte, was sie darauf antworten sollte, umklammerte Viola ihre Hände an die von Jenny. „Ich weiss nicht, wie es verlaufen wäre, wenn Alex nicht diesen blöden Brief geschrieben hätte? Vielleicht hätten wir die Chance gehabt für einen Neuanfang, aber jetzt ist es zu spät. Es ist zuviel passiert und meine Liebe zu Alex ist erloschen." Viola hatte mit den Tränen zu kämpfen, und Jenny hatte Mitleid mit ihr. Dennoch blieb sie bei ihrem Entschluss. „Mach es gut, Viola und pass gut auf dich auf!" Jenny zog ihre Hände zurück und ging an Viola vorbei. Kurz bevor sie einstieg, drehte sie noch einmal zu Viola um. „Du hast die Wohnung während meines Urlaubes schön dekoriert. Die Sachen stehen jetzt in der Küche praktischer als vorher." Ein Lächeln war auf Violas Gesicht zu sehen. „Das ist dir aufgefallen?" „Ja, aber ich war zu stolz, um das zuzugeben." Mit diesen Worten und einem kurzen Lächeln stieg Jenny in das Taxi.

„Was machst du hier?" Semir war überrascht, als Jenny an seiner Bürotür anklopfte und hereintrat. „Hallo Semir!", sagte Jenny und ging an ihm vorbei zu Pauls Schreibtisch. „Ist was mit Paul?" Besorgt schaute Semir Jenny an, die in die Schublade schaute. Frau Krüger kam ebenfalls herein. „Frau Dorn! Sollten Sie sich nicht ausruhen bis nächste Woche?" Jenny blickte auf und sah von Semir zu Kim. „Bei Paul gibt es noch nichts Neues und Frau Krüger, ich brauche für nächste Woche ein paar Tage Urlaub. Es ist wichtig!" „Ok, dann ändere ich den Dienstplan für nächste Woche. Bis dahin, gute Besserung!", wünschte die Krüger und stolzierte im engen Kleid in ihr Büro. Jenny erzählte Semir, was sie vorhatte und hörte ein anerkennender Pfiff aus seinem Munde. „Wo ist die Nummer von dem Makler?", suchte Jenny an Pauls Schreibtisch, und als ihr Blick auf den Monitor fiel, sah sie einige Notizen daran kleben. Als sie die Nummer und den Namen des Maklers fand, fiel ihr auf, dass Pauls Schrift irgendwie süss vorkam. „Ist das Pauls Handschrift?" Jenny hielt Semir eine Notiz vor seinen Augen und dieser nickte. Jenny zog aus der hinteren Hosentasche den gefälschten Brief hervor und verglich die beiden Handschriften. „Wie konnte ich so blöd sein! Hätte mir das früher eingefallen mit der Handschrift, dann wäre vieles erspart geblieben!" Jenny sass zusammengekauert auf Pauls Stuhl und griff nach dem weissen Baseball. Es gab ihr ein tröstendes Gefühl. Es war keine Zeit zum Jammern, der Flug ging bald und sie verabschiedete sich von Semir, der ihr viel Glück wünschte und ihr zu verstehen gab, dass er über ihr Vorhaben schweigen würde.

In dem Moment, auf dem Weg zum Flughafen, zur gleichen Zeit passierte gerade im Krankenhaus ein Wunder. Ganz langsam erlangte das Bewusstsein Paul wieder. Er hatte Jennys Worte mitbekommen, konnte aber keinen Wort herausbringen. Auch ihre Wärme, ihre Nähe und die Küsse hatte er gespürt. Etwas versperrte ihn das Sprechen. Verzweiflung hallte in seinen Gedanken, er wollte Jenny noch sagen, wie sehr er sie liebte und sie seine Pretty woman sei. Paul versuchte seine Augen zu öffnen. Er blinzelte, da das Licht im Zimmer zu hell wirkte. Seine Augenlider waren so schwer, dass sie ihm immer wieder zufielen. Er kämpfte dagegen an und röchelte, als er selbstständig atmen wollte. Der Schlauch klebte an seinen Lippen. Sein Herzschlag auf dem Monitor wurde schneller, was zu einem Piepen führte. Eine Krankenschwester eilte herbei und sah, dass Paul gerade aufwachte.

California - The Endless SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt