No. 92

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Die eine Hand mit dem Brief festhaltend und die andere freie Hand im Sand vergruben, weinte Jenny bitterlich aus der Seele. Weit und breit war keine Menschenseele zu sehen, denn sie hatte weit vom Strand fernab eine verlassene Stelle gefunden. Sie fühlte sich ausgenutzt, wie naiv sie war, sich auf Paul einzulassen! Aber andererseits hatte Jenny einen sehr schönen Sommer erlebt, sie war nicht sie selbst wie die andere Jenny, die Perfektionistin, in Deutschland. Langsam richtete sich Jenny auf, ihr weinendes Gesicht wurde von den Sonnenstrahlen getrocknet, ihr Blick schweifte auf das schimmernde Meer und später auf den Brief, der immer noch in ihrer Hand gehalten wurde. Sie atmete schwer und stopfte den Brief in die hintere Hosentasche, dabei hing der Ring an ihrem Finger fest in der Hosentasche. Sie versuchte ihren Finger zu befreien, was ihr auch gelang und starrte den Ehering an. Die Erinnerungen kamen sofort hoch, mit schnellem Herzklopfen machte sie sich an den Ring zu schaffen. „Weg damit! So schnell wie möglich! Am besten ins Meer", dachte Jenny und zerrte daran, doch der Ring wollte sich nicht losreissen. Ein kleiner Klingelton war zu hören, ruckartig drehte sich Jenny um und sah hinter ihr ein verlorener Strand. Ach ja, sie war ja alleine hier, die Touristen waren auf der andere Strandseite. Der Klingelton eines Handys war immer noch zu hören. Jenny realisierte, dass es ihr Handy war und griff in die vordere Hosentasche. „Ja?", sagte sie knapp und gebunden ohne auf das Display zu sehen, wer sie anrief.

Heute war Samstag, Semir stand auf der Terrasse seines Hauses und genoss die morgendliche Ruhe im Garten. Der Garten war sehr gross, viele Büsche und einigen Pflanzen ragten sich in der warmen Sonnenstrahlen. Andrea brachte ihrem Mann eine Tasse Kaffee und stand neben ihm auf der Terrasse. „Danke, mein Schatz!" Semir nahm ihr die Tasse ab, trank vorsichtig einen Schluck daraus. „So früh am Morgen schon Parfüm?" Andrea stellte sich vor Semir, der den Duft roch und zeigte ihm, wie schön sie gestylt war. „Und, wie sehe ich aus?", fragte sie voller Neugier. „Sehr schön, wie eine Rose", schwärmte Semir von Andrea, „wo willst du so früh hin? Habe ich was vergessen?" „Nein, alles gut!", lächelte Andrea und gab ihrem Mann einen Kuss auf die Lippen, „ich bin mit Susanne verabredet, wir wollen nach Aachen fahren. Shoppen und am späten Nachmittag haben wir unser Klassentreffen der Autobahnpolizei." „Äh, davon weiss ich gar nichts", meinte Semir und guckte Andrea fragend an. „Ich habe dir vor einigen Wochen erzählt, dass Susanne das Klassentreffen der Azubis organisiert hatte." „Ah, jetzt weiss ich es wieder, du hattest ja damals mit Susanne die Ausbildung bei der Autobahnpolizei in Aachen gemacht und später trennten sich eure Wege bis ihr euch hier in Köln wiedergefunden habt." „Bravo!", klatschte Andrea. „Ich wollte dir gestern Morgen am Frühstückstisch erzählen, dass Susanne und ich spontan entschieden haben, vor dem Klassentreffen shoppen zu gehen. Aber du wolltest unbedingt deine 'herrliche Ruhe' beim Kaffee trinken haben." „Ja,...", verlegen spielte Semir an dem Henkel der Kaffeetasse. „Was musste Lilly auch so einen Krach am Schlagzeug machen?" Da kamen Ayda und Lilly in den Garten. „Papa, das ist kein Krach! Das ist Musik!", beschwerte sich Ayda wieder und Semir seufzte kurz mit gedrehten Augen. Da klingelte es, Lilly rannte zur Haustür und liess Susanne herein. Sie hatte Friedrich mitgebracht. „Oh, den möchtest du mitnehmen?", fragte Andrea ihre Freundin. „Eigentlich wollte Hartmut auf ihn aufpassen, aber ihm geht es nicht gut. Ich dachte, vielleicht könnte...", verlegen spielte Susanne mit ihren Lippen, „...Semir auf ihn aufpassen?" Andrea begann zu kichern, „warum nicht?", auch Ayda musste schmunzeln. Semir räusperte sich erstaunt, denn er wurde einfach überrumpelt. Andrea nahm Friedrich aus der Umarmung von Susanne und trug ihn zu Semir. Die Tasse in Semirs Hand gab er Ayda , so dass seine Hände für Friedrich frei waren. Schon fühlte sich der Kleine wohl in Semirs Armen. „Na, was machen wir denn Schönes heute?" Semir sah Susannes Sohn fragend an und dieser lachte nur. „Auto." „Er meint, mit dem Auto spielen", half Susanne Semir und holte die grosse Tasche mit den Spielzeugen heraus, die sie mitgebracht hatte. „Da weiss ich was Besseres!", lächelte Semir. Alle Augen der Frauen waren auf ihn gerichtet. Was er wohl vorhatte? „Na, mit ihm auf dem Rasenmäher fahren. Der Rasen muss geschnitten werden!" Ein Gelächter brach im Garten heraus.

Alex Stimme drang in Jennys Ohr, als sie ans Handy ging. „Sweety, alles gut? Wo bleibst du solange?" Kurz schloss Jenny ihre Augen, sortierte sich in ihren Gedanken und hatte ihre Augen wieder auf das Meer gerichtet. „Ich komme gleich, ok?" „Hm, alles ok?", hörte sie wieder die Frage von Alex. „Tja,...ich weiss nicht...", Jenny atmete ein und aus, „...Paula ist wie vom Erdboden verschluckt. Wann geht der Flug nach Hause?" „Das ist aber schade, dass du deine Freundin nicht finden konntest", Alex triumphierte innerlich mit einem breiten Grinsen, was Jenny natürlich nicht durch das Handy sehen konnte. „Am späten Nachmittag geht der Flieger ohne umsteigen nach Deutschland, ansonsten erst morgen früh", sagte Alex, als er kurz in die Papiere sah, die Kimberley ihm mit den verschiedenen Rückflügen ausgedruckt hatte. „Nee, am besten heute noch. Kannst du dich darum kümmern? Ich mache mich jetzt auf dem Rückweg", verabschiedete sich Jenny und drückte das Gespräch weg. „Ist mir recht!", sagte Alex zu sich selbst und hatte nicht erwartet, dass sein Plan tatsächlich funktionierte. Er ging vom Salon an die Rezeption und buchte die Rückflüge. Hauptsache, seine Jenny sah den blonden Typen nie wieder oder irrte sich Alex doch...?


Meine treue Leser/innen und stillen Lesern,

ich wünsche Euch eine besinnliche Weihnachtszeit und eine schöne Bescherung heute Abend. Meine Bescherung an Euch sind die nächsten Kapitels, die morgen und übermorgen kommen. 

Ho ho ho und liebe Weihnachtsgrüsse, Eure Biki...   

California - The Endless SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt