No. 154

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Bei der Autobahnpolizei war mittlerweile der Alltag zurückgekehrt. Die Arbeit ging weiter und nachdem Semir von Jenny erfahren hatte, dass Paul auf ein normales Zimmer verlegt wurde und die Ärzte ihn aus dem Koma holen wollten, war Semir bester Laune. Auch Susanne und Frau Krüger waren von der Nachricht erleichtert. „Kommen Sie jetzt zum Meeting?", fragte die Chefin und Semir nickte. Bevor er von seinem Stuhl aufstand, warf er noch einen Blick über den Schreibtisch von Paul, der seit dem letzten Tag nicht mehr berührt wurde und sich die Stapel Akten und Papiere breitmachten. Der Stuhl wirkte leer, dennoch stellte sich Semir in seinen Gedanken vor, wie Paul bald wieder darin lümmelte würde und mit dem weissen Baseball in der Hand spielte. „Partner, bald bist du wieder da!", freute sich Semir insgeheim und folgte der Krüger und Susanne zur grossen Besprechungsraum.

Klaus und Helga verbrachten den halben Tag im Krankenhaus bei ihrem Sohn, während Lisa alle Hände voll zu tun hatte. Denn die Werkstatt musste weiterlaufen und die Kunden wollten ihre Autos nach der Reparatur zurückhaben. Nebenbei kümmerte sich Lisa auch um die Baustelle und übernahm für kurze Zeit die Rolle der Bauherrin. Von einem Anruf eines Maklers war Lisa jedoch sehr überrascht. Schockiert musste sie erfahren, dass Paul das Strandhaus in Santa Monica zum Verkauf angeboten hatte und dafür einen Makler beauftragt hatte. Davon wusste sie gar nichts, nur, dass Paul kurz vor dem Unfall ihr eine Nachricht geschrieben hatte, dass er eine Lösung für die Krankheit ihres Vaters gefunden hatte. Sie bat dem Makler um Aufschub, um die Sache erstmal zu klären. Als das Telefonat mit dem Makler beendet war, liess sich Lisa in den Chefsessel fallen und durchfuhr mit den Händen durch ihre leichte gewellten Haaren. „Was mache ich jetzt?", war Lisa hilflos. Hoffentlich war das eine gute Idee? Sie überlegte, was sie machen sollte. Ihr kam Jenny in den Sinn. Vielleicht konnte Jenny ihr helfen? Lisa nahm sich vor, am späten Nachmittag mit Jenny zu treffen und über die Sache zu sprechen. Eigentlich wollte Lisa lieber mit ihrem Bruder darüber beraten. Sie wusste, wie sehr das Strandhaus Paul am Herzen lag. Sie konnte es immer noch nicht glauben, dass Paul es verkaufen wollte. In Kalifornien war er immer mit dem Herzen zu Hause. Direkt am Meer. Mit seinem Surfbrett und die besten Wellen. Denn die Sache konnte nicht länger auf sich warten, der Makler kostete auch Zeit. Und Zeit war kostbar.

Die ganze Autofahrt bis zum Haus von Martin Dorn verlief in ein Schweigen. Alex bog in eine Strasse ein und parkte seinen Wagen an den Seitenstreifen. Er holte aus dem Kofferraum die kleine Tasche, während Jenny voraus ging und die Treppenstufen erreichte. Alex konnte die Stille nicht mehr ertragen und legte seinen Arm um ihre Schulter. Kurz sah Jenny aus dem Blickwinkel auf seinen Arm und drehte den Hausschlüssel im Schloss herum. Die Tür sprang auf und beim Betreten des Hauses zog sie sich von Alex ab. „Es war ein Dienstunfall, mach dir keine Vorwürfe!", versuchte Alex Jenny aufzumuntern, als sie durch die Haustür gingen. „Wie oft habe ich mit Semir solche Unfälle überstanden", erinnerte sich Alex an die Zeit bei der Cobra, „wir leben immer noch." Doch Jenny regte sich bei diesem Satz auf. „Dienstunfall? Das ist MEIN MANN, der da im Krankenhaus liegt und um sein Leben kämpft!" Die Tasche glitt Alex aus der Hand. Erschrocken sah Alex Jenny an, auch diese war schockiert, was sie da gerade gesagt hatte. Im Wohnzimmer liess sich Jenny auf der Couch sinken und stützte mit ihren Händen den Kopf. „Du bist verheiratet?", fragte Alex verblüfft und Jenny senkte ihren Kopf zu Boden. „Das ist wohl ein Scherz?" Seine Augen funkelten böse. Sie schämte sich, Alex jetzt anzusehen. „Ich habe dich was gefragt!", schrie Alex und Jenny bekam Angst vor ihm. Sie zuckte zusammen und hatte einen Kloss im Hals. Sein Ton war so laut, das ihr vor ihm Angst bereitete. „Ja, wir haben in Las Vegas geheiratet", brachte Jenny mühsam hervor. „Und wann wolltest du mir das sagen?" Jenny zuckte nur mit den Schultern. „Das tut nichts zur Sache." „Wie konntest du nur?" Jetzt war Alex ausgerastet. „Wir wollten heiraten. Wir! Aber was machst du? Du lächelst einen Typen an und prompt bist du verheiratet? Lächerlich geht es wohl nicht?" Wutentbrannt stand Jenny langsam von der Couch auf, presste ihre Lippen zusammen und kam auf Alex zu. „Raus hier!", zeigte sie mit dem Finger zur Haustür. Doch Alex machte keine Anstalten zu gehen. Schnaubend zischte er Luft aus seinen Zähnen. „Wir sind noch nicht fertig!" „Doch, ich muss mich nicht vor dir rechtfertigen. Also, geh bitte!" Doch Alex rührte sich nicht vom Fleck und Jenny packte ihn an der Jacke. Ein leichtes Gerangel entstand, bei dem sich etwas aus der Jackenseite von Alex herausfiel. Ein Klirren war auf den Fliesen zu hören. „Was ist das?", fragte Jenny, als sie sich von Alex losliess und auf was Bestimmtes auf dem Boden starrte. „Fuck!", flüsterte Alex zu sich selbst und ehe er sich beugte, um es aufzuheben, war Jenny schneller. Sie griff nach einem Schlüssel, das einen Anhänger dabei hatte. Sie las es und in ihren Gedanken schrillten die Alarmglocken. Home sweet Home. Das kam ihr irgendwie bekannt vor. Paul hatte was von einem Schlüssel gesagt. Das Strandhaus. Alex versuchte nach dem Schlüssel zu greifen, als Jenny immer noch darauf starrte und ihr langsam das Puzzle immer mehr im Kopf zusammenfügte. Mit zornigem Blick wandte sich Jenny von dem Schlüssel zu Alex auf. Mit dem Schlüssel in der Hand ballte sie sie zu einer Faust. „Woher hast du den Schlüssel?" Doch Alex lachte nur hämisch. „Das ist meiner, für das BKA. Gib her!"

California - The Endless SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt