No. 177

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Pauls Bauchgefühl signalisierte ihn zu verstehen, dass an der Aussage Charlotte irgendetwas nicht stimmte. „Ist das die Wahrheit?", stellte Paul ihr die Frage, was sie zustimmend nickte. „Dein letztes Wort?" Als Charlotte das hörte, traute sie sich nicht, Paul anzusehen. Sie konnte vor Scham im Erdboden versinken, oder noch besser, im See versinken. Charlotte kannte Paul noch von damals, als sie Teenager waren. Gemeinsam teilten sie die Liebe für das Meer und die Leidenschaft fürs Surfen. Er war ihre erste grosse Liebe. Mit der Zeit merkten die beiden, dass sie nicht zueinander passten. Zu gross waren ihre unterschiedlichen Lebensvorstellungen. Es war eine schöne Zeit damals und als sie in Freundschaft auseinander gingen, hatten die beiden nie ein böses Wort gegenüber dem anderen verloren. Charlotte merkte, wie die Schlinge um ihren Hals immer mehr zuschnürte und sie kaum Luft bekam. „Das hat Paul nicht verdient! Aber ich kann nicht. Ich schäme mich!", waren Summers Gedanken. Er gab ihr Zeit, sich ihm anzuvertrauen. „Summer, bedrückt dich irgendwas?" Sanft legte Paul seine Hände an Charlottes Schulter und hob ihr Kinn hoch, so dass sie Paul in die Augen sah. „Wie kommst du denn darauf?", lächelte Summer leicht gequält. „Ich kenne dich schon zu gut. Darf ich dir einen Rat geben?" Charlotte zuckte nur mit den Schultern und drehte ihren Kopf zur Seite. Sie seufzte tief ein- und aus, ihre Blicke waren wieder auf den See gerichtet. „Ich kann verstehen, dass du dir eine Schutzmauer aufgebaut hast, um nicht verletzt zu werden. Aber vertraue dir jemanden an, egal wem. Auch mir. Vielleicht kann ich dir helfen. Nur Lügen finde ich scheisse!" Nun kannte Charlottes Tränen kein Halten mehr. Sie brach daraufhin in ein heftiges Schluchzen aus und lehnte sich an Pauls Schulter. Paul tröstete sie, indem er ihr am Rücken streichelte. Er hatte Recht gehabt, was seine Vermutung anging. Dennoch wollte er, dass Charlotte von selbst entscheidet, wann sie bereit wäre, ihm anzuvertrauen. Nach einer Weile hatte Charlotte sich wieder beruhigt und sah Paul dankbar an, dass dieser nicht weiter nachbohrte. Sie wischte sich die Tränen mit den Händen ab. „Lass dir Zeit, aber warte nicht zu lange damit!", gab er ihr noch zu verstehen. Die Sonne verschwand zwischen den Bäumen, es wurde langsam dunkel im Wald. „Komm, gehen wir nach Hause. Ich habe Durst!" Paul legte seinen Arm um Charlottes Schulter. „Paul ist so ein verständnisvoller Mann. So eine Freundin wie mich hat er gar nicht verdient. Es wird Zeit, dass ich mich ihm anvertraue. Egal, was für Auswirkungen das mit Alex haben wird!", dachte sich Charlotte dabei, als sie in Pauls Armen Geborgenheit spürte. Nach einigen Schritten löste sich Charlotte von ihm und rief:"Wer zuerst zuhause ist!" Und rannte los. „Hey! Das ist unfair!" Paul rannte ebenfalls los und versuchte, Charlotte einzuholen.

Andrea hatte für den nächsten Tag einen Waschtag eingeplant. So konnte sie ihre freien Tage in der Woche mit ihrer Arbeit verbinden. Sie sortierte alle Klamotten nach Farben und Gradwäsche aus. Als sie aus der Waschküche, das im Keller befand, kam. Auf dem Flur traf sie auf ihren Mann, der gerade zur Haustür hereinkam. „Hi, mein Schatz!", grüsste Andrea Semir und gab ihm einen langen Kuss. „Mein Herz", hauchte Semir in den Küssen, „wie sehr habe ich mich heute danach gesehnt!" „Heb dir das für später auf, die Nacht ist noch jung", lächelte Andrea, als sie sich von ihm losliess und in die Küche ging. Sie wärmte das Essen für ihren Mann auf und mit zwei Gläser Rotwein liessen sie den Abend ausklingen. „Und wie war es auf der Arbeit?", wollte Andrea wissen, als Semir den leeren Teller von sich schob. „Och, gut. Bartels machte seine Arbeit gut, aber Zeit wird es, dass Paul zurückkommt!" Dann erzählte Andrea noch was von ihrer Arbeit als ihr Blick über Semirs Schulter in den Flur schielte. „Sag mal, deine Jacke müsste mal gewaschen werden. So viel Staub und Schmutz." „Ja, wir hatten heute einen Einsatz gehabt. Nichts Schlimmes!", beruhigte Semir Andrea. „Dann stecke ich sie jetzt in die Waschmaschine und mit Glück kannst du sie morgen wieder tragen", schlug sie vor. Andrea ging in den Flur und leerte den Inhalt der Jackentasche. „Was ist das denn?" Andrea legte ihre Handfläche offen, auf dem sich ein kleines Fläschchen befand. „Ach, das habe ich total vergessen!" Er nahm das Fläschchen und erzählte Andrea die Geschichte, nachdem sie die Maschine eingeschaltet hatte. Sie hörte bestürzt zu und bestand darauf, dass Paul die Wahrheit umgehend wissen sollte. „Mach ich morgen!", sagte Semir und verführte Andrea mit seinen Küssen am Hals entlang bis zur Dekolleté. Eine berauschende Nacht bestand hervor.

Derweil war Jenny wieder in Deutschland und wurde von ihrem Vater am Flughafen abgeholt. Zwar zuhause bei Martin Dorn angekommen, hatte sie noch ein wichtiges Anliegen vor und ihr Vater liess sie ungern gehen.

Keuchend trafen Charlotte und Paul in der Küche von Lisa an. Kichernd tasteten die beiden in der Dunkelheit nach dem Griff des Kühlschrankes. „Psst, nicht so laut! Lisa und Emilia schlafen!", mahnte Paul Charlotte mit dem Zeigefinger an den Lippen zur Ruhe. Aus dem Kühlschrank, das von innen erhellte, holte Paul eine Flasche Mineralwasser heraus. Mit der Flasche machten sie sich im Dunkeln auf dem Weg ins Wohnzimmer und kicherten. „Arrg", stiess Paul auf. „Psst!", machte Charlotte. Er war gegen was Hartes gestossen, als auf einmal die Stehlampe anging und beide mit ihren Augen blinzelten. Die Helligkeit überraschte die beiden, und als sie sahen, wer es war, verschlug es denen die Sprache.

California - The Endless SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt