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,,Willst du mitkommen zu uns aufs Zimmer?", fragte Rezo mich plötzlich und ich sah auf. Sie hatten beide ihren Teller bereits weggeräumt und standen fragend vor mir. Ich warf einen Blick auf die Nudeln, die ich nicht angerührt hatte.
Entweder ich blieb, starrte weiterhin an die Decke oder ging mit ihnen. Vermutlich war letzteres die beste Option, also nickte ich.
Ich folgte ihnen den Flur entlang und schließlich betrat ich ein ebenso karg eingerichtetes Zimmer wie meins. Nur lagen überall Klamotten herum und einige Bücher standen auf dem Holztisch vor dem Fenster.
,,Sorry für die Unordnung", entschuldigte sich Rezo und kickte einige Klamotten unters Bett.
Ich ließ mich auf einen der Stühle fallen. Der blauhaarige nahm den anderen und Julien setzte sich auf eines der Betten. Wir schwiegen, während ich meinen Blick genauer durch den Raum schweifen ließ. Erst jetzt erkannte ich einige Zettel mit verschiedenen Zeichnungen, hauptsächlich Drachen und anderen Kreaturen an der Tür hängen. Es schien ein verzweifelter Versuch zu sein hier die Zeit tot zu schlagen.
,,Die ersten Tage können hier sehr einsam sein", began Rezo ein Gespräch, ,,Deswegen dachte ich, wir integrieren dich mal direkt."
Ich nickte.
Ich will gar nicht intergriert werden.
Ich will weg.
,,Wieso seid ihr hier?", fragte ich, bevor einer der beiden mich zuerst fragen konnte. Stellte man eine solche Frage hier überhaupt?
Rezo schwieg, also ergriff Julien das Wort:,,Depressionen und so'n Zeug." Rezo nickte:,,Ähnlich." Jetzt lagen beide Blicke auf mir, aber ich fügte nur ein "ebenfalls" hinzu. Keiner der beiden schien wirklich darüber reden zu wollen, also ließ ich es.
Wow hast du gut gemacht Mexi, jetzt wollen sie ganz sicher nicht mehr mit dir reden.
Ich überlegte ob ich aufstehen oder gehen sollte, aber da griff Rezo das Gespräch wieder auf:,,Die meisten bleiben hier etwa drei Monate. Ich bin seit knapp einem Jahr hier. Julien kam vor 8 Monaten hierher. Wie lange sollst du bleiben?" Ich krallte mich in die Ärmel meines Hoodies. ,,Keine Ahnung", sagte ich zögernd.
Ich wollte hier keinen Tag sein, keine Wochen, keine Monate und schon gar kein Jahr. Ich will hier nur weg.

,,Die Pfleger meinten, du wärst ein Notfall. Zwangseinweisung?", fragte Rezo. Ich nickte nur und spürte wie mir wieder Tränen in die Augen stiegen.
,,Scheiße", kommentierte er.
,,Normalerweise landen die meisten entweder auf Station 4 oder 2", sagte Julien.
,,Station 4 ist die offene Station hier, 2 die geschlossene. Unsere ist irgendwas dazwischen", erklärte Rezo und lehnte sich zurück.
,,Cool", gab ich tonlos von mir. Wieso war ich dann nicht auf 2? So schlimm konnte mein Missgeschick also nicht sein.
Ich starrte auf meine Hände. Am liebsten wäre ich aufgesprungen und in "mein" Zimmer gerannt. Hauptsache weg.
Weg von diesem Gespräch.
Weg von Rezo und Julien.
Weg von meinem Gedanken.
Weg von dieser Welt.
Ich spürte die Blicke der beiden wieder auf mir. Sie stellten eine Frage, aber ich hörte nicht zu. Ich hatte keine Lust zu reden. Stattdessen gab ich mich meinen Gedanken hin, suchte nach einer Lösung wie ich hier weg konnte. Wusste das es keine gab. Verrannte mich im Hass auf mich selbst, das ich hier war.
Wollte weinen. Wollte schreien.
Wollte rennen. Aber ich blieb still.

Schließlich stand ich einfach auf. Die beiden waren wirklich nett, keine Frage, aber ich konnte das nicht. Ich ging zur Tür, rannte den Flur zu meinem Zimmer und schloss hinter mir die Tür. Wie sehr ich mir einen Schlüssel wünschte um sie zuzuschließen. Um einfach allein zu sein.
Aber stattdessen setzte ich mich auf eines der Betten, rückte zur Wand und vergrub wieder mein Gesicht in den Händen.
Wie konntest du das alles nur so verkacken, Mexify?
Wie dumm kann man sein?
Ich ließ die Tränen erneut zu die kamen. Ich ließ das Schluchzen zu. Ich ließ die Gedanken zu. Ich ließ einfach alles zu...

Irgendwann klopfte es. Jemand betrat den Raum und redete mit mir. Ich starrte nur auf den Fußboden. ,,Alle zwei Stunden kommt eine Nachtschwester und schaut ob alles okay ist. Wenn etwa ist, hast du einen Knopf über dem Bett", beendete die Stimme das Gespräch.
Dann schloss sich die Tür. Es wurde dunkler im Zimmer. Aber ich bewegte mich nicht von der Wand weg. Starrte in die Schwärze des Zimmers und überließ mich meinen Gedanken. Erst als die Tür zu meinem Zimmer sich wieder öffnete, ließ ich mich auf die Seite fallen und tat als würde ich schlafen.
Die Tür schloss sich und ich saß wieder.
Dachte weiter.
Tür auf.
Fallen.
Tür zu.
Denken.
Tür auf.
Fallen.
Tür zu.
Denken.
Erst dann überkam mich die Müdigkeit. Aber sie brachte keine Erlösung meiner Gedanken.

Psychiatrie - MexifyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt