Kapitel 198

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„Was soll der Scheiss?“ Raufte sich Samu durch die Haare. Seine neue Show war, mehr oder weniger, ein Flop. So sehr, dass sie sogar auf einen anderen Sendeplatz verschoben wurde. Samstags um zwölf. Kein Mensch guckte dies zu der Uhrzeit. Die Medien zerrissen die Show und dadurch auch Samu in der Luft.  Das alles setzte ihm zu. Zerrte an seinen Nerven, die ohnehin, durch den zusätzlichen Stress – Show und Tour – blank lagen. Dazu kam seine Beziehung zu Riku. Das er so viel Zeit mit Mia verbrachte, setzte ihm gewaltig zu und nagte an seinem Herzen. Würde er es jedoch nie zu geben. Stattdessen liess er seinen ganzen Frust, in Form eines kleineren Wutanfall, raus. Und wieder einmal bekam es Mikko ab. „Was weiss ich. Die Einschaltquoten stimmen wohl nicht. Mach dir nichts draus. Das geht nicht persönlich an dich.“ Versuchte Mikko ihn zu beruhigen. „Ich soll mir nichts daraus machen? Dein scheiss Ernst? Das geht ganz und gar auch an mich. Es zeigt ja mal wieder deutlich, was die Leute da draussen wollen. Was unsere so genannten Fans wollen. Den lustigen Finnen, mit dem grotigen Deutsch, der immer am grinsen ist und Spässe macht. Sobald man etwas ernster wird und auch noch eine andere Seite von sich zeigt, ist man abgespempelt und bekommt den beschissensten Sendeplatz überhaupt.“ Konnte sich Samu kaum mehr halten. Er hatte seine ganze verdammte Freizeit dafür geopfert. Mehr Energie, neben dem Tour Alltag investiert, als er eigentlich zur Verfügung hatte. „Dafür ist meine Beziehung zu Riku in die Brüche gegangen.“ Wurde Samu laut und ungehalten. „Jetzt fahr mal einen Gang runter, Samu. Das mit Riku, ist ganz allein deine Schuld. Niemand hat dich dazu gezwungen, diesen Vertrag zu unterschreiben. Ich wollte dich davon abhalten.“ Samu zu schonen, lag schon lange nicht mehr in Mikkos Aufgabe. In das, in dem er jetzt gerade steckte, hatte sich Samu ganz alleine hinein manövriert. Verachtend sah Samu Mikko an. Er wusste ganz genau, dass sein Manager recht hatte. Mikko hatte ihn vor den Konsequenzen gewarnt. Doch wollte Samu nicht hören, da er in seinem Ego gekränkt war. „Hast du es dir durch den Kopf gehen lassen, wegen Niila? Ich finde, du hast deinen Job bei dieser Show wirklich gut gemacht.“ Lenkte Mikko das Gespräch auf etwas anderes. „Und das sage ich nicht nur so. Es liegt mir schon lange fern, dir Honig um den Mund zu schmieren, nur dass es dir besser geht.“ So sehr Samu Mikkos Ehrlichkeit manchmal verfluchte. Genau so sehr, schätzte er sie. „Lass mich mal die Tour zu Ende überstehen, dann werde ich mich mit Niila mal zusammen setzen.“ Samu hatte wieder einen versöhnlicheren Ton angenommen. „In Ordnung.“ Mikko sah selber, wie sehr Samu gerade am Limit lief. Es waren noch zwei Wochen. Eigentlich nur noch vier Konzerte. Dann war Schluss. Dieses Mal machte es den Anschein, dass es alle kaum erwarten konnten, bis die Tour endlich zu Ende war. Stand sie auch unter einem eher schwarzen Stern. Mikko hätte nicht gedacht, nach diesem rabenschwarzen Abend in Helsinki, dass sich die Jungs so zusammen raufen und die Tour durchziehen würden. Er sah sich, an besagtem Abend, bereits irgendwelche Gründe aus den Fingern saugen, weshalb alles abgesagt wird. Es war damals sein Ernst, dass Samu hätte her halten müssen. Samus Gemütszustand und seine körperliche Verfassung, fiel ja nicht nur ihnen auf, die täglich um ihn herum waren. Mikko war froh, kam es nicht so weit. Jetzt hatten sie wieder etwas Zeit, das Ganze irgendwie geregelt zu bekommen. Sie mussten noch einmal ins Studio, um zwei neue Songs auf zu nehmen, für das Best Of Album, welches irgendwann im nächsten Jahr, mit der Aufzeichnung des Konzertes in Berlin, erscheinen wird. Die Frage nach Riku, verkniff sich Mikko. Das war sehr dünnes Eis, auf dem man sich, derzeit bewegte. Der Haussegen hing mehr als nur schief. Samu und Riku teilten sich nicht einmal mehr ein Hotelzimmer. Und dies, kam schon seit einer halben Ewigkeit nicht mehr vor. Kam es überhaupt mal vor? Mikko und auch sonst keiner, konnte sich daran erinnern. Weil es, von Anfang an, keinen der beiden, mehr ohne den anderen gab.

„Du hast dich entschieden, habe ich Recht?“ Sah Mikko ihn fragend an. Riku nickte. „Ich werde kündigen und bei Samu ausziehen.“ Strich sich Riku durch die Haare und senkte den Blick auf seine Füsse. „Bist du sicher?“ Riku hob den Blick und sah Mikko an. „Kann man sich bei einem solchen Schritt zu hundert Prozent sicher sein?“ Stellte er eine Gegenfrage. „Wahrscheinlich nicht, nein.“ Gab Mikko wahrheitsgetreu zu. Sein Blick musterte Riku kritisch. „Was soll ich sonst tun, Mikko. Lege mir ein Patentrezept auf den Tisch und ich mache es. Alles würde ich machen. Nur nicht so weiter, wie bis jetzt. Das hat keinen Sinn. Ich bin immer da. Samu weiss gar nicht wie es ist, wenn ich mal nicht da bin, wenn er mich braucht.“ Sprudelte es nur so aus Riku raus. „Vielleicht begreift er so endlich mal, dass ich all meine Worte so meinte, wie ich sie sagte. Und wenn nicht...“ Riku schluckte schwer. „...war unsere Liebe nun mal nicht stark genug und es sollte nicht so sein.“ Tränen stiegen in Rikus Augen. Der Gedanke daran, zerriss ihm beinahe das Herz. Sah er jedoch keinen anderen Ausweg. Riku würde kaputt gehen, wenn er nicht endlich handelte. Das hatte ihm die letzte Tour, die auch schon wieder zwei Wochen her ist, klar und deutlich gezeigt. „Weiss Samu es schon?“ Tief atmete Riku durch. Dieser Schritt stand ihm noch bevor. „Ich werde es ihm morgen sagen.“ – „Das könnte ihm endgültig den Boden unter den Füssen weg ziehen. Das weisst du?“ Erneut nickte Riku. „Deshalb bin ich auch zuerst zu dir gekommen, bevor ich es Samu sage.“ Das war Mikko schon klar, kaum sass Riku bei ihm im Wohnzimmer. „Vielleicht, so extrem es klingen mag, will ich genau das damit bewirken. Das er aufwacht und sich über seine Gefühle, und seine weitere Lebensplanung, bewusst wird.“ Mikkos Stirn lag in Runzeln. „Oder das Gegenteil tritt ein. Alles ist möglich.“ Mikkos Blick sagte noch tausend Worte mehr, als über seine Lippen kamen. „Das...bin ich mir bewusst.“ Seufzte Riku geknickt. „Ach scheisse...das ist alles so verschissen.“ Landeten seine Hände erneut in den Locken. Der Kerl kostete ihm nicht nur die letzten Nerven, sondern auch noch die letzten Haare, die ohnehin schon etwas lichter wurden. „Das ist es. Aber versuche es...Ich werde die Kündigung, vorerst noch für mich behalten und nicht den Bossen weiter leiten. Denn ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass ihr das packt. Wenn auch gerade auf ziemlich ungemütlichen Umwegen. Aber...auch wenn das etwas schnulzig aus meinem Mund klingt...ihr gehört zusammen.“ Ein leichtes Lächeln legte sich auf Rikus Lippen, während die aufgestauten Tränen seine Augen verliessen. „Du weisst, dass du immer bei uns willkommen bist, Riku.“ Stand Mikko auf und setzte sich neben Riku. „Schliesslich bist du der Paten Onkel von Emmi. Und die kleine liebt dich abgöttisch.“ – „Ich sie auch. Und ich werde sie deswegen sicher nicht im Stich lassen.“ Konnte er nicht einfach mal aufhören zu heulen? Schon spürte er Mikkos Arme, die ihn festhielten. „Du bist nicht allein, Riku.“ Liisa die eben nachhause kam, nach dem sie Emmi bei ihrer Oma abgeliefert hatte, trieb es die Tränen in die Augen, bei diesem Bild. Sie hatte nur noch Mikkos letzten Worte gehört. Doch wusste sie, was los war. Dafür musste man kein Hellseher sein. Sondern die Geschichte der beiden kennen. Ohne etwas zu sagen, setzte sie sich, auf Rikus Seite, neben die beiden Männer und schlang ebenfalls ihre Arme um Rikus bebenden Körper. Wenn ihr Mann Tränen in den Augen hatte, dann berührte ihn etwas tief in seinem Innern. Liisa hatte Mikko noch nicht oft weinen gesehen. Also musste dieser Augenblick etwas bedeuten. „Möchtest du zum Abendessen bleiben?“, fragte Liisa nach einer Weile. „Ich will euch nicht euren freien Abend verderben.“ Löste sich Riku, leicht beschämt von Mikko. „Samu ist heute nicht da. Geht mit Niila essen. Zeit für mich, um schon etwas zu packen.“ – „Ich bin stolz auf dich! Auch wenn ich mir wünsche, dass ihr diese Zeit, wie lange sie auch dauern mag, überstehen und gemeinsam alt werdet.“ Küsste Liisa Riku auf die Wange. „Es braucht ziemlich viel Mut, dies durch zuziehen.“ – „Im Moment fühle ich mich eher wie ein Feigling.“ Sah Riku Mikko dankend an, der ihm ein Bier reichte. „Das bist du nicht. Du kämpfst dafür, endlich wieder glücklich zu sein. Auf die Gefahr hin, dass du dich selber unglücklich machst.“ – „In dem das Ganze, so komplett und vollends in die Hose geht.“ Vervollständigte Riku Liisas Satz. „Lass Samu Zeit. Knick nicht sofort wieder ein. Und vor allem, wirf die Flinte nicht zu schnell ins Korn. Samu wird wieder zu dem, den er war, als du ihn kennen gelernt hast. Vielleicht nicht nächsten Monat. Aber er wird. Glaub mir. Samu ist kurz davor, den Rest seiner Energie, die er noch hat, ebenfalls zu verlieren. Wenn er ganz unten ist, wird es ihm die Augen öffnen.“ Sprach Mikko Riku Mut zu. Vielleicht auch sich selber. So ganz sicher, ob genau das passieren wird, war er sich nicht. Mussten sie jedoch alle darauf hoffen. So unkollegial es klang, einen Freund am Boden zu sehen. So nötig wäre es bei Samu, damit er kapierte, dass es wichtigere Dinge als Erfolg gibt. Das es wichtig ist, dass man ein Zuhause hat, in dem man einfach sein konnte, ohne tausenden Ansprüchen von aussen gerecht zu werden. Alles Dinge, die Samu einmal wusste und auch schätzte.

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