No. 127

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Nervös schlich sich Paul im Gästezimmer seiner Schwester herum. „Hi, Jenny! Leg bitte nicht auf!", sagte Paul so schnell er konnte, als sich Jenny am anderen Ende der Leitung meldete. „Paul, weisst du, wie spät es ist?", schimpfte eine verschlafende Jenny, die sich mühsam die Augen rieb und sich im Bett aufrecht hinsetzte. Sie machte das kleine Tischlämpchen auf der Kommode neben dem Bett an. Sofort kniff sie ihre Augen zusammen, da das Licht im Raum hell wirkte. „Jenny, sorry, dass ich dich so spät anrufe", versuchte Paul ruhig zu wirken, denn sein Herzklopfen machte ihm zu schaffen. Er hatte befürchtet, dass Jenny womöglich das Gespräch abbrechen würde. Zu seiner Freude war Jenny immer noch am Apparat. „Ja, Paul, ich hoffe, es gibt einen guten Grund, warum du mich in der Mitternacht aus meine, schöne Träumen weckst." „Hast du denn von mir geträumt?", konnte man Pauls Lachen hören. „Das weiss ich nicht, nur ich weiss, dass ich so glücklich gestrahlt habe", sprach Jenny immer noch schläfrig. „Ach so!", meinte Paul, „ich hätte dich auch gerne wieder strahlend gesehen." Eine Weile herrschte Schweigen. „Paul?" „Jenny?" Ein kurzes Lachen war zu hören. Paul nahm sich allen Mut zusammen. „Ich habe wirklich mein Bestes gegeben, um dich von meiner Unschuld zu überzeugen. Jenny, du bist doch der wichtigste Mensch in meinem Leben!" Für einen Moment stockte bei Jenny der Atem. Ihr zerriss das Herz und sie dachte an Susannes Worte „Hör auf dein Herz!" „Ich würde dir gerne glauben", hauchte Jenny so leise, doch Paul verstand sie. „Das kannst du! Jenny, ich lüge nicht! Zeig mir doch bitte mal den Brief." An den Brief hatte Jenny nicht mehr daran gedacht, hatte sie doch vorgehabt, ihn Paul unter die Nase zu reiben. „Wo ist der Brief? Bestimmt irgendwo zwischen den Klamotten im Koffer bei Alex", grübelte Jenny nach. Auch sie konnte es nicht mehr länger im Bett aushalten und ging einige Schritten in ihrem alten Zimmer auf und ab. „Weisst du, wie sehr du mir weh getan hattest? Ich war bereit, mich voll und ganz auf dich einzulassen", schluchzte Jenny leise. „Das war nicht meine Absicht! Wirklich!", sprach Paul, der mitten im Raum stehen blieb. „Noch nie hatte ich in meinem ganzen Leben einer Frau wie dir meine ganze Liebe geschenkt. Jenny, du bist was Besonderes!" Auch Paul hatte mit den Tränen zu kämpfen. „Aber du hast mir auch nicht gesagt, dass du in einer Beziehung bist." In diesem Punkt hatte Paul Recht. Jenny hatte ihm nicht gesagt, wie ihr Beziehungsstatuts aussah. „Ich habe Alex verlassen, für dich! Ich bin vorläufig bei meinem Vater eingezogen." Pauls Herz erfreute sich für einen Moment. „In meinem Bett bist du auch willkommen, das muss ich dir nicht sagen, oder?" Wie gerne würde sich Jenny an der Stelle in Pauls Armen kuscheln, seine Liebe und Geborgenheit spüren. „Würde ich gerne", hatte Jenny schon Sehnsucht nach Paul. „Soll ich dich holen? Oder soll ich zu dir unter die Decke kriechen? Dank Semir weiss ich, wo mein Schwiegervater wohnt", lächelte Paul und suchte seine Klamotten zusammen. „Paul, lass uns das langsam angehen, bitte?" Er liess seine Jeanshose auf den Boden fallen, legte sich wieder ins Bett und liess seinen Kopf auf den Kissen fallen. „Jenny, du fehlst mir sehr! Ich muss dir noch vieles erzählen. Und ich möchte dich endlich meiner Familie vorstellen. Es gibt was, was ich dir unbedingt zeigen möchte!" Voller Freude redete Paul einfach los und Jenny war so gerührt. „Du fehlst mir auch!" Auch sie kuschelte sich unter die Decke und hielt den Smartphone enger ans Ohr, um Pauls warme Stimme zu hören. „Ich würde deine Familie wahnsinnig gerne kennenlernen. Ich bin neugierig, nach wer du kommst, Mama oder Papa. Ich glaube, ich muss dir auch vieles erzählen." Beide lachten. Das Kribbeln im Bauch der beiden flatterte wie die Schmetterlinge im Bauch. Dennoch war die Sehnsucht nach dem anderen grösser. „Jenny? Hast du morgen Abend schon was vor?" „Hm, ja schon, wie wäre es mit danach?" „Meinst du, bei mir oder bei dir zuhause?" „Lieber bei dir, weil mit meinem Vater unter einem Dach, ich weiss nicht...", sprach Jenny leise, „komme ich mir vor, wie ein verliebter Teenager." Paul lachte, auch Jenny liess sich von seinem Lachen anstecken. „Wir lieben uns doch! Jenny, das ist doch egal, wo wir sind. Ob bei unseren Eltern oder sonst wo. Hauptsache, wir sind zusammen! Ich würde dich jetzt schon umarmen und dich am ganzen Körper küssen." Jenny schloss die Augen und stellte sich in ihren Träumen vor, wie Paul seine sanften Küssen an ihrem Körper entlang verteilte. „Ich will dich spüren", stöhnte Jenny kurz auf, liess ihre Augen weiter geschlossen. Auch Paul geriet ins Schwärmen über den tollen Körper seiner Frau. Die Zeit verging wie im Fluge, draussen machte sich der Sonnenaufgang bemerkbar. „Lass uns aufhören mit telefonieren, sonst hängen wir noch bis zum Dienstbeginn am Handy", schmunzelte Jenny. „Ich möchte aber deine Stimme hören", flehte Paul. „Das kannst du doch, gleich auf der Arbeit", witzelte Jenny. „Auf der Arbeit? Da kann ich dich aber nicht berühren und dich liebkosten", säuselte Paul. „Sei stark, mein toller Surferboy. Da musst du dich etwas geduldigen", meinte Jenny. „Kann ich nicht!", klagte Paul. „Weisst du was? Ich auch nicht!", gab Jenny zu. Schweren Herzens beendeten die beiden das Gespräch und widmeten sich dem Schlaf zu. Was sich Schlaf nennt, das kam bei den beiden nicht vor. Zu aufgewühlt wie verliebte Teeanger wälzten sich Jenny und Paul in ihren Betten hin und her bis in den Morgen. An Schlaf war gar nicht zu denken. Schon vor dem Klingeln des Weckers standen die beiden auf und machten sich im Bad fertig. Beim Verlassen des Badezimmers zeigten die beiden in den jeweiligen Spiegel ein grinsendes Gesicht. Sowie Martin und Lisa waren erstaunt, wie gut gelaunt Jenny und Paul trotz geräderten Augen an diesem frühen Morgen schon waren und sich auf das Frühstück stürzten... 

California - The Endless SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt