No. 182

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Martin war voraus in die Küche gegangen. Das Klacksen seiner Pantoffeln war auf dem Flur zu hören und so bekam Jenny seine Frage nicht mit, ob sie eine Tasse Tee haben wollte. Erschrocken, was Jenny da vor sich sah, verursachte ihr ein trauriges Gefühl. Der Ehering war von dem Finger ab und fassungslos hielt sie den Ring in der anderen Hand. Dann hörte der Vater ein Schluchzen und sah Jenny an, die nun hemmungslos zu weinen anfing. „Was ist denn los?" „Es gibt kein Zurück mehr! Verstehst du, Papa?" Bitterlich weinte Jenny und ihr Vater streichelte ihr beruhigend auf den Rücken. „Was redest du denn da?" „Da, der Ring ist ab." Die Tochter hielt dem Vater den Ring dicht vor der Nase. „Weisst du noch, wie sehr ich mit dem Ring gekämpft habe, dass er von meinem Finger ab sollte. Nie hat es geklappt, bis eben. Das will was heissen...". „Jenny!" Martin rüttelte Jenny sanft an den Oberarmen und vertrieb die bösen Vorahnungen aus ihren Gedanken. „So ein Blödsinn!" Martin kutschierte seine Tochter in das Wohnzimmer, wo sie Platz auf der Couch nahm und sich die Decke schnappte. Jenny wickelte sich in die Decke ein und zog ihre Knie zu sich. Dabei starrte sie auf den Ring, der ihr in der schweren Zeit nicht vom Finger wich. „Soll ich dir einen Tee machen? Oder möchtest du was anderes?" „Cappuccino mit aufgelöstem Karamellbonbon", wisperte Jenny in träumerischen Gedanken an Paul, wie er sie immer mit ihrem Lieblingsgetränk versorgte, und Martin verstand nicht ganz. „Wie bitte?" Durch die erneute Frage wurde Jenny hellhörig, schaute ihren Vater kurz an und sagte:"Ja, Tee ist gut, ja." Bevor ihr Vater in die Küche ging, tat es ihm leid, wie seine Tochter unter dem Zustand litt und liess den Blick von ihr los. Aus der Küche hörte man das Wasser in dem Wasserkocher heiss köchelnd, Jenny steckte den Ring wieder an den Finger. Mit der dampfenden Tasse Pfefferminztee kam Martin zurück ins Wohnzimmer und überreichte sie ihr und sass neben Jenny. Mit beiden Händen umklammerte Jenny die Tasse und starrte den Dampf an."Was möchte der Anwalt? Wenn es um Geld geht, ich will nichts! Lieber bleibe ich unabhängig als Paul wie eine Weihnachtsgans auszunehmen", nachdem Jenny vorsichtig einen Schluck Tee genommen hatte, sprach sie leise weiter, „das hat Paul nicht verdient. Nicht nach allem!" Martin ging für einige Sekund in stillen Gedanken nach, Jenny war anders als seine Ex-Frau, im Gegensatz zu der Ex-Frau wollte Jenny keinen einzigen Cent von ihrem Mann haben. Auch Jenny hing ihre Gedanken nach. Paul hatte seine Firma Huchu eigenhändig aufgebaut. Sein Lebenswerk. Das wollte sie nicht kaputtmachen. Ausserdem kannte sie Paul zu dem besagten Zeitpunkt, wo er die Firma aufbaute, noch nicht und so wollte sie auch keinen Anspruch darauf. Langsam stieg in ihr Sorgen auf, ob sie das Kleingedruckte bei dem Scheidungsantrag übersehen hatte. Denn typischerweise kämpften die Scheidungsanwälte auf beiden Seiten um Sieg und Niederlage, bis es nicht mehr ging. Und einen Rosenkrieg wollte Jenny um keinen Preis! „Das hat der Anwalt mir nicht gesagt, er sagte, es sei wichtig und möchte mit dir über die Sache sprechen. Keine Ahnung, was für eine Sache." „Die Scheidung, was sonst?" „Jenny! Sieh nicht immer alles so negativ! Warte doch erstmal ab, was der Anwalt sagt. Soll ich ihn anrufen und sagen, dass du morgen vorbeikommst?" Jenny meinte, sie könnte morgen selbst dort anrufen und wollte die Sache nun hinter sich bringen. Wenn Paul auf die Scheidung beharrt, dann werde ich auch zustimmen. Jenny schien mit den Nerven am Ende zu sein. Was hatte sie alles in der letzte Zeit erlebt und in einem Moment wie ein Vulkan ausbrach. Sie hatte keine Kraft mehr zu kämpfen. „Du, Papa?" „Ja?" „Ich glaube, es ist das Beste, dass ich mich versetzen lasse und eine eigene Wohnung suche", sprach Jenny es direkt aus. „Aber warum das denn?", war Martin entsetzt über den Schritt seiner Tochter. „Was hält mich noch hier? Und ich weiss nicht, ob ich es schaffe, mit Paul freundschaftlich umzugehen? Oder wenn er von einer Frau abgeholt wird, oder...Das tut so weh...", wieder brach Jenny in Weinen aus. „Komm her!", drückte Martin Jenny an seine Seite. „Wie kommst du denn darauf, dass es um die Scheidung geht? Es könnte doch auch was anderes sein." „Papa, ich weiss, dass du es gut meinst. Aber ich muss den Tatsachen ins Auge sehen." „Kann ich dich alleine lassen? Ich habe morgen früh ein ganz wichtiges Meeting", dabei sah der Vater auf die Uhr, die auf der Kommode stand. Es war fast vier Uhr morgens. „Na klar, ich komme schon klar", meinte die Tochter und bekam von ihrem Vater einen Kuss an die Stirn gedrückt. „Versuche etwas zu schlafen. Und, ich bin mir sicher, für euch ist es noch nicht zu spät!" Mit einem warmen Lächeln drehte sich Martin um und begab sich auf den Weg zur Treppe und Jenny sah ihn hinterher. „Es ist noch nicht zu spät! Sicher? Ich weiss nicht...". Erschöpft von dem vielen Weinen, schlief Jenny auf der Couch ein.

Auf dem Revier fand an dem Morgen eine Teambesprechung statt. Zu Semirs Erstaunen nahm Jenny daran teil. Ihre Augen wirkten sehr müde, sie hatte noch versucht, mit einem leichten Make up die Augen zu kaschieren. „Alles in Ordnung, Jenny?", wollte Semir wissen. „Ich weiss nicht. Habe nachher einen Termin beim Anwalt. Ich denke mal, Paul hat der Scheidung zugestimmt." „Wie? Bist du dir sicher?" „Gerkhan!" Die Krüger unterbrach das Gespräch zwischen Semir und Jenny. „Ja?", blickte Semir zu der Krüger auf. „Erzählen Sie bitte, was Sie vorhaben bei dem speziellen Fall und Frau Dorn, bitte versuchen Sie sich zu konzentrieren!" Jenny nickte und ehe Semir aufstand, drückte er an Jennys Schulter und flüsterte ihr zu:"Ich muss dir nachher was erzählen. Aber warte bitte mit dem Anwalt!" Jenny sah ihn mit runzelnder Stirn an.

California - The Endless SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt