Kapitel 64

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Riku hatte es aus dem Küchenfenster gesehen, wie Jukka davon fuhr und Samu einfach stehen liess, nachdem sie sich heftig unterhalten hatten. Es würde ihm fast schon ein Schmunzeln entlocken, wäre die ganze Situation nicht so verschissen. War es das jetzt, mit ihnen und ihrer Liebe? Das konnte doch nicht sein. Das durfte nicht sein! Niemals! Riku liebte Samu. Mehr als alles andere auf der Welt. Er brauchte ihn, wie das Gitarrespielen und die Luft zum atmen. Wenn nicht sogar noch mehr. Riku beobachtete, wie Samu unschlüssig draussen hin her lief. Die kleinen Kieselsteine in der Einfahrt, vor sich her schiebend oder auch mal den einen oder anderen weg kickte. „Möchtest du vielleicht rein kommen?“ Stand Riku nun in der Tür. Samu hob den Kopf und sah ihn verwirrt und erstaunt an. Unschlüssig war er immer noch. Samu hatte keine Ahnung, ob er Riku schon die Antwort geben konnte, die er hören wollte. Samu hatte so lange für das gekämpft, was sie jetzt daran waren zu bekommen. Wollte er das jetzt schon aufs Spiel setzen? Doch was war mit der Liebe in seinem Herzen, die dazu führte, dass es nur noch für Riku und im Einklang mit seinem schlug? Die konnte er nicht einfach so ignorieren. Und jetzt, da er ihn wieder vor sich sah, war es beinahe ein Ding der Unmöglichkeit. Wie Riku in der Tür stand und ihn musterte. Er sah nicht mehr so abgespannt und wütend aus, wie noch vor ein paar Minuten. Eher nachdenklich. Ob Riku die selben Fragen durch den Kopf gingen? „War es das, Riku?“ Unsicher, ja fast schon panisch, sah Samu Riku an. „Bitte sag nein!" Riku atmete tief durch. „Komm schon rein, Samu. Wir müssen das ja nicht gerade hier draussen diskutieren.“ Samu blieb immer noch an Ort und Stelle stehen und machte keine Anstalten, sich zu bewegen. "Samu. Komm schon.“ – „Lass uns ein Stück gehen.“ Riku nickte. Stopfte sich sein Telefon und den Schlüssel in die Hose und zog sich eine Jacke über. „Wo willst du hin?“ Samu zuckte mit den Schultern. „Hauptsache draussen.“ – „Dann gehen wir hier lang. Vielleicht schaffen wir es ja bis ans Wasser.“ Samu nickte nur und folgte Riku. Die Spannung zwischen ihnen, war greifbar und hätte jeden, der auch nur in der Nähe gewesen wäre, erdrückt. Auch Riku und Samu. „Warum hat dich Jukka nicht mit genommen?“ Brach Riku irgendwann diese Stille, die kaum auszuhalten war. „Weil er ein Arsch und gleichzeitig ein guter Freund ist.“ – „Muss ich das verstehen?“ Samu seufzte. Würde es jetzt immer so zwischen ihnen sein? So verhalten und distanziert. Am liebsten würde Samu einfach Rikus Hand, die bestimmt wieder kalt war, mit seiner umschliessen und so, ein Stück dieser Lücke zwischen ihnen, schliessen. „Er wollte nicht dafür verantwortlich sein, dass wir uns ins Unglück stürzen. Ich solle es klären, waren seine letzten Worte.“ Klärte Samu Riku auf. „Nur deshalb, bist du also noch da?“ Samu zuckte mit den Schultern. „Nein…Was weiss ich. Im Moment, weiss ich gar nichts mehr.“ Samu fand das alles gerade unglaublich anstrengend. „Dann hätte ich dich vielleicht draussen stehen lassen sollen.“ - „Vielleicht...“ Schweigend gingen sie weiter. Riku rieb sich die Hände. Worauf Samu nicht widerstehen konnte. Er blieb stehen und umfasste sie mit seinen. Nur leicht. Da er nun direkt vor Riku stand, sank sich Samus Stirn, wie automatisch an die von ihm.
„Rik.“ Seufzte Samu, mit geschlossenen Augen. „Ich liebe dich doch!“ Auch Riku schloss kurz die Augen. Das war jedoch nicht das, was er von Samu hören wollte. Zumindest nicht nur. Also entzoge er seine Hände aus Samus Griff. „Samu.“ Drückte Riku Samu leicht von sich. Auch wenn es ihm gerade mehr als schwer fiel. Samus Nähe war es. Die, die er so sehr brauchte und nach der sich jede seiner Zellen verzerrte. „Tut mir leid.“ Flüsterte Samu seufzend und liess von Riku ab. Riku zerris es innerlich fast. Doch er brauchte zuerst Antworten auf seine Fragen. Klarheit. Gewissheit. Riku wollte doch nur einmal in seinem Leben, ausser von seiner Mutter, bedingungslos geliebt werden. Ohne wenn und aber. Das jemand zu ihm steht. Einmal, nicht bloss die zweite Geige im Leben des Menschen, den Riku liebte, spielen. Doch dieses ungeteilte Glück der Liebe, schien ihm verwehrt zu bleiben. Entweder Riku fand sich damit ab, dass er Samu teilen musste und er einfach nur die zweite Liebe in seinem Leben spielte oder er...die zweite Variante, gefiel Riku genauso wenig, wie die Erste. Was für eine Scheisse. Was hatte das Leben gegen ihn? Wütend kickte Riku einen Stein, der vor seinen Füssen lag, weg. Samu riskierte einen Blick und konnte es in Rikus Gesicht sehen, dass er grübelte und über das, was er drüber grübelte, nicht erfreut war.
„Wow!“ Entfuhr es Samu, als er den Blick wieder von Riku los riss. Vor ihm lag ein See. Weit und breit war nichts. Ein See auf einer Waldlichtung. Fast wie beim Studio, wo es Samus und Rikus Lieblingsplatz wurde. Nur viel idyllischer. Samu hatte gerade tausend Bilder im Kopf, wie er hier mit Riku zusammen sitzen könnte. Gemütlich kuschelnd vor dem knisternden Feuer. Ob es solche Momente je wieder geben würde, war jedoch fraglich. Samu trieb es Tränen in die Augen. Um diese zu verbergen, hob er einen Stein vom Boden auf und ging ans Ufer des Sees. Dort schleuderte Samu den Stein, mit aller Kraft seiner Emotionen und Gefühlen, in den See. Daran hätte jeder Aussenstehende gesehen, dass etwas schweres auf ihm lastete. „Auf deine Frage, von vorhin. Du hast es in der Hand Samu, ob es endet oder nicht?“ Samu sah Riku an, der nun neben ihm stand. „So einfach ist es also?“ – „Na ja, wie man es nimmt, so wie es aussieht.“ So Riku trocken. „Ich meinte auch eher, so einfach ist es für dich?“ – „Einfach. Was ist schon einfach?“ Ein weiterer Stein flog in den See. „Für dich scheinbar, das alles zu beenden.“ Riku glaubte, sich verhört zu haben. „Hast du mir überhaupt zugehört, was ich dir draussen, vor meiner Wohnung gesagt habe oder hörst du nur noch das, was mit Erfolg zu tun hat?“ Wurde Riku wieder aufgebracht. „Tu nicht so, als wäre ich ein erfolggeiles Arschloch.“ – „Doch, genau das bist du heute! Und ich weiss schon jetzt, dass es nur noch schlimmer werden wird.“ Riku hielt Samu, der sich von Riku entfernen wollte, am Arm zurück. „Und ich weiss nicht, ob ich das mit ansehen will und kann.“ – „Du wusstest, was unser Ziel mit der Band ist, Riku.“ Es schien, als sie hätte sich alles verändert. Nicht nur ihre Freundschaft, die zu Liebe wurde. „Da wusste ich auch noch nicht, was noch alles auf mich zu kommen wird.“ – „Hättest du dich dann anders entschieden?“ Riku schüttelte leicht den Kopf. „Ich würde mich immer wieder gleich entscheiden. Aus dem einzigen Grund, weil es das Beste war, was mir passieren konnte!“ Samu hatte das Gefühl, dass Rikus Blick gerade weicher wurde. Vielleicht war es auch bloss Einbildung. „Weil du dummes Arsch dadurch in mein Leben gestolpert kamst und alles durcheinander brachtest.“ Rikus Hand strich, ohne dass er es kontrollieren konnte, durch Samus Haare. Samu schloss die Augen und seufzte.
„Rik, ich liebe dich!“ Hauchte er. „Das weiss ich doch. Manchmal reicht das jedoch einfach nicht aus.“ Riku vergrub seine Finger in Samus Haaren und lehnte seine Stirn an Samus. „Es wird reichen! Es muss reichen!“ Auch Samu hatte seine Finger in Rikus Haaren verschwinden lassen, um ihn bei sich zu behalten. Leicht schüttelte Riku den Kopf und löste Samus Hände aus seinen Haaren. „Warum nicht, Rik?“ Stumme Tränen, lösten sich aus Rikus Augen. Er wollte es nicht beenden. Doch wäre es vielleicht jetzt noch einfacher, als wenn sie sich gegenseitig kaputt gemacht und verletzt hatten. Riku wandte sich von Samu ab, damit dieser seine Tränen nicht sehen konnte.

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