Kapitel 42

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„Riku!“ Samu rannte los. So schnell, wie er wohl noch nie in seinem ganzen Leben gerannt war. Als würde sein Leben von diesem Sprint abhängen. Was ja nicht ganz falsch war. Denn Riku war nun mal sein Leben. Zumindest ein riesiger Teil davon, ohne den Samu nicht mehr Leben konnte. Samu konnte denn auch nicht weiter mit ansehen, was in den darauf folgenden Sekunden geschah. Hauptsache schnell bei Riku und dann retten, was zu retten war. Weiter dachte er gar nicht. Der Weg, den ihn von Riku trennte, kam Samu endlos lang vor und schien kein Ende zu nehmen. Als würde immer wieder ein neues Stück dazu kommen und sich vor das Ende schieben.

Riku hatte Glück im Unglück. Das herum reissen des Steuers, führte dazu, dass der Wagen die Bremsfunktion unterstützte, so dass er, kurz vor der Kreuzung, dann doch noch zum Stehen kam. Auf der Gegenfahrbahn und halb im Strassengraben, doch er stand. Ohne sich zu überschlagen oder ein anderes Auto in diesen beinahe Unfall zu verwickeln. Weiteres Glück war, dass die Strasse nicht zu den Hauptverkehrsachsen gehörte und deshalb bei diesem Wetter, kaum befahren war.
Rikus Puls war in die Höhe geschnellt und sein Herz raste, als wolle es gleich kollabieren. Seine Hände, hatten sich so fest um das Lenkrad gekrallt, dass die Haut an den Knöcheln, weiss war. Sein Kopf ruhte auf dem Lenkrad. Die Augen waren geschlossen. In den letzten paar Sekunden, zogen wie wild, Bilder vor seinem geistigen Auge vorbei. Bei allen, kam Samu vor. Wie er ihn in den Arm nahm, ihm durch die Haare strich, sie zusammen Musik machten, ihn liebevoll an lächelte und wie er ihm seine Gefühle offenbarte, ‘Ich habe mich in dich verliebt, Riku.’. Jedes einzelne Bild, war gepaart mit unglaublich intensiven Gefühlen und Empfindungen, die gerade über Riku und dessen zitternden Körper herein brachen.

Ein erleichtertes Seufzen, entwich Samu, als er Rikus Wagen in einem Stück und stehend, halb im Strassengraben sah. Er hatte auch keine offensichtlichen Schramen.„Rik!“ Samu riss die Wagentür auf und kniete sich zu Riku runter. Die Augen waren geschlossen. Doch er atmete. Zwar wie eine Dampflokomotive. Doch die Hauptsache war atmen.
Um Riku drehte sich alles und ein beklemmendes Gefühl, machte sich in ihm breit. „Samu!“, atmete Riku fast schon panisch durch, als hätte ihm jemand gerade für Minuten, die Luft genommen. Er musste zu ihm. Jetzt. Keine Sekunde, durfte er mehr verstreichen lassen, um ihm zu sagen, was er schon längst hätte tun sollen. Was schon die ganze Zeit klarer war, als der See vor seinem Mökki. So klar, wie etwas nur sein konnte. Glas klar. Eine Sekunde später und es wäre vielleicht zu spät gewesen und das Letzte was sie an einander erinnerte, wäre Streit gewesen. Riku wurde es übel. Nervös nestelte er an seinem Gurt herum und versuchte sich an der Person, die an der Tür stand, vorbei zu quetschen. Das es Samu war, kam noch nicht zu Rikus Bewusstsein.„Wo willst du hin?“
„RAUS!“, schrie Riku panisch. Worauf Samu zur Seite ging. Stolpernd, hastete Riku aus dem Wagen und um diesen herum. Kaum zu Boden gesunken, entleerte sich auch schon sein gesamter Mageninhalt, was ohnehin, seit den letzten Tagen, nicht sehr viel war, in den Strassengraben.
Samu war ihm gefolgt und kniete sich neben ihn. Tränen stiegen ihm in die Augen. Aus den unterschiedlichsten Gründen. Am meisten, weil er so erleichtert war, dass Riku nichts passiert ist. Leicht, strich er Riku über den Rücken und lehnte seinen Kopf an den von Riku. Dabei schloss er die Augen. Es tat so gut, wieder seine Nähe zu spüren.„Samu!“, lehnte sich Riku erschöpft gegen den Wagen.„Alles ist gut, Riku!“
„Ich muss zu ihm!“, wimmerte Riku. Zog die Beine an seinen Oberkörper und schlang die Arme fest darum.
„Ich bin doch da.“, aus dem Reflex heraus, strich Samu ihm über die Haare.  Wie gerne, hätte er Riku jetzt einen Kuss darauf gegeben. Doch hielt er sich zurück.„Ich will doch einfach nur zu Samu. Ich muss ihm doch was sagen!“
„Rik, sieh mich an.“ Samu hatte sich nun direkt vor Riku gekniet und legte seine Hände an dessen Wangen.„Ich bin da! Du kannst mir alles sagen! Hörst du, Rik?“
Wie durch einen Dämmerzustand oder Watte, drang diese vertraute Stimme und Wärme, zu Riku vor. Er hob den Kopf und blinzelte. Tränen verschleierten seinen Blick. „Samu?“, flüsterte er. Wie konnte das sein? Was tat er hier? Woher wusste er, wo...Warum? Zu viele Fragen, für Rikus ohnehin schon dröhnenden Kopf.
„Ja, ich bin es? Ich bin hier, Rik!“, liebevoll sah er seinen besten Freund an und strich ihm eine verirrte Haarsträhne aus dem Gesicht. „Ich werde immer hier sein. Bei dir!“
„Samu...ich...“ Tränen lösten sich nun aus Rikus Augen. Begleitet mit einem heftigen Schluchzen.
„Schscht, alles ist gut! Du bist in Ordnung. Alles andere ist unwichtig.“, schlang Samu seine Arme fest um Rikus Körper, der immer noch zitterte und zog ihn an sich. Vergrub sein Gesicht in Rikus Locken und sog seinen Duft in sich auf. Wie sehr, hatte er diesen vermisst.
„Samu!“ Riku klammerte sich an Samus Jacke und presste sich fest an dessen Brust. Dabei spürte er die Wärme, die von diesem ausging und seinen Herzschlag, was er beides so schmerzlich vermisst hatte. Doch jetzt war Riku endlich wieder da, wo er hingehörte. Bei Samu. Bei seinem Zufluchtsort, wo Riku sich, von Anfang an wohl und geborgen fühlte.
Einen Moment, hielt Samu Riku so fest und wiegt sich leicht hin und her, bis sich dieser wieder einigermassen beruhigt hatte. Erst jetzt fiel Samu auf, dass Riku ja gar keine Jacke trug und es waren minus Temperaturen.„Scheisse Rik, du wirst noch erfrieren.“, rief Samu aus. Doch dieser reagierte nicht. Samu lauschte und vernahm Rikus gleichmässiger Atem. Er war vor Erschöpfung und unter dem Schock, doch tatsächlich eingeschlafen.
So gut es ging, hievte Samu Riku auf den Beifahrersitz, eilte um den Wagen herum. Zündung an und erstmal einheizen. Er fand ja Rikus Volvo echt nicht der Knaller, aber wahrscheinlich hatte er dazu beigetragen, dass nichts Schlimmeres passiert ist. Samu kniff kurz die Augen zusammen. ‘Konzentrier dich Samu.’ Tief durch atmen und Samu fuhr los, zu Riku nach hause.

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