Die Welt war still. So still, dass mein eigener Atem das einzige war, dass mich daran erinnete, dass ich nicht taub war.
Seit gut einer Stunde lag ich nun so da und starrte an die Decke über mir. Erstaunlicherweise hatte ich aufgehört zu weinen und lag einfach nur da.
Nichtmal irgendein sinnloser Gedanke durchbrach die Stille. Es war fast schon friedlich. Keine Gespräche, keine Pfleger, keine Gedanken, kein Selbsthass, keine Lügen... aber dafür auch kein Rezo...
Und dennoch genoss ich die Stille fast schon. Sie hatte etwas beruhigendes und schien gerade das einzige zu sein, dass irgendwie Trost spenden konnte. Einfach daliegen und nichts tun. Keine Erwartungen, kein toter Rezo, keine Traurigkeit...
Doch dann wurde die Stille durchbrochen, als sich die Tür erneut öffnete und ein Mann mit blauem Hemd den Raum betrat. Er hatte kurze schwarze Haare und einen grauen Bart. In seiner rechten Hand hielt er eine grüne Mappe und einen Stift.
Ich drehte den Kopf ein Stück zur Seite und beobachtete, wie er zu meinem Bett trat und sich auf einen Stuhl daneben setzte, den ich vorher nicht wahrgenommen hatte.
,,Hallo Maximilian", begrüßte er mich. Mexify. Seine ruhige Stimme erinnerte mich ein wenig an Taddl, so tief war sie.
,,Mein Name ist Henri Thäler und ich bin der leitende Psychiater hier", erklärte er. Ich schwieg. Den Namen hatte ich bereits vor meiner Ankunft gehört. Er hatte ein Aufnahmegespräch im Krankenhaus mit mir geführt, an das ich mich jedoch nicht erinnerte. Und selbst wenn, war es mir sowieso egal.
,,Ich bin hier um mit dir über das zu reden was passiert ist und wie wir weiter verfahren", er öffnete die Mappe und blätterte darin herum. Ich drehte den Kopf wieder zur Decke und schloss die Augen. Ist mir doch egal... mir ist alles egal.
,,Wie ich hörte waren Yannik, oder Rezo, wie er für euch hieß, und du sehr gute Freunde", began Herr Thäler nach einer Weile mit belegter Stimme und ich zuckte zusammen. Ohne es zu wollen nickte ich. Ja, wir waren Freunde gewesen...
,,Wie Sebastian dir bereits mitgeteilt hat", fuhr der Psychiater fort, ,,Hat Rezo sich heute morgen im Badezimmer von eurer Station das Leben genommen. Die Rettungssanitäter und mein Team haben alles versucht um ihn zu retten, doch unsere Hilfe kam leider zu spät." Hilfe? Ich schloss erneut die Augen.
Hilfe... Ich wollte lachen. Als wären sie Rezo eine Hilfe gewesen.
Es war sein dritter Suizidversuch gewesen. Ihn weiter zum Leben zu zwingen wäre eine Strafe und keine Hilfe gewesen. Wir hatten uns alle von dem blenden lassen, was er uns gezeigt hatte, doch in Wahrheit hatte er die ganze Zeit gelogen. Er hatte nie leben gewollt, wie auch nach zwei gescheiterten Versuchen?
Genau wie ich war er dem Tod nachgesetzt und hatte sich viel schlauer als alle anderen angestellt. So war es doch gewesen oder?
,,Es tut mir sehr Leid", Herr Thäler seufzte, ,,So etwas darf hier nicht passieren." Richtig. Aber wenn man nicht einmal mitbekommt, dass sich einer der Patienten ebenfalls das Leben hätte nehmen können einige Wochen zuvor, sollte man sich keine Hoffnungen machen. Aber ich sprach es nicht aus.
Herr Thäler began weiter zu erzählen, doch ich blendete ihn aus. Es war doch ganz egal, wie Rezo gestorben war. Wieso und wieso auch nicht. Es war doch völlig egal.
Was zählte war die Tatsache, dass er tot war. Er hatte sich selbst getötet, weil ihm diese Welt nicht das gegeben hatte, was er brauchte. Hatte sich für den verdammten Tod entschieden, weil wir alle so dumm gewesen und ihm seine Maske abgekauft hatten. Er hatte uns alle belogen. Viel zu gut.
Ich drehte meinen Kopf zu dem Psychater zurück und musterte ihn, ohne seinen Worten zuzuhören. Ob er verstand, was Rezos Tod bedeutete? Ob er die Tiefe hinter seinem Suizid erfasste?
Oder war er am Ende doch nur die Patientennummer mit Mappe und Psychologin gewesen?
War er ein Freund oder nur ein psychisch kranker Junge?
War er einer der Grund leben zu wollen oder nur der Junge, der zwei Suizidversuche überlebt hatte?
War er die Person, die jeden gerettet hätte oder nur der Junge, der es geschafft hatte sich in der Psychiatrie das Leben zu nehmen? Wer war Rezo für Sie?
Aber natürlich bekam ich keine Antwort. Denn ich kannte sie bereits.
Es schien so unfair, zu wissen, dass Rezo ihnen nichts bedeutete, wenn er einer der wenigen Menschen in meinem Leben gewesen war, die dazu beigetragen hatten, dass ich leben statt sterben wollte. Wie konnte ein Mensch jemandem so viel und einer anderen Person so wenig bedeuten? Machte das ihren Tod wertvoller oder wertloser?
Ich schüttelte innerlich den Kopf. Rezos Tod konnten sie nicht rechtfertigen. Er war hier gewesen, damit sie sein Leben in den Griff bekamen. Nach zwei Suizidversuchen, der Geschlossenen und der Selbstverletzung. Er hatte ein glückliches Leben verdient und war am Ende hier drinnen gestorben. Allein, ohne irgendjemanden, der ihm sagte, dass er bleiben sollte.
Und das nur, weil ihm alle sein verdammtes Lächeln abgekauft hatten. Sogar ich. Sogar ich hatte mich davon blenden lassen. Hatte geglaubt, dass er vielleicht wirklich so gewesen war. Depressiv, aber genauso voller Energie und Freude, wie er sich gegeben hatte. Doch am Ende war es wohl nur eine dicke Lüge gewesen. Eine scheiß Lüge, die ich ihm geglaubt hatte.
,,Wir müssen auch mit dir einiges besprechen", fuhr Herr Thäler fort, ,,Uns sind deine frischen Schnittverletzungen an deinen Unterarmen aufgefallen. Bei der Durchsuchung deines Zimmers haben wir jedoch keinen scharfen Gegenstand auffinden können. Dennoch müssen wir Maßnahmen ergreifen. Zu deinem eigenen Schutz." Er beugte sich vor und begutachtete meine Unterarme. Ich wandte den Blick beschämt ab.
,,Deiner Akte nach hattest du schon vor deinem Aufenhalt mit selbstverletzenden Verhalten zu kämpfen und da daraus ein Suizidversuch folgte, haben wir beschlossen dich erst einmal auf Station 2 zu verlegen. Wir müssen eine Eigengefährdung erst ausschließen und das in den Griff bekommen, bevor wir dich wieder auf 3 zurückverlegen können. Verstehst du das?" Ich schwieg. Macht nur. Macht egal was. Mir ist eh alles egal...
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Psychiatrie - Mexify
Fiksi Penggemar,,Bevor ich an meinen Gedanken sterbe, beende ich es lieber selbst" Nach einem gescheiterten Suizidversuch wird der 17.jährige Mexify in die Psychiatrie eingewiesen. Man will seine Psyche in den Griff bekommen, aber für Mexify scheint es nur noch ei...