No. 186

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Susanne kümmerte sich um Jenny und fragte sie, ob sie ihr was zu Trinken bringen konnte. „Ein Glas Wasser wäre nicht schlecht", schniefte Jenny und Susanne flitzte in die kleine Küche. „So, jetzt rufe ich Paul mal an und sehe zu, dass ihr beiden euch zusammensetzt und den Mund aufbekommt!", meinte Semir, als er nach dem Handy griff und Pauls Nummer heraussuchte. Dabei tigerte er mit dem Handy am Ohr festhaltend durch die Halle. „Man Semir, du machst mich nervös!", sagte Jenny. „Wieso geht er nicht ans Handy, wenn man ihn braucht?" Susanne kam mit dem Glas Wasser zurück, reichte es Jenny und beruhigte die beiden. „Kommen wir alle mal runter! Aufregung bringt nichts!" Semir sah Susanne wortlos an und Jenny nippte am Glas.

Stattdessen nutzte Paul die Zeit zuhause in seinem neuen Eigenheim und baute im Ankleidezimmer die weisse, hochglänzende Schränke und Kommoden von IKEA auf. Es wurde langsam Zeit, die Klamotten in die Schränke einzuräumen. Dieses Chaos mit der Wäsche im Badezimmer oder im Schlafzimmer war nicht länger zuzumuten. Sogar Helga, seine Mutter, beschwerte sich darüber, dass sie so viel Mühe gab, die Klamotten ordentlich gefaltet und gestapelt zurückzulassen. Beim Werkeln lächelte Paul in seinen stillen Gedanken, wie es sein würde, wenn Jenny das alles miterlebt hätte. Auf jeden Fall hätte Jenny an einigen Stellen was auszusetzen, da war Paul ganz sicher. Mittlerweile kannte er Jennys Charakter und es kam ihm schmerzlich vor, dass Jenny in der letzten Zeit nicht mehr lächelte. „Wie sehr ich ihr schönes Lächeln vermisse", hämmerte Paul gerade den Nagel an der Rückwand des Schrankes und stellte ihn gerade hin. Sein Handy klingelte, Paul legte den Hammer zur Seite und nahm das Gespräch an. „Das ist ja wunderbar!", freute sich Paul, als er von seinem beauftragten Makler erfuhr, dass die gewünschte Summe aus dem Verkauf des Strandhauses in Kürze auf sein Konto eingezahlt wurde. „Ich hatte nicht damit gerechnet, dass es so schnell gehen würde. Machen Sie mir die Rechnung fertig, ich überweise Ihnen das Honorar." Kurz unterhielt Paul noch mit dem Makler, dabei erfuhr er, dass der Käufer anonym bleiben wollte, was Paul auch akzeptierte. „Empfehlen Sie mich weiter", meinte der Makler noch zum Schluss und Paul bedankte sich für die ganze Mühe. Mit einem breiten Grinsen im Gesicht steckte Paul das Handy in die hintere Hosentasche. Den Anruf von Semir übersah er. Zu gut war seine Laune, aber auch andererseits hatte es ihn tief getroffen, wie weit Charlottes Vertrauen zu ihm war. Er wusste, er musste die Aussprache mit seiner Frau suchen, das Chaos aufräumen, das noch vor ihm lag. Paul wollte noch die Kommode zusammenbauen und in seinen Gedanken drehten sich alles mal wieder um Charlotte und Alex. Den letzten Nagel hämmerte er mit voller Wut in das Holz, als er sich vorstellte, der Nagel wäre Alex. „Verdammt nochmal!" Er stellte die Kommode hin und griff nach seinem Handy, scrollte nach Jennys Namen und drückte auf die grüne Telefontaste. Es dauerte einen Moment, und nichts rührte sich. Paul durchfuhr mit der Hand durch seine wuscheligen Haare und hoffte inständig, Jenny würde endlich rangehen. Doch in der PAST klingelte auf Jennys Schreibtisch ihr Handy. Auf dem Display erschien Pauls Bild. Jenny befand sich im Büro bei der Krüger bei einem wichtigen Gespräch und so klingelte das Handy immer weiter bis das Display schwarz wurde. Die grosse Halle war wie leergefegt, alle hatten bereits Feierabend bis auf Semir, Jenny und die Chefin.

Paul nahm sich vor, es später noch einmal zu versuchen und steckte das Handy in die Hosentasche. Mit seiner geliebten grünen Huchu-Tasse in der Hand festhaltend, sah sich Paul im Ankleidezimmer um, das noch nicht voll ausgestattet war, aber dennoch schön anzusehen war. Er trank den bereits erkalteten Kaffee und machte ein widerliches Gesichtsausdruck hinterher. Plötzlich kam seine Mutter in Tränen aufgelöst den Treppenstufen nach oben gerannt und rief immer wieder Pauls Namen. Erschrocken traf er seine Mutter auf dem Flur, als diese keuchend die letzte Stufe passierte und nun vor Paul stand. „Mama! Was ist los?" „Paul,...", mit der Hand an den Brustkorb gelehnt, atmete Helga schwer und versuchte weiter zu reden, „...Papa ist weg." „Wie weg?" „Er wollte spazieren, es wird langsam dunkel. Es soll gleich regnen!" „Beruhige dich, Mama. Ich mache mich jetzt auf die Suche nach Papa, ok?" Helga nickte nur, da das Sprechen ihr schwer fiel und sie immer noch angestrengt atmete. „Du bleibst hier, falls Papa zurückkommt. Ruf mich dann an, ja?", schon rannte Paul die Treppenstufen schnell herunter und sah sich auf dem Hof einmal um. „Papa?", rief er immer wieder, doch er hörte nichts. Da rannte Paul in den Wald, die seine Eltern oft als Spaziergang auswählten. Pauls Blicke ragten nach oben in den Himmel, dort sammelten sich dunkle Wolken. „Fuck!" Während Paul langsamer rannte, zückte er sein Handy heraus und rief seinen Partner Semir an. Lisa war zu dem Zeitpunkt mit dem Date verabredet, ihm fiel keinen anderen als Semir ein, der ihm bei der Suche helfen könnte.

Jenny und Semir verliessen das Büro der Krüger, als Semirs Handy klingelte. „Ah, Paul", grüsste Semir überschwänglich, im nächsten Moment änderte sich seinen Ton. „Was? Wo? Warte, ich komme!" „Was ist denn passiert?" Jennys Sorgen um Paul war nicht zu übersehen. „Pauls Vater ist verschwunden. Ich helfe Paul bei der Suche." Kaum war Semir an der Tür, rief Jenny ihm hinterher. „Warte, Semir! Ich mache es." „Ist das eine gute Idee?", sah Semir Jenny an. „Du wolltest doch, dass Paul und ich miteinander reden. Wann dann, wenn nicht jetzt?" 

California - The Endless SummerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt