No. 146

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„Dann wollen wir mal schauen, ob auch wirklich alles in Ordnung ist", sagte Dr. Sellmann. Sie bat Jenny, den Bauch freizumachen und verteilte Gel darauf. Mit dem Schallkopf durchführte die Ärztin eine erneute Untersuchung, um auf Nummer sicher zu sein. Immer noch irritiert von der Frage der Ärztin, versuchte Jenny es auszusprechen, was ihr mühsam gelang. „Wollen Sie damit sagen, dass ich schwanger bin?" Selbst wenn, dann hätte sie es doch gemerkt? Oder nicht? In der letzten Zeit hatte sie andere Probleme beschäftigt. Ob es ihr zwischendurch mal richtig schlecht war? Keine Ahnung, darauf hatte ich nicht so geachtet, nur bis auf gestern. Das war aber wegen dem Bild, wie Paul mit Charlotte es wild im Bett trieb. „Sie wussten das nicht mal?", staunte die Ärztin und Jenny verneinte. Also stimmte es! Jenny fühlte eine Ohnmacht, in der sie aber nicht fiel. Irgendwie konnte sie es nicht so recht glauben. Die Freude kam schwer in ihr hoch. Die Schwester kam wieder in den Behandlungsraum zurück. „Ich habe nachgefragt, und kann Ihnen nur sagen, dass Ihr Mann sich immer noch im OP befindet. Mehr weiss ich auch nicht." Jennys Blicke wurden traurig. „Immer noch im OP? Oh Gott! Hoffentlich ist es nichts Schlimmes", betete Jenny und sah dabei die Schwester hilfesuchend an, diese jedoch zuckte nur mit den Schultern. Dann wand sie der Ärztin wieder zu und hörte ihr zu, was sie diktierte. Die Schwester tippte alles in die Krankenakte im Computer ein. Aber der Mimik der Ärztin nach zu urteilen, bemerkte Jenny, dass Dr. Sellmann einen besorgniserregenden Gesichtsausdruck hinterliess. Sie brach die Untersuchungen ab, zückte ein paar lose Papiertücher aus einer Packung heraus und wischte damit das verbleibende Gel von Jennys Bauch ab. „Rufen Sie bitte in der Gynäkologie an, ob sie jetzt noch eine Patientin aufnehmen können? Alles weitere danach", sprach die Ärztin zur Schwester und diese nickte, machte sich mit einem Anruf auf der Station für Gynäkologie zu schaffen. „Ist alles in Ordnung?", fragte Jenny mit zittriger Stimme. Dr. Sellmann nahm ihre Hand und hielt sie fest. „Es tut mir leid, den Unfall hat der Embryo nicht überlebt. In diesem Fall müsste eine Ausschabung durchgeführt werden. Ich würde Sie jetzt in die Gynäkologie-Abteilung verlegen und dort alles Weitere besprechen lassen." Während die Ärztin weiter sprach, sammelte sich in Jennys Augen Tränen. Sie nahm die Worte der Ärztin nicht mehr weiter wahr und kurz darauf liefen Tränen an ihren Wangen empor. Das, was Jenny noch verstand, waren die Worte „Es tut mir leid für Ihren Mann und Sie." Bevor Dr. Sellmann aufstand, drückte sie Jennys Hand noch mal liebevoll fest. Sie liess Jenny kurz alleine, die erstmal die schockierende Nachricht durchsacken liess. Mit der Schwester regelte sie den weiteren Verlauf und so brachten die beiden Jenny in einem Rollstuhl in die Gynäkologie. Auf dem Weg dorthin durchkreuzten ihr immer noch die Worte der Ärztin und sie empfand nur noch eine Traurigkeit. „Was wäre, wenn der Unfall nicht geschehen wäre? Wie hätte es sich angefühlt, mit der Zeit eine Babykugel zu haben? Wäre ich eine gute Mutter? Und vor allem, wie hätte Paul darauf reagiert? Mochte er Kinder? Konnte Paul mit einer Windel umgehen? Würde das Kind nach ihm oder der Mutter kommen?" All diese Fragen blieben unbeantwortet...

Es war spätabends, nachdem der Arzt in schwitzender, blauer OP-Kleidung durch die Glastür kam und den Flur betrat. Und auf die Familie zukam. Die Eltern sprangen von den Stühlen auf, Emilia war auf dem Stuhl eingeschlafen. Mühsam öffnete sie die Augen und stellte sich neben ihrer Mutter. Semir und die Krüger standen etwas abseits der Familie. Der Arzt teilte kurz mit, dass Pauls Zustand zwar stabil, aber er noch nicht über dem Berg war. Man habe ihn vorsichtshalber in ein künstliches Koma verlegt, damit sein Gehirn sich von der schweren Operation erholen konnte. Paul war auf die Intensiv verlegt worden. Benommen nickten die Krüger und Semir, während Helga den Arzt fassungslos anstarrte. „Wird Paul sterben?", brachte die Mutter gerade noch heraus, bevor sie zu schluchzen anfing. Lisa hielt sie in ihrer Umarmung fest und flüsterte ihr ins Ohr:"Nein, er wird es schaffen, da bin ich mir sicher!" Klaus gesellte sich zu seiner Frau. Der Arzt sprach zu den Eltern:"Das wird sich in den nächsten Stunden entscheiden. Jetzt können Sie nichts für Ihren Sohn tun, er wird sehr lange schlafen und dann werden wir weitere Untersuchungen vornehmen." „Danke!", sagte Lisa noch schnell und der Arzt drehte sich um und ging wieder auf die Intensivstation. „Mama, du hast den Arzt gehört. Gehirnverletzungen müsse man sehr ernst nehmen. Komm, lass uns nach Hause gehen." „Wie konnte der Unfall überhaupt passieren?", fragte Helga Frau Krüger. Diese sah hilfesuchend Semir an. Sollte sie von dem Streit erzählen? Semir räusperte sich kurz. „Ähm, das wissen wir noch nicht so genau." „Aber Paul ist eigentlich ein guter Autofahrer", meinte Klaus. „War er alleine im Auto?", wollte Helga noch wissen. „Ich gehe mal davon aus, dass es sich um einen Dienstunfall handelt." „Eine Kollegin war mit im Wagen, sie befindet sich auch hier im Krankenhaus", beantwortete Semir die Frage. Die Krüger verabschiedete sich von den Renners und bat Semir, sie auf dem Laufenden zu halten und ging voraus. Semir begleitete die Renners zum Ausgang und auf dem Weg dorthin zum Fahrstuhl kam ihnen ein Bett entlang gerollt von zwei Schwestern, die ebenfalls in den Aufzug wollten. Semir erkannte Jenny und rannte auf sie zu. „Jenny? Wie geht es dir?" Jenny schien ihn nicht zu hören. Einer der Schwester sagte, dass sie gerade aus dem OP kommt. Lisa wurde hellhörig, als Semir Jennys Namen rief. „Ist das die Kollegin, die mit im Auto sass?", zeigte Lisa auf die schlafende Frau, „ist das Pauls Frau?" 

California - The Endless SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt