No. 65

193 21 3
                                    


An dem Morgen sass eine gut gelaunte Viola am Tisch im Wohnzimmer und warf einen Blick auf die Sitzordnungen der Hochzeitsgesellschaft. Nachdem das mit dem Catering schief gelaufen war, hatte Viola Alex am Telefon mitgeteilt, dass sie Organisation für die bevorstehende Hochzeit übernehmen wollte. Als Alex Mutter nach den Unterlagen für das Catering suchte, stiess sie auf die Planung der Hochzeitsgesellschaft und ihr gefiel gar nicht, was sie da sah. Viola beschloss, darum zu kümmern und einige Änderungen vorzunehmen. Ihre Schwiegertochter in spe hatte die Zeichnungen sorgfältig einstudiert, jeden Namen des Gastes zu jedem Tisch zugeordnet. Auf dem Papier waren zehn grosse, runde Tische mit jeweils acht Stühlen an einem Tisch gezeichnet. Jenny wollte eine kleine Hochzeitsfeier im engsten Kreis haben. Damit der schönste Tag in ihrem Leben auch perfekt war, hatten Alex und sie für den Saal mit den runden Tischen, die so eine schöne, luxuriöse Location darstellten, das stilvoll eingerichtet aussah, entschieden. Neben den ausgelegten Zettel auf dem Esstisch verteilt, stand eine Tasse Kaffee, die frisch dampfte. Viola schüttelte den Kopf, als sie die Sitzordnungen las. „Wieso sitzt Tante Frida am anderen Tisch?" Tante Frida war Alex Tante und die Frau von Violas verstorbenem Bruder. Viola strich mit dem Bleistift Jennys Schrift durch und kritzelte Tante Frida ein. Dann fand sie, dass der ganze Plan nicht ihrem Sinne entsprach und änderte alles um. Dumm nur, dass sie in den nächsten Minuten die Gästeliste nicht mehr kannte. „Eine Familie muss zusammen am Tisch sitzen und nicht im ganzen Saal verstreut", meckerte Viola mit sich selbst und wollte nach der Tasse Kaffee greifen. In ihrer Unachtsamkeit verpasste sie den Henkel der Tasse, diese rutschte auf den Unterteller aus und vergoss die schwarze Flüssigkeit auf die Papiere. „Oh, gütiger Himmel!" Vor Schreck sprang Alex Mutter vom Stuhl auf, rannte in die Küche und holte ein Handtuch. Mit dem Handtuch tupfte sie die durchgeweichten Papiere ab. Hektisch versuchte sie zu retten, was zu retten war. Sie hob vorsichtig ein Blatt Papier hoch, die Schrift war leider unlesbar. „Oh Gott!", fluchtete Viola, „das gibt garantiert Ärger mit Jennifer! Und ich habe Alex versprochen, mich um ein besseres Verhältnis zu meiner Schwiegertochter zu bemühen. Was mache ich jetzt?" Sie sackte stöhnend auf den Stuhl und stützte mit dem Ellbogen ihre Stirn dagegen und seufzte schwer hörbar aus.

Die Hände von Paul und Jenny lösten sich, Paul seufzte und seine Augen drehten sich genervt zu der Stimme um. „Na toll, jetzt ist dieser Moment zerstört! Ich hatte mir Mut angesammelt und wollte Jenny gerade meine Liebe gestehen", sprach die Stimme in Pauls Gedanken. Auch Jennys Blicke waren enttäuscht, zu gerne hätte sie gehört, was Paul ihr sagen wollte. Paul stand nun vor dem Mann, der grösser als er war. Seine Struktur wies darauf, dass er ein Bodyguard sein könnte. Die Haltung des Mannes war kräftig, soweit man es durch seine dunkle Anzug einschätzen konnte und sein Aussehen war gepflegt, die schwarzen Haare hatten vielleicht zu viel Gel abbekommen. „Was möchten Sie?" Paul musste seinen Kopf in die Nacken legen, um auf die Augenhöhe mit dem Mann zu kommen, steckte seine beiden Händen in die Hosentasche und wartete gespannt die Antwort ab. Der Mann sprach Paul in englischer Sprache an. „Würden Sie mich bitte folgen?" Paul traute seinen Ohren nicht und versuchte höflich zu bleiben. „Was habe ich denn verbrochen?" Auch Jenny fand sein Auftreten seltsam, denn schliesslich hatten sie keine Gesetze gebrochen, soweit sie das als Polizistin wusste. Der Mann kam nah an Paul und sprach so leise wie möglich. Jenny presste sich enger an Paul und versuchte unbemerkt das Gespräch mitzubekommen. „Vielleicht haben Sie Interesse an höherem Poker?" Paul schaute den Mann ungläubig an und kratzte sich an seinem Hinterkopf. Jennys Augen weiteten sich, als sie sah, wie Paul leicht zu grinsen begann. „Das ist doch nicht sein Ernst?", dachte sie. Nach kurzer Überlegung war Paul bereit. Das roch nach einer tollen Herausforderung, so wie Paul gut pokern konnte, würde es ihm bei höheren Einsätzen mehr reizen. Der Mann deutete mit dem Kopf in eine Richtung und gab ihn zu verstehen, dass er ihn folgen sollte. Jenny versuchte, Paul noch von dem teuflischen Plan abzuhalten. „Ich liebe das Risiko!", zwinkerte Paul Jenny zu und diese verzog eine komische Grimasse. „Kannst du das nicht auf der Autobahn haben?" Während Paul sie verdutzt ansah, bereute Jenny den Satz schon. „Wieso Autobahn? Wie kommst du denn jetzt darauf?" „Ähm,...", verlegen suchte Jenny schnell nach einer Ausrede, denn Paul durfte noch nicht erfahren, dass Jenny bei der Autobahnpolizei tätig war und genau wusste, wie rasant ihre Kollegen über die Autobahnen bei Verfolgungsjagden waren. „Ja, weisst du, ...mit dem Auto...schneller als die Polizei erlaubt", man konnte Jenny am Gesichtsausdruck erkennen, wie nervös sie wurde und setzte ihr künstliches Lächeln auf. „Ach, das mit der Geschwindigkeit schaffe ich mit links", grinste Paul schief, fügte schnell bei, dass sie sich keine Sorgen um ihn machen solle, denn er habe das im Griff und berührte mit seinen Händen an Jennys Wangen. „Mache ich aber..." „Du machst dir Sorgen um mich?", Paul sah Jenny liebevoll an und versuchte ihr die Sorgen zu nehmen. „Ich passe schon auf mich auf." Mit dem Daumen strich er zaghaft an ihrer Wange und Jenny hob ihre Mundwickel leicht nach oben. Der Mann unterbrach erneut den zauberhaften Moment und blickte Paul fragend an, was denn jetzt mit dem Angebot sei. Jenny dachte:"Er würde sich mit Semir gut verstehen, so wie die beiden einig sind, was die Geschwindigkeit und das Risiko betrifft." Aber es war nur ein stiller Gedanke...    

California - The Endless SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt