Kapitel 45

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Irgendwie brachte es Riku fertig, den schlafenden Grossen ins Bett zu bringen. Das Entledigen seiner Klamotten, weckte in Riku Empfindungen, die er nur mit Mühe und Not unterdrücken konnte. Dies wahrscheinlich auch nur, weil Samu mehr schlief als wach war. Er würde sich ja nicht über einen schlafenden Samu her machen. Diesen Gedanken, liess Riku schmunzeln.

Ja, er war schon wieder wach. Fühlte sich jedoch so erholt und voller Tatendrang, wie die letzten Tage und Wochen nicht. Samu, sein Lebenselexier. Riku drehte sich auf die Seite, um den schlafenden Blondschopf zu betrachten. Eine wohlige Wärme, durchfuhr Riku, als er an gestern Abend dachte. Viele Stunden waren es nicht, die sie es schafften, wach zu bleiben und doch, gaben sie Riku in der kurzen Zeit, so unendlich viel. Aus dem einzigen und einfachen Grund, weil die Zeit gefüllt war mit Zweisamkeit. Ohne Ablenkung. Einfach sie zwei. Sogar der Moment, als er mit Eve telefonierte und Samu sich an ihn gekuschelt hatte, wobei Riku ihm ein paar zärtliche Streicheleinheiten schenken konnte, hatte etwas, was nicht mit Worten zu beschreiben war. Solche Momente, aus ungeteilter Zweisamkeit, hatte Riku mit Laura kaum, bis nie. Ausser in den ersten Wochen der Verliebtheit. Nicht einmal ein Jahr lang. Riku hatte sich immer gefragt, ob es an ihm lag. Ob er ihr das Gefühl gab, es nicht zu wollen. Doch je mehr Abstand, zwischen diese ganze Geschichte kam, desto klarer sah Riku ihre ganze Beziehung und es wurde ihm bewusst, dass es früher oder später ohnehin nicht mehr geklappt hätte. Er selber, hatte resigniert. Denn er war es, der von Laura zu spüren bekam, dass dieses Gefühlsdings nicht das war, was sie wollte und für sie in eine Beziehung gehörte. Was ja eigentlich völlig lächerlich und stupid war, da in eine Beziehung Gefühle gehörten. Ansonsten war es keine Beziehung. Da waren sie einfach zu verschieden. Denn Riku war durch und durch ein Gefühlsmensch. Auch wenn er manchmal stundenlang Gedanken wälzen konnte, wie gerade eben, so waren Gefühle, wofür und in was auch immer, unabdingbar. Was wohl auch seine kreative und musische Seite mit sich brachte. Also steckte Riku zurück, was ihn immer unglücklicher machte. Schlussendlich nur noch tiefer in die Musik trieb, von der Laura immer sagte, es käme ihr vor, er habe mit seiner Musik eine Beziehung. So hatten sie beide, quasi irgendwie, eine Affäre. Der kleine aber wichtige Unterschied dabei war jedoch, dass Laura ihn mit seinem besten Freund betrogen hatte. 'Schieb die Vergangenheit endlich bei seite, Riku und freue dich über das, was du jetzt hast.', rügte seine innere Stimme ihn einmal mehr, für seine Gedanken. Riku musste ihr recht geben. Eigentlich, konnte er Laura ja auch irgendwie dankbar sein. Denn ohne diesen ganzen Schlamassel, wer weiss ob Riku jemals an dieses Vorspielen gegangen wäre. Er könnte und würde jetzt nicht seinen Traum so leben, wie er es immer schon wollte. Doch was das Wichtigste war, er wäre wahrscheinlich nie diesem wundervollen Menschen begegnet, der jetzt hier, in dem Moment neben ihm im Bett lag. Mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Was auch Riku eines aufs Gesicht zeichnete und die Liebe noch etwas grösser und tiefer werden liess.
„Was wälzt du denn schon wieder für schwere Gedanken zu dieser unchristlichen Zeit.", kam heiser brummend unter der Decke hervor. „Du würdest dich besser noch etwas an mich kuscheln."
„Seit wann bist du denn schon wach?", rückte Riku etwas näher an Samu heran und strich ihm ein paar Haare aus dem Gesicht.
„Lange genug, um die Falten auf deiner Stirn zu sehen." Samu streckte sich ein bisschen, um Riku einen Kuss auf die Stirn zu hauchen. Riku seufzte und liess sich wieder tiefer in die Kissen sinken. „Erzählt mir mein Gitarrengott, was für Gedanken ihn in der Früh schon plagen? Muss ich mir Sorgen machen?" Samu liess seine Lippen über Rikus Wange wandern. Riku schüttelte den Kopf. „Nein, wegen den Sorgen oder dem Erzählen?"
„Ersteres." Riku hatte die Augen geschlossen und genoss Samus süssen Berührungen. Samu gab ihm, von Anfang an, ein Stück weit das, was er immer vermisste. Deshalb hatte er sich auch immer so wohl und geborgen bei ihm gefühlt. So, als würden sie sich schon ewig kennen.
„Und?"
„Was?" Riku sah Samu fragend an.
„Deine Gedanken.", lachte Samu auf.
„Wenn du mal kurz mit deinen Liebkosungen aufhörst, erzähl ich es dir."
„Zuviel?" Samu sah Riku unsicher an.
„Nein! Nein, überhaupt nicht, Grosser! Sie lassen mich nur schwer, klar denken." Samu fing an zu grinsen. „Dann kuschel ich mich einfach ganz fest an dich, während du erzählst."
„Genau darum, kreisten meine Gedanken."
„Ums Kuscheln?"
Riku nickte. „Und diese kostbaren Momente gestern Abend."
„Bei denen ich ja kläglich versagt habe und einfach weg geschlafen bin.", sah Samu ihn entschuldigend an.
„Macht nichts! Es war mehr, als ich mit Laura in all den Jahren unserer Beziehung hatte. Was ich immer vermisst habe."
„Ihr hattet keine Zweisamkeiten?", für Samu kaum vorzustellen. Klar, in ihrem Job, war es schwierig, doch wenn dann Zeit war, würde man es dann doch umso mehr auskosten. Ausserdem, übte Riku seine Leidenschaft zu der Zeit, noch in Finnland aus.
„In den ersten Wochen, liess sich Laura noch darauf ein." Riku holte Samu wieder aus seinen Gedanken. „Doch wahrscheinlich überzog in der Zeit noch die Verliebtheit ihr nüchternes und kopflastiges Wesen. Falls sie überhaupt jemals verliebt war.", zuckte Riku mit den Schultern.
Samu bemerkte sofort einen Unterschied, als Riku jetzt über seine Beziehung mit Laura sprach. Es war keine Bitterkeit mehr in seiner Stimme. „Tut es noch weh, dir all dies bewusst zu werden?"
„Nein, nicht wirklich. Es ist jetzt mehr der Gedanke, warum ich das alles nicht schon früher erkannt habe und selber dagegen reagieren konnte, bevor ich vor den Kopf gestossen wurde." Samu strich Riku liebevoll durch die Haare und sah ihn besorgt an. „Schau nicht so, Grosser. Ich sollte Laura dankbar sein. Sie hat mich in deine Arme getrieben!", um seine Worte zu bekräftigen, kuschelte sich Riku an Samu und legte seinen Kopf an seiner Brust ab.
Samu schlang darauf seine Arme fest um seinen Körper und gab ihm einen Kuss aufs Haar. „Und in diesen Armen, bekommst du gaaaanz viel ungeteilte, kuschelnde Zweisamkeit! Versprochen!"
Riku hob den Kopf und sah Samu strahlend an. Nie wieder wollte er aus diesen wundervollen Armen entlassen werden. Nie mehr. „Danke!", flüsterte Riku, bevor er sich von Samu einen Kuss erhaschte, welcher dieser endlos lange und doch zu kurz, hinauszog.

Nach einer langen, küssenden Kuscheleinheit und einem herzhaften Frühstück, welches Samu seinem Liebsten im Bett servierte, weil dieser dies einfach gerade nötig hatte, starteten sie ihren Tag, der schon Mittag anzeigte, mit einem gemütlichen Spaziergang. Samu hatte seinen Arm fest um Riku geschlungen. Er brauchte gerade nichts mehr. Riku, Luft und Liebe. Das war sein Glück. Immer wieder küsste er Rikus Wange oder seine Schläfe.
„Wann wurde es dir bewusst, Samu?", unterbrach Riku die Stille, die nur durch das Knirschen des Schnees unterstützt wurde.
„Das ich dich liebe?", sah Samu fragend zu Riku. Dieser nickte. „Nach einem Gespräch mit Vivi. Ich habe ihr gesagt, dass wir es versuchen sollen. Obschon ich schon damals spürte, dass es wohl ein Fehler gewesen wäre, weil ich...ich vermisste nicht sie, sondern..."
„Mich?"
„Das es weh tat.", seufzte Samu. „Doch schob ich es zur Seite. Nenne diesen Ausbruch, gegenüber Vivi, als Flucht vor meinen Gefühlen. Sie hielt mich davon ab und sagte mir Dinge, die mich zum Nachdenken anregten. Oder in meinem Fall zum träumen. Was ja irgendwie Denken im Schlaf ist."
„Der Traum, von dem du mir erzählen wolltest?"
„Ziemlich heiss, war er.", fing Samu an zu grinsen und liess seine Augenbraue tanzen. Riku musste lachen. „Als ich aufwachte, erschlug es mich beinahe."
„Was denn?"
„Die Gefühle für dich. Der Kampf von mir, gegen mein Herz. Einfach alles, was ich wohl bis dahin, erfolgreich in Schach halten konnte. Unbewusst und wohl auch ein kleines Bisschen bewusst. Das Merkwürdige war jedoch, dass ich nach dem ich erneut geschlafen hatte, nichts mehr davon wusste. Ich fühlte mich wie nach einer durchzechten Nacht mit Kater und Hangover."
„Als wir zusammen telefonierten auch noch?"
„Ja. Irgendwie. Gleichzeitig spürte ich, dass da irgendwas war. Das es mit dir zu tun haben musste. Danach habe ich mich in die Sonne gesetzt und meine Gedanken auf Reisen geschickt. Dabei kam mir der Tag in den Sinn, als du mir die Kette geschenkt hast. Und alles war wieder da. Der Nebel verzogen. Genauso wie der Hangover Zustand. Es war erneut, als würde mir jemand eine schallende Ohrfeige verpassen. Doch wehrte ich mich nicht mehr dagegen, was es auf einmal erträglicher machte." „Dann war es für dich auch ein Schock, am Anfang?"
„Was denkst du denn? Ich wäre nie auf die Idee gekommen, Schwul zu sein. Und mich auch noch in meinen besten Freund zu verlieben. Es war Horror und die Hölle. Zuerst. Danach, war es einfach nur noch schön. Diese Gefühle, die ich eigentlich nicht erst seit Amerika habe und spüre, endlich beim Namen nennen zu können und zu zulassen. Zumindest, wenn sich nicht gerade Sehnsucht, Zweifel und Angst dazu mischten."
„Vor genau dem Szenario, welches sich dir bot, als es dir rausgerutscht ist?"
Samu nickte. „Es war auch nicht so geplant und nicht an unserem Abend, den wir endlich wieder gemeinsam verbrachten. Diese verdammte Liebe überollte mich urplötzlich, als ich dich dort sitzen sah. So völlig entspannt, zufrieden, irgendwie glücklich und als würdest du dich mehr als wohl fühlen. Ich konnte sie einfach nicht mehr in Schach halten und kontrollieren."
„Ich habe mich mehr als wohl gefühlt. Zuhause. Angekommen." Riku sah Samu an und liess seine kalte Nase an seiner Wange entlang streichen.
„Jääpuikko.", lächelte Samu und gab Riku einen Kuss. Dabei blieb er stehen. Schlang seine Arme um Rikus Taille und zog ihn fest an sich heran. Aus einem leichten Kuss, wurde ein tiefer, verlangender, der beide die Kälte vergessen liess.
„Rakastan sinua.", nuschelte Riku in den Kuss.
„Koko sydämestäni.", darauf Samu und nahm den Kuss wieder auf. Dabei legte er seine ganzen Gefühle in diesen einen Kuss hinein, dass es Riku beinahe schwindelig wurde. Er hielt sich an Samu fest und schnappte heftig nach Atem, als er sich, ungern, von dessen Lippen löste.
„Alles in Ordnung, Rik?" Samu sah Riku besorgt an.
„Deine Liebe in diesem Kuss, hat mich nur gerade umgehauen und mir den Atem geraubt."
„Ich halte dich fest, dass du nicht fällst!"
„Ich weiss!", nur einen kurzen Moment, blieben sie so stehen.
„Wir werden noch fest frieren.", gab Samu zu bedenken.
„Nächstes Mal kommen wir im Sommer.", seufzte Riku.
„Normale Menschen benutzen ihr Sommerhaus ja auch in der besagten Jahreszeit.", verfiel Samu in einem Lachanfall.
Wie Riku dies liebte. Wie oft, holte ihn Samus Lachen, aus seiner missmutigen und trüben Stimmung heraus.
„Doch du hast dir hier ein echt schönes Plätzchen ausgesucht!" Samu liess seinen Blick schweifen. Sie hatten wieder den See, einfach in umgekehrter Richtung, erreicht. „War dieses Mal nichts mit Steinen ins Wasser werfen, was."
Riku schüttelte lachend den Kopf.
„Und jetzt, brauche ich es auch nicht mehr!" Riku sah Samu verliebt an. Ja, er war es wirklich und wahrhaftig. So sehr, wie wohl noch nie in seinem Leben.

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