No. 157

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Zum wiederholten Male klingelte das Handy. Jenny ignorierte es, als sie Lisas Frage hörte. „Willst du nicht rangehen?" Jenny zischte hörbar Luft aus. „Das Arschloch?" „Ja." Beide Frauen kicherten kurz und Jenny griff nach dem Smartphone. „Alex, was willst du denn noch?" Jennys nervende Stimme war bei Alex nicht zu überhören, dennoch bat er sie um ein Gespräch. „Ich würde dir gerne erklären, warum ich so gehandelt habe." „Kein Bedarf! Und lass mich bitte in Ruhe!" Stille. „Jenny, bitte leg nicht auf!" „Was?" „Es tut mir leid", versuchte es Alex noch mal, „können wir bitte..." Da drückte Jenny das Gespräch weg. „Oh...", stiess Lisa Luft aus, „der ist aber hartnäckig!" „So, jetzt habe ich meine Ruhe!" Jenny schaltete ihr Smartphone komplett aus. „Für heute bin ich nicht mehr erreichbar!" Die beiden Frauen kamen noch mal auf das Gespräch über den Verkauf des Strandhauses. „Mit dem Verkauf des Hauses möchte Paul unserem Vater ein gutes Pflegeheim zahlen können." Zwar war Jenny gerührt, wie ernsthaft Paul das Problem in seiner Familie anging und nach einer Lösung suchte, aber andererseits, war es die richtige Entscheidung, ausgerechnet das Strandhaus zu verkaufen? Zu selbst wusste Jenny ganz genau, wie glücklich Paul in Kalifornien war. Direkte Lage am Meer und er konnte jederzeit mit dem Surfbrett ins Wasser stürzen. „Gibt es keine andere Möglichkeit?", wollte Jenny wissen, als Lisa verneinte. „Paul hat doch Geld beim Kasino in Las Vegas gewonnen, was ist denn damit?" Jenny drehte sich um und sah Lisa an. Ihr Lächeln, welches kurz erschien, wurde daraufhin wieder traurig. „Das steckt in der Baustelle. Euer Zuhause." „Ach, stimmt", sagte Jenny und sah dabei den Schlüsselbund an, „Home Sweet Home." Mit allem hatte sie gar nicht gerechnet, sogar inklusive die Überraschung, ein gemeinsames Zuhause zu bauen. Hatte sie Paul schlecht gekannt? Sie hatten einen Deal geschlossen. Keine Details aus dem Privatleben. Das war wohl ein dummer Pakt mit dem Teufel. Was war daraus entstanden? Nur Missverständnisse und Streit. „Krass, wir ihr das geschafft habt mit dem Kasino", lachte Lisa. Für den kurzen Moment vergass Jenny die Probleme um sich herum und schwelgte zurück in die Zeit, die sie in Las Vegas mit Paul erlebt hatte. „Ich war einfach nur happy!" „Das war Paul auch, als er mir davon erzählt hatte. Mein Bruder hat sich verändert. Du bist diejenige, die ihn glücklich macht. Er hat mir soviel von dir geschwärmt. Ich dachte, meine Ohren fallen ab." „Echt? So schlimm?" „Oh, ja!" Kurzes Gelächter. Lisa nahm Jenny in die Umarmung. „Ich bin wirklich froh, dass Paul dich gefunden hat." Über diese Worte war Jenny Lisa dankbar. „Paul hatte Recht gehabt. Er meinte, wir würden uns gut verstehen." „Soso, mein Bruder hatte das vorausgesagt?" Erneutes Gelächter. Auch wenn Jenny sich Lisa langsam anvertraute, wollte sie Lisa nichts von der Scheidung erzählen. Für Jenny stand fest, dass sie übertrieben reagierte und die Sache erst mit Paul klären wollte. Nachdenklich legte Jenny eine Hand auf den Bauch. „Er wäre ein toller Daddy gewesen." Lisa verstand, was Jenny mit dem Satz meinte, als sie an Jenny herab sah. „Süsse, das tut mir wirklich leid." Diesmal umarmte Lisa Jenny fester. „Es musste in der Hochzeitsnacht passiert sein", rechnete Jenny nach. „Ich wünschte, ich könnte die Zeit zurückdrehen", blickte Jenny gegen Himmel und hoffte auf ein Wunder, was leider nicht geschah. „Sollen wir jetzt mal zu Paul gehen?" Der Wind wurde draussen kühler und Lisa fröstelte leicht. Sie wärmte sich mit den Händen an ihren Oberarmen, stand auf und zog Jenny von der Parkbank hoch. „Mir ist kalt, komm!" Zusammen gingen sie ins Krankenhaus.

Im Hause Gerkhan herrschte an dem Abend eine ausgelassene Stimmung am Familientisch. Das Abendessen wurde serviert, Ayda und Lilly stürzten sich auf die Spaghetti Bolognese. Andrea gesellte sich gerade zu der Familie. „Du hast aber gute Laune heute", stellte sie fest, als sie ihren Mann einen Kuss auf den Mund gab. „Wieso?", runzelte Semir die Stirn und überreichte Lilly die Schüssel mit dem Bolognesen. „Du kochst Spaghetti Bolognese nur, wenn du gute Laune hast", lächelte Andrea, als sie die Serviette vom Teller nahm und auf dem Schoss ausbreitete. „Oh ja", piepste Semirs Stimme, „Paul wird auf ein normales Zimmer verlegt und soll in Kürze aus dem Koma geholt werden." „Das ist eine gute Nachricht", freute sich Andrea mit ihrem Mann. Während Ayda die Spaghetti von der Gabel schlürfte, die Tomatensauce kleine Spritzer auf den Tisch verteilte, hatte Lilly eine brennende Frage. „Papa, was ist ein Koma?" „Pass auf, Lilly, ich erkläre es dir...", begann Semir.

Auf dem Weg zu Paul hatte sich Jenny einen Becher heissen Tee aus dem Automaten geholt. Vorsichtig balancierte sie mit dem Becher bis zu dem Zimmer, in dem ihr Mann lag. Lisa hatte einen Anruf bekommen und musste dringend nach Hause. Jenny versicherte ihr, dass sie es schon alleine schaffe. Ein wenig mulmig war Jenny schon dabei, überspielte dies aber vor Lisa. Auf dem Gang traf sie den behandelten Arzt, Dr. Brentano. „Hallo, gibt es was Neues von meinem Mann?" „Hallo, der Zustand Ihres Mannes ist soweit stabil. Die Schwellung am Gehirn ist zurückgegangen und wir haben ihn aus dem Koma geholt. Es dauert noch eine Weile, bis er wach wird." Der Doktor bemerkte Jennys enttäuschenden Gesichtsausdruck. „Reden Sie mit ihm, seien Sie für ihn da. Wir sind zuversichtlich, dass er bald aufwachen wird." „Danke", fügte Jenny noch schnell bei, ehe der Doktor auf den Fahrstuhl zuging. Als Jenny die Türklinke zu Pauls Zimmer öffnete, bekam sie bei dem Anblick einen Schock. Der Becher Tee wäre ihr fast aus der Hand gerutscht. Gerade griff die junge Frau nach Pauls Hand, zog sie aber schnell wieder zurück, als Jennys Stimme ertönte. „Fass meinen Mann nicht an!"

California - The Endless SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt