No. 137

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Charlotte ging einmal um das Bett herum und deckte den schlafenden Paul mit der Decke zu. Eine Weile sah sie Paul beim Schlafen zu. Ihr schlechtes Gewissen meldete sich. „Es tut mir leid, aber es musste sein", flüsterte Charlotte nah an Pauls Gesicht und gab ihm einen Kuss auf die Lippen. Zwar hatte Semir das gesehen, aber was Charlotte ihm zugeflüstert hatte, das konnte er nicht mithören. Er stand dafür zu weit weg an der Tür. „So hatte ich meinen Partner nicht eingeschätzt, dass er Jenny betrügen würde", ging es durch Semirs Gedanken. Als Charlotte auf die Tür zukommen wollte, reagierte Semir blitzschnell und verschwand unauffällig wie er gekommen war. An der Tür fiel Charlotte ein, dass sie etwas vergessen hatte und kehrte wieder um. „Ach, mein Handy!", seufzte Charlotte und fand diese auf dem Bett. In der Zeit war Semir zurück auf dem Flur im Erdgeschoss. Kurz sah er nach oben, als Charlotte gerade die Treppenstufen herunterkam. Charlotte ging vorbei an Semir in den Wohnbereich und Semir tat so, als ob er mal auf die Toilette müsste. Er ging näher an die Tür heran und hörte, dass jemand die Klospülung bestätigte und ein Schluchzen war zu hören. Jenny hatte sich auf der Toilette eingeschlossen, mit dem Rücken an die Tür gelehnt, sackte sie weinend zusammen auf den Boden. „Jenny?", flüsterte Semir so leise, denn er war sicher, dass es Jenny war. „Geh weg!", schrie Jenny und Semir klopfte leise an die Tür. Als Jenny zum wiederholten Male das Bild, was sich gerade oben in Charlottes Zimmer abspielte, vor sich sah, wurde es ihr schwer ums Herz. Tränen kullerten an ihrer Wange empor. Ihr Magen spielte verrückt. „Kann ich dir helfen?", fragte Semir und hörte nur noch, wie Jenny sich erneut wieder übergeben musste. Schnell stand sie auf und nahm aus der Leitung einen kräftigen Schluck Wasser, Semir rüttelte an der Türklinke. In dem Moment kam Alex vorbei. „Was ist los?", fragte Alex. Semir beachtete ihn gar nicht. „Jenny, mach bitte auf!", versuchte es Semir immer wieder. „Jenny ist da drin?", zeigte sich Alex überrascht. „Lass mich mal", meinte Alex und schob Semir zur Seite, „vielleicht habe ich Glück." „Wie du meinst", gab der Ältere nach. Mit beiden Händen stützte sich Jenny am Waschbecken ab und versuchte ihre Atmung wieder den Griff zu bekommen. Ihr Blick ins Spiegelbild liess Jenny kurz erschrecken, sie erkannte sich selbst nicht mehr. Es war nur ein Bild des Grauens, voller Verzweiflung und Leid. „Wie konnte ich mich nur in Paul täuschen?", fragte sich Jenny in den Spiegel. Ein Klopfen war zu hören. „Semir, lass mich bitte alleine!" „Ich bin es, Alex. Komm bitte da raus." Als sich nichts rührte, machte Alex einen neuen Anlauf. „Jenny, komm bitte heraus. Die Gäste möchten auch auf die Toilette." Jenny hatte sich den verwischten Make up wieder in Ordnung gebracht. Doch auf einmal wurde der Schlüssel im Schloss umgedreht, Alex öffnete die Tür von aussen und sah direkt in Jennys trauriges Gesicht. Sofort hatte Semir Mitleid mit seiner Kollegin, während Alex seine Chance kommen sah und sich um Jenny kümmerte. Er fragte nicht nach, sondern nahm sie einfach in die Armen, um ihr zu zeigen, dass sie nicht alleine war. In Alex Armen liess sich Jenny fallen, sie versuchte, ihre Tränen zurückzuhalten. „Irgendetwas stimmt da nicht!", war sich Semir sicher. Charlotte war unten und Paul immer noch oben. Eigentlich müsste Paul auch schon wieder zurück sein. „Ich werde der Spur nachgehen!" Alex schlug vor, heimzufahren, damit Jenny sich ausruhen konnte. „Ich richte Isolde aus, dass wir gehen, ok?" Mit einem Lächeln sah Alex Jenny an, die ihre Mundwickel unten hängen liess. Dankend nahm Jenny seinen Vorschlag an und drehte sich einmal suchend im Wohnbereich nach Paul um, konnte ihn aber nirgends finden. Dafür stand aber Charlotte an der Minibar und kippte einen Schnaps in sich hinein. „Was ist passiert, Jenny?", wollte Semir von ihr wissen, als Alex kurz weg war. „Paul ist ein verdammtes Arschloch!", gab Jenny bissig zur Antwort und wollte so schnell wie möglich raus hier. Alex fand Isolde Schrankmann, holte sie zu Jenny und sich und bedankte sich für die Einladung. Zum Abschied dankte die Schrankmann die beiden Gästen für das Kommen und die Geschenke. Isolde wünschte Alex alles Gute beim BKA. Während Isolde Alex und Jenny zur Tür begleitete, nahm sich Semir vor, nochmal nach oben in Charlottes Zimmer zu gehen und Paul gehörig den Kopf zu waschen. Mit schnellen Schritten war Semir oben am Ende der Treppe angekommen. Er öffnete die Tür zum Zimmer und sah einen schlafenden Paul im Bett. Im fiel ein, dass etwas unter das Bett gerollt war, eine kleine Flasche. Er bückte sich nach unten und hob die Flasche auf. Um keine Zeit zu verlieren, steckte er die Flasche in seine Tasche, stand auf und kam auf Paul zu. Er schlug an Pauls Wangen. „Komm, wach auf!" Immer wieder warf Semir einen Blick zur Tür, falls jemand hereinkam. Doch Paul reagierte sehr schwach. „Mann...", stöhnte Paul mit geschlossene Augen, „...ich...müde." Das war alles, was Paul rausbringen konnte. „Mist!", fluchte Semir, als er die Decke zurückwarf. Es war keine Zeit mehr, Paul anzuziehen und mit ihm aus dem Zimmer zu flüchten. Schweren Herzen liess Semir Paul zurück und deckte ihn wieder zu. Zurück auf dem kleinen Flur im Obergeschoss fiel sein Blick auf die zwei halbvollen Cocktailgläser. Seine Hand glitt in die Hosentasche und holte das Fläschchen hervor. Er sah es sich genauer an. „Scheisse! Wenn das K.O.-Tropfen waren? Was wird hier gespielt?", grübelte Semir und beschloss, Hartmut in die Sache einzuweihen. Im Auto sass Jenny gedankenverloren auf dem Beifahrersitz, während Alex steuerte. „Geht es dir besser?", fragte Alex. „Danke, es geht. Ich möchte nur noch ins Bett", klagte Jenny und Alex gab ordentlich Gas. „Ich kümmere mich um dich", freute sich Alex. „Bitte bring mich zu meinem Vater", bat Jenny und Alex Gesichtsmiene bekam einen Dämpfer...

California - The Endless SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt