„Man sollte dich echt Ohrfeigen, Samu Haber.“ Sah Vivi ihn entgeistert an. Sie hatte Samu beim Frühstück getroffen. In der Kurzfassung, erzählte er ihr danach, warum er wieder hier ist. „Das hat Riku schon erledigt.“ – „Na hoffentlich auch. Weisst du eigentlich, was du bei Riku, mit diesen Worten angestellt hast?“ Wusste er das? Samu dachte es. Wurde ihm jedoch je länger bewusster, dass er das nicht tat. Samu hatte keine Ahnung, wie es in Riku aussah. Langsam schüttelte Samu den Kopf. „Mensch Samu. Du bist wirklich ein Idiot. Riku hätte das selbe Recht, dich das zu fragen. Hat er das?“ – „Nein.“ Drehte sich Samu eine Haarsträhne um den Finger. „Dachte ich mir. Weil ER dir vertraut. Oder es zumindest versucht. Du dagegen, flippst bei der kleinsten Eifersucht, total aus.“ Samus Blick war auf seine Füsse gerichtet. „Wusstest du, dass ich ihn, bevor ich letztes Mal nach Berlin kam, zufällig getroffen habe?“ Samu schüttelte den Kopf. „Wie auch, wenn du ihm lieber irgendwelche hirnrissigen Unterstellungen machst, statt ihn zu fragen, wie es ihm geht. Egal.“ Machte Vivi eine Pause. „Wir sind gemeinsam einen Kaffee trinken gegangen und haben ein bisschen geredet. Riku hat sich kein einziges Mal beschwert. Stattdessen hat er mir, fast schon ein wenig stolz erzählt, wie gut er mit dieser Zeit zurecht kommt, in der ihr euch nicht seht und du in Berlin bist. Im Vergleich zum letzten Jahr.“ Samus schlechtes Gewissen wurde immer grösser, während er Vivis Erzählungen zu hörte. „Obschon er, nach aussen hin zufrieden wirkte, sah ich in seinen Augen etwas anderes. Irgendwas fehlte. Weshalb ich versuchte, ihm auf den Zahn zu fühlen, ohne geradeaus mit der Frage zu kommen.“ – „Bestimmt hat er nichts gesagt. Riku würde nie jammern. Er...“ Verstummte Samu.
„Er nimmt es einfach so, wie es ist. Richtig. Riku sagte zwar nicht, dass alles super sei. Aber auch nicht das Gegenteil. An seiner Mimik konnte ich sehen, dass er knabberte. Er sah auf einmal viel älter aus. Obwohl ich immer fand, bei euch allen, dass ihr jünger ausseht, als ihr seid. Hast du wirklich nicht gesehen, dass Riku leidet und alles, was er tut und unternimmt macht, um sich ab zu lenken?“ Vivi konnte es nicht fassen. Wo war der aufmerksame und zuvorkommende Samu, den sie kennen gelernt hat? „Hat dich der Erfolg tatsächlich schon so blind gemacht, dass du nicht mehr siehst, was um dich herum geschieht? Nicht einmal mehr mit deinem Herzen?“ Vivi schüttelte ungläubig den Kopf. Keine Reaktion, war auch eine Reaktion. „Pass auf, dass dir das nicht zum Verhängnis wird, Samu. Und du irgendwann alle, mit deinem Verhalten, von dir stösst. Mit Riku, so geduldig er ist und so sehr er dich liebt, hast du es schon fast verspielt.“ Mit diesen Worten, ohne auch nur abzuwarten was Samu dazu sagen hat, ging Vivi. Sollte er mal in Ruhe darüber nach denken.„Haben sie dich schon wieder darauf angesprochen, ob du nächstes Jahr noch eine Staffel machst?“ Mikko war wegen ein paar organisatorischen Dingen in Berlin. Die Stimmung zwischen Samu und Riku, war ihm nicht entgangen. Wenn auch Liisa sich bedeckt hielt und nur wenig durchsickern liess. Riku musste sie darum gebeten haben. Liisa war sonst nicht die, die so etwas für sich behalten konnte. „Ich hab abgesagt. Kann mich ja schlecht in hundert Teile aufteilen, wenn wir nächstes Jahr wirklich die Best Of Tour machen werden.“ Mikko nickte. „Du hast doch nicht ohne Grund gefragt?“ Sah Samu seinen Manager misstrauisch an. „Nun ja...“ – „Ist es wegen Riku? Ich habe echt langsam die Schnauze gestrichen voll, dass ihr immer auf mir rum trampelt, während ihr hinter Riku steht. Mir geht es mit dem allem, auch beschissen. Aber das interessiert ja keinen von euch.“ Verschaffte Samu seinem Frust etwas Luft. „Komm mal wieder runter.“ Hob Mikko beschwichtigend die Arme. „Es gibt da ein Angebot.“ Samus Augenbraue hob sich interessiert. „Die wollen dir eine eigene Show geben.“ – „Die wollen was?“ Samus Blick war ungläubig. Mikko zuckte mit den Schultern und hielt Samu etwas entgegen. Immer noch kritisch, nahm Samu ihm die Zettel ab. Während er unruhig im Zimmer auf und ab ging, überflog er, was dort stand. Man hatte sich sogar die Mühe gemacht und alles auf Englisch übersetzt. Je mehr Samu las, desto mehr verfinsterte sich seine Miene. „Keine Chance. Das mach ich nicht.“ – „Und warum nicht?“ War Mikko erstaunt. „Hast du dir das mal durchgelesen?“ Die Frage konnte nicht ernst gemeint sein. „Kurz, ja.“ – „Dann ist dir sicher aufgefallen, dass alles ganz gut klingt, bis auf die Tatsache, dass das Ganze mehr Big Brother ähnelt, als dass es um die Musik geht.“ Wie kam nur jemand auf die Idee, eine solche Show zu produzieren und dann auch noch die Frechheit besass, ihn dafür zu engagieren zu wollen. „Entweder die ändern das komplett oder die müssen sich einen anderen Affen suchen. Ich bin nicht bereit, meinen Arsch dafür hin zu halten, um Einschaltquoten zu erhalten.“ – „Und du hast das Gefühl, dass sie das machen, nur weil du es so willst?“ Da wurde wohl jemand etwas grössenwahnsinnig, in den letzten Monaten. „Mir egal. Sag ihnen, entweder die Änderungen oder kein Samu Haber, als Aushängeschild.“ Verschränkte Samu stur die Arme vor der Brust. Mikko seufzte. Zückte jedoch sein Handy.
Samu verzog sich auf den Balkon, um eine zu rauchen, während Mikko telefonierte. „Morgen werde ich die Überarbeitung per Mail bekommen.“ Stand Mikko nach zehn Minuten, ebenfalls bei Samu draussen. Dieser grinste zufrieden.
„Sprich mit Riku darüber.“ Kam es auf einmal aus Mikko heraus, als sie schweigend dort sassen und ein Bier tranken. Eigentlich wollte Mikko nichts sagen, da es Samus Sache war. Sie jedoch, indirekt, alle etwas an ging. Das genervte durch atmen, signalisierte Mikko, dass es das falsche Thema war. „Wozu?“, fragte Samu nach einer weiteren Weile, in der sie schwiegen. „Wozu?“ War Mikkos ungläubige Gegenfrage. „Ja. Sag mir einen Grund, weshalb ich das tun sollte.“ Mikko traute seinen Ohren nicht. „Das ist nicht dein Ernst? Ich könnte dir mehr als einen Grund sagen.“ – „Und die wären?“ Mikko musste sich beherrschen, seinem Freund keine zu knallen. „Ihr liebt euch. Ihr seit ein Paar. Führt eine Beziehung.“ Hatte er das jetzt wirklich alles aufgezählen müssen? „Nun ja. Da hat dich Liisa, bei der sich Riku sicher ausgeheult hat, wahrscheinlich schlecht informiert. RIKU...“ Samu betonte seinen Namen extra fest. „...hat diese Beziehung, von der du redest, auf Eis gelegt.“ – „Und wessen Schuld ist es wieder einmal.“ Rutschte es Mikko heraus. Samu trieb ihn gerade zur Weissglut. „Hast du um meinet Willen oder wegen Riku gesagt, ich solle mit ihm darüber sprechen?“ Sprang Samu wütend auf. „Euch beiden zu liebe.“ Folgte Mikko Samu ins Zimmer. „Weil du ihn damit immer weiter von dir weg treibst. Und das weisst du genau. Was das mit dir macht, brauche ich dir ja nicht zu sagen. Ich denke das spürst du selber deutlich genug.“ Sah Mikko Samu ernst an. „Alles, was ich im Moment spüre ist, dass mich von meinen Freunden allein gelassen fühle. Keiner fragt auch nur einmal nach, wie es mir geht. Für euch bin ich doch einfach nur der Arsch, der alles falsch macht und Riku, durchs Band hinweg, verletzt.“ Drehte sich Samu aufgebracht zu Mikko um. „Und dir als meinen Manager, kann es scheiss egal sein, ob und mit wem ich darüber rede, welches Projekt ich an nehme.“ Samus Blick, fixierte den von Mikko.
„Deine Entscheidung. Aber jammer dann nicht wieder rum, wenn es in die Hose geht. Und das tut es.“ – „WIEDER!“ Riss Samu der Geduldsfaden. „Habe ich mich in den letzten Wochen und Monaten beschwert? Hab ich gejammert, als Riku mir zu verstehen gab, dass er meine Anwesenheit gerade nicht erträgt und er nicht wisse, wie und ob es mit uns weiter geht?“ Alles, was sich in letzter Zeit aufgestaut hatte, kam jetzt raus. Die ersten Gefühle des schlechten Gewissens, welches Samu plagte, wandelte sich, je mehr Tage verstrichen und er nichts von Riku hörte, in Frustration und irgendwann in Wut um. Liisa hatte ihm auch noch geschrieben, er solle seinen Hintern hier her schwingen, um das alles wieder in Ordnung zu bringen. Warum zum Teufel, hackten eigentlich gerade, gefühlt alle, auf ihm herum? Er war genau so ein Opfer dieser ganzen Situation. Als ob er selber Spielraum ohne Ende hat. Schöner und vor allem einfacher, wäre es. Dafür reichte Samus Bekanntheitsgrad jedoch, bei weitem noch nicht aus. Vielleicht in ein oder zwei Jahren. Aber jetzt war er genau so, wie alle anderen der Band, ein Fisch von vielen, im Haifisch Becken. Nur weil er mal einen Fehler gemacht hat, wurde er jetzt als der Dumme angesehen. Das musste er sich nicht gefallen lassen. „Niemand fragte auch nur einmal, wie es mir mit der ganzen Scheisse, in der wir steckten, geht. Immer nur Riku hinten und Riku vorne. Was beklagte der sich eigentlich auch? Der ach so arme vernachlässigte Riku ist in Helsinki umgeben von seiner Familie und seinen Freunden, die für ihn da sind und mit denen er reden kann.“ Samus Frust und seine Wut, war deutlich zu hören. „Riku jammert nicht. Er versucht sich ab zu lenken. Und braucht halt hin und wieder jemanden zum reden.“ Mikko wollte keine Partei ergreifen. Aber Samus Angriff gegen Riku, ging ihm dann doch zu weit. Für dieses Fiasko, war er nun mal wirklich selber Schuld. „Schön für ihn. Ich bräuchte vielleicht auch mal jemanden, der mir zu hört, statt mich immer wieder doof an zu machen, was für ein schlechter Freund ich bin. Stattdessen sitze ich hier alleine in diesem beschissenen Berlin und habe niemanden.“ Klar waren die Leute, mit denen er zusammen arbeitete nett und er verstand sich mit ihnen gut und alles. Dennoch standen sie Samu nicht nahe genug, um ihnen sein Herz zu öffnen. Damit er sich einfach mal alles von der Seele reden konnte. Wie sollte er dies auch. Durfte ja keiner wissen, dass er einen Mann liebte. Dabei würde es Samu gut tun, einfach mal jemanden zu haben, der ihm zuhörte. Ihn nicht dafür verurteilte, was er alles falsch gemacht hat und falsch machte. Stattdessen war er allein damit. Trug es mit sich herum. „Dann rede.“ Wurde Mikkos Ton versöhnlicher. „Das interessiert dich doch gar nicht.“ Samus Blick war eisig und seine Stimme frostig kalt. „Bring mir morgen die Änderungen. Und wenn ich sie für gut befinde, dann setz einen Vertrag auf. Alles andere, geht dich nichts mehr an.“ Verschränkte Samu die Arme vor der Brust. Ein deutliches Zeichen, dass es kein an ihn rankommen mehr gab. „Wenn du meinst.“ Verliess Mikko das Zimmer. Das ging niemals gut. Mikko kannte Rikus Einstellung. Und er wusste, dass es Samu mit genau dieser Aktion, vollends verspielen wird mit ihm.
DU LIEST GERADE
Leave the past behinde
FanfictionEin einziger Moment, kann dein ganzes Leben verändern... Mit dem Moment, als Riku Rajamaa, Musiker aus Leidenschaft und begnadeter Gitarrist, das Studio betritt, verändert sich nicht nur die Situation der finnischen Band Sunrise Avenue. Auch sein e...