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Ich setzte mich auf mein Bett und rückte bis zur Wand zurück. Hinter mir hörte ich wie sich die Tür mit einem leisen Klicken schloss und mich damit mit der Eisamkeit einsperrte.
Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen und seufzte. Als würde es etwas bringen einen Keil zwischen die Tür zu legen um sie zu vertreiben. Es gab nichts was sie aufhalten würde, nichts das ich tun konnte um ihr zu entfliehen. Es war als würde sie sich neben mich setzen und so dicht an mich heranrücken, dass ich ihre eisigen Finger auf meiner Haut spüren konnte.
Den ganzen Nachmittag hatte ich bei Rezo und Rewi verbracht. Irgendwann waren auch Julien und Felix dazugestoßen. Erst dann hatten wir Rewi und Felix allein gelassen.
Und jetzt war es schon wieder Abend. Draußen ging ein voller Mond auf, dessen Licht dunkle Schatten in mein einsames Gefängnis warf. Kein Gesprächsabend, kein Zimmernachbar. Nur ich und die Einsamkeit, die neben mir saß und sich an mich schmiegte, wie ein Hund an seinen Besitzer.
Früher war es mir nie so schwer gefallen allein zu sein. Ich hatte es auch nicht anders gekannt. Aber seit ich hier war, war alles anders. Es fühlte sich merkwürdig an allein zu sein. Fast so, als würde ich die Gesellschaft der Anderen vermissen.
Ich schüttelte den Kopf und seufzte. Keine Ahnung was ich wirklich fühlte. Vielleicht waren es auch nur die scheiß Medikamente, die meinen Kopf manipulierten.
Ich warf einen Blick zum Schrank und wandte ihn sofort wieder ab. Ich hatte mich heute schon einmal dagegen entschieden es zu tun. Und jetzt stand ich wieder vor dieser Entscheidung.
Ein Teil von mir wollte die Zeit zurückdrehen. Bis zu dem Tag an dem ich Rezo von Luca hatte reden hören. Ich wäre früher aufgestanden und zu Julien und Felix gegangen. Ich hätte einfach gehen sollen statt zu lauschen. Aber ich war dumm gewesen. Wie ein gieriger Wolf hatte ich meine Chance ergriffen und spielte nun mit dem Gewehr des Jägers, bis ich dem Abzug zu nahe kam. Aber wenn ich die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich vermutlich noch weiter zurückgehen und noch mehr Tabletten schlucken. Also hatte meine Dummheit wenig damit zutun, dass ich nun Klingen besaß.
Ich verschränkte die Arme und starrte in die Nacht. Irgendwie hatte ich Kopfschmerzen und irgendwie auch nicht. Irgendwie wollte ich mir etwas antun und irgendwie auch nicht. Es war zum kotzen.
Meine Gedanken spielten verrückt und es gab nichts um mich abzulenken.
Ich warf einen Blick auf die beiden Bücher, die Rezo mir nach meiner Ankunft auf den Tisch gestellt hatte. Bücher die ich lesen sollte um hier drinnen wenigstens eine Ablenkung zu haben.
Unentschlossen stand ich auf und ging darauf zu. Beide waren noch neu, die Seiten ungelesen. Ich griff nach dem größeren der beiden und hielt es ins Mondlicht.
"Depressionen - Wie ich sie besiegte" stand darauf. Darunter stand ein lachender Mann auf einem Hügel in der Sonne und breitete freudestrahlend seine Arme aus. Angewidert stellte ich das Buch zurück. Grauenhafte Buchwahl. Aber passte zu meiner Mutter.
Das kleinere Buch war bunter. "Das Cafe am Rande der Welt" stand darauf. Im schwachen Licht erkannte ich Hügel und etwas das wie ein Auto aussah. Ich drehte es herum und las desinteressiert die Rückseite. Dann legte ich es rurück.
Ich kannte das Buch. Ein Mädchen aus meiner Klasse hatte es mal im Unterricht gelesen. Sie hatte danach ununterbrochen davon geschwärmt, aber keine ihrer Freundinnen hatte es gelesen, sodass sich ihre Euphorie im mit der Zeit verloren hatte. Vielleicht war es immerhin einen Blick wert, aber gerade hatte ich kein großes Interesse zu lesen. Dazu war mein Kopf zu voll.
Wieder warf ich einen Blick zum Schrank. Also doch lieber die Klinge? Ich biss mir auf die Lippen. Eigentlich sprach nichts dagegen, außer der leichte dumpfe Schmerz, der sich meinen linken Arm hochzog. Die Schnitte verheilten langsam. Aber neue Schnitte würden sie vielleicht wieder aufreißen und mich damit wieder daran erinnern.
Ich wandte den Blick vom Schrank ab. Das Gefühl von Rezos Umarmung flammte kurz im mir auf. Er hatte mich heute zweimal umarmt. Nach der Therapie und nach Rewis Zusammenbruch. Und beide male hatte wirklich gut getan. Ich hatte mich verstanden und sicher gefühlt. Und nicht allein. Aber so schnell das Gefühl kam, so schnell verschwand es wieder.
Doch gerade als ich zum Schrank gehen wollte, ließ mich ein Klopfen an der Tür zusammenzucken.
,,Herein", sagte ich verwirrt und trat unsicher einen Schritt zurück. Wie dumm. Als wüsste derjenige was im Schrank ist und könnte eins und eins zusammenzählen. Die Tür öffnete sich und zu meiner Verwunderung betrat Rewi den Raum.
,,Wieso stehst du im Dunkel?", fragte er verwirrt und hielt inne.
,,Ich ähm...", began ich stotternd, ,,Ich mag das lieber." Eine glatte Lüge. Aber Rewi fragte nicht weiter nach.
,,Kann ich Licht machen?", fragte er. Ich nickte, obwohl ich mir nichtmal sicher war ob er es im halbdunkeln wahrnahm. Doch das tat er wohl, denn im nächsten Moment erhellte die Deckenlampe den ganzen Raum. Kurz kniff ich die Augen zusammen, dann blinzelte ich ihm entgegen.
Er sah besser aus als heute Nachmittag. Keine traurigen Augen, kein leerer Blick. Und er lächelte sogar kurz.
,,Ich wollte nur einmal danke wegen vorhin sagen", hob er leise an. Man merkte ihm seine Beschämtheit an und er sah mir auch nicht in die Augen als er sprach. Es ist ihm peinlich.
,,Kein Problem", versuchte ich mit möglichst fester Stimme zu sagen, obwohl ich mir nicht sicher war wie selbstsicher es wirklcih klang. Dann lächelte ich auch. Rewi ließ seinen Blick durch den Raum wandern.
,,Noch was?", fragte ich, als er nach einer Weile immernoch keine Anstalten machte zu gehen. Rewi sah wieder zu mir und überlegte einen Moment.
In seinen Blick trat wieder die gewohnte Selbstsicherheit die ich von ihm kannte. Offenbar also ein Themenwechsel mit dem er seinen Zusammenbruch und dessen Gespräch hinter sich lassen konnte, denn seine zurückhaltende Art wandelte sich wieder zu dem selbstbewussten Rewi, den ich kannte.
,,Ja", er räusperte sich, ,,Kann ich mal deinen linken Arm sehen?"

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