No. 126

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Der Abend war für Jenny teilweise besser verlaufen, als den restlichen Tag. Es tat ihr mal wieder gut, mit Susanne zu reden, was ihr belastete. Die gute Seele der Autobahnpolizei hatte stets immer ein offenes Ohr und guten Rat parat. „Ohne Beweise wird es schwierig", meinte Susanne auf die Geschichte mit dem Brief und den Schlüssel, fügte aber bei:"So wie sich Paul anhört, würde er dir alles beweisen, um von seiner Unschuld zu überzeugen. Er liebt dich wirklich!" „Ich ihn doch auch", klagte Jenny. „Du vermisst ihn?", lächelte Susanne. „Ja, sehr. Ich habe mich gefreut, als ich ihn hier wiedergesehen habe, dass es ihm gut geht und nichts passiert war. Aber was sollte das dann mit dem Brief?" Unter anderem bestärkte sie Jenny im Selbstbewusstsein, sie solle endlich die Aussprache mit Paul suchen. „Hör auf dein Herz! Nur das sagt die Wahrheit und betrügt dich nicht." Susanne nahm Jennys Hände in die ihre und verschränkte sie. „Komm, Kopf hoch! Das wird wieder." „Meinst du?" „Klar, das ist doch nicht zu übersehen, wie sehr ihr euch liebt!" Zum Abschluss gab es noch eine Runde Sekt. „Dann ist aber Schluss!", beharrte Jenny darauf. „Morgen Abend können wir die nächste Runde trinken. Das Gute daran ist, wir haben genügend Auswahl an Cocktails", lachte Susanne. „Wie, morgen?" „Ja, die Schranke feiert doch ihren Geburtstag. Sag nicht, du hast das vergessen?" „Doch, ich habe gar nicht daran gedacht", stöhnte Jenny, „ich habe kein Bock darauf. Ausserdem ist Alex dabei." Jenny dachte daran, dass womöglich auch Charlotte mit dabei war. Charlotte und Alex zu sehen, das war ihr schon zu viel. „Lass dich doch nicht von ihm runterziehen! Ich bin ja auch noch da und Andrea und...", zählte Susanne an den Finger auf. Vorsichtig hakte sie nach, ob Paul auch kam. „Das weiss ich nicht. Ich weiss genau, dass die Schranke die Einladungen schon verteilt hatte, da war Alex noch Semirs Partner." Jenny leerte das Sektglas. „Gut, dann komme ich auch. Und wehe, es gibt keine gute Stimmung." „Dafür sorge ich schon. Komm, lass uns jetzt gehen, morgen ist auch noch ein Tag", war Susanne bereits aufgestanden und zahlte alles. „Danke! Das nächste Mal revanchiere ich mich", sprach Jenny und fühlte sich ein wenig besser. An dem Abend ging Jenny mit einem Lächeln nach Hause, ein wenig Hoffnung lag in der Dunkelheit. Ihr Vater freute sich, dass Jenny bis auf Weiteres wieder bei ihm unterm Dach wohnte.

Nachdem Semir Pauls Baustelle angesehen hatte, die ihm gut gefiel, suchten die beiden Männer einen Platz im Erdgeschoss auf den Baumaterialien und redeten über Klaus und Jenny. „Ich finde, du solltest es deiner Frau sagen", meinte Semir. „Ich habe Jenny meiner Familie noch nicht vorgestellt", gab Paul zu und Semir verschluckte sich fast am Bier. „Guck mich nicht so an, Partner", meinte Paul bezüglich Semirs Gesichtsausdruck, „das wollte ich noch machen. Aber momentan weisst du doch selbst, wie Jenny auf mich zu sprechen ist." „Es wird höchste Zeit, dass ihr mal aussprecht. So geht das nicht weiter!" „Jaja, das weiss ich selbst", jammerte Paul, „was meinst du, was ich den ganzen Tag mache? Jenny weicht mir aus, dabei will ich nur mit ihr reden und dieses verdammtes Missverständnis klären." „Man sollte euch wirklich in einen Raum wie hier zum Beispiel einschliessen", witzelte Semir, der mit dem ausgestreckten Arm auf den grossen Wohnbereich deutete. „Auch das weiss Jenny nicht", murmelte Paul, doch Semir verstand ihn schon. „Wie? Was ist das denn für eine Kommunikation zwischen euch beiden?" Da hatte Semir in dem Fall Recht, was Paul nachdenklich machte. „Das Haus habe ich auch wegen Jenny bauen lassen, falls sie nicht in Amerika wohlfühlen sollte. Ja, Partner, ich hatte mir das auch anders vorgestellt!" Semir stand neben Paul und legte ihm tröstend eine Hand auf die Schulter. „Dann unternimm was!" „Das sagt sich so leicht", meinte Paul. „Nicht jammern, sondern endlich aktiv werden!" Man hörte Lisas Ruf durch das Erdgeschoss. „Da seid ihr", sagte Lisa, „der BMW ist wieder in Ordnung." Semir war verblüfft, wie schnell eine Frau den Fehler behoben hatte. „Ja, das war nur ein Kabel lose, das hatte Geräusche verursacht", lachte Lisa, die ihre Hände in die Tasche des Overalls steckte. „Oh, danke! Was bekommst du dafür?", zückte Semir seinen Geldbeutel heraus. „Lass mal stecken", meinte Lisa, „als Neukunde gratis." „Das kann ich nicht annehmen", hatte Semir ein schlechtes Gewissen. „Bitte!", bat Lisa noch mal und Semir gab nach. „Danke!", wiederholte er nochmals und eine Weile unterhielten sich die Drei auf der Baustelle noch, bis es fast Mitternacht wurde. „Oh, so spät", schaute Semir auf die Armbanduhr, „ich wollte noch mit Andrea einen Wein trinken. Ich fürchte, daraus wird nichts mehr." „Dann überrasche sie mit einer schönen Nacht. Ist auch gut für deinen Rücken", lachte Paul, „du weisst schon, was ich meine." „Haha!", verabschiedete sich Semir von den Geschwistern und fuhr zufrieden mit dem BMW vom Hof.

Schnell begab sich Paul unter die Dusche, lag kurz darauf mit einem Boxershort bekleidet im Bett und holte seinen Smartphone hervor. Im Hintergrund zeigte sich ein Bild von Jenny und Paul, die sich in Kalifornien noch glücklich zeigten. Paul fiel ein, dass die Nachricht von Charlotte noch nicht gelesen war und öffnete diese. Mit der einen Hand durchfuhr er seine feuchten Haare und seufzte. Er hatte wirklich keinen Bock auf eine Party, schon gar nicht bei einer Person, die er nicht so gut kannte. Semirs Worte hallten durch Pauls Gedanken, was ihm nachdenklich machte. Einen Blick auf den Wecker zeigte die Uhrzeit weit nach Mitternacht. Auf dem Display des Handys scrollte Paul nach Jennys Nummer, zögerte einen Moment und drückte doch auf die Anruftaste. Mit Herzklopfen stand er wieder aus dem Bett auf...

California - The Endless SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt