,,Morgen Mexify", begrüßte mich Julien, als ich mich neben ihm auf dem Stuhl niederließ und meinen Teller mit Rührei vor mir auf den Tisch stellte.
,,Morgen", murmelte ich nicht gerade begeistert und verdrehte die Augen. Der Morgen lief bisher wirklich super.
Die Nacht war grauenhaft gewesen. Immer wieder war ich aufgewacht, weil eine Schmerzenswelle durch meinen Arm gefahren war. Erst nach dem Aufstehen hatte ich mich getraut, den provisorischen Verband zu entfernen. Der Stoff war blutverklebt gewesen und es hatte geschmerzt ihn von den Schnitten zu lösen.
Meine Arme sahen auch nicht besser aus. Die neuen Schnitte zeichneten sich deutlicher ab als die letzten male. Auch am rechten Arm. Aber gerade war es mir egal. Mir war alles egal.
,,Wie hast du geschlafen?", fragte er weiter und biss in sein Brot. Scheiße.
,,Geht so", ich versuchte ein Lächeln.
,,Wird wieder besser", versuchte Julien mich aufzumuntern.
,,Bei deinem gestrigen Tag ist das ja auch kein Wunder", mischte sich Rezo ein und erwiderte mein Lächeln.
,,Morgen", Rewi schob seinen Stuhl zurück und ließ seinen Teller lautstark auf den Tisch knallen. Dann warf er einen Blick in die Rund eund blieb kurz an mir hängen.
,,Sorry für die Bemerkung, aber du siehst scheiße aus", er grinste und setzte sich, ,,Also müde und so." Kurz wollte ich zusammenzucken, aber ich riss mich zusammen. Es war ein Witz, nicht ernst gemeint.
,,Du auch", ich erwiderte ungewollt sein Grinsen. Tatsächlich lockerte es irgendwie die Stimmung.
,,Sieht er immer", Felix setzte sich ebenfalls.
,,Ey", Rewi schlug ihm sanft auf den Hinterkopf, ,,Als Hässlichster von uns allen, solltest du mal ganz ruhig sein." Felix sah gespielt wütend zurück.
,,Bevor ihr euch kloppt", fuhr Rezo grinsend dazwischen, ,,Kommt wer nachher mit zum Kunstangebot?" Ich sah neugierig zu Rezo. Kunstangebot?
,,Och ne, bitte nicht schon wieder, Rezo", Rewi faltete die Hände zu einem Gebet, ,,Bitte zwing uns nicht dahin zu gehen."
,,Ich frag doch nur", lachte Rezo.
,,Ja, aber du willst, dass wir mitkommen, dass seh ich doch", Rewi hob bettelnd die Hände, ,,Also sag mir ins Gesicht, dass ich mich irre."
,,Kann ich nicht", Rezo zuckte mit den Schultern, ,,Ich hätte Bock."
,,Ich bin dabei", Julien zeigte Rezo einen Daumen hoch, ,,Letztes mal wars schon cool."
,,Also wenn ich ans letzte mal denke, sehe ich Rewi, wie ihm die Schere abgenommen wird", gluckste Felix und versuchte nicht laut loszulachen.
,,Das war nicht lustig", beschwerte sich Rewi und musste sich dennoch genau wie Felix zusammenreißen.
,,Ihr müsst das jetzt schon erzählen", hörte ich mich sagen. Wow, seit wann interessiert dich sowas? Ich war irgendwie selbst ein wenig überrascht von mir. Aber vielleicht wollte ich auch einfach nicht weiter an gestern Abend denken gerade.
,,Die Story ist genial", Julien ergriff sofort das Wort und drehte sich zu mir, ,,Als wir das letzte mal zusammen das Kunstangebot hatten, hat man Rewi die Schere weggenommen. Beim Kunstangebot bastelt man so Sachen und so. Und beim Ausschneiden von so Schmetterlingen hat Rewi sich so blöd angestellt, dass man ihm halt alles weggenommen hat, weil die dachten, er schneidet sich sonst alle Finger ab-"
Er musste sich kurz lachend unterbrechen. Dafür erntete er einen wütenden Blick von Rewi.
,,Naja und Rewi fand das nicht gut und hat sich die Schere zurückgeholt und sich dann wirklich geschnitten", beendete Julien seine Erzählung und lachte wieder los. Rezo und Felix schlossen sich an und Rewi entlockte es ein Grinsen.
,,Schmetterlinge?", fragte ich nach und musste ebenfalls Grinsen.
Rewi zuckte mit den Schultern:,,Das waren echt coole Schmetterlinge."
,,Das stimmt", lachte Felix. Irgendwie war die Vorstellung, dass der so cool wirkende Rewi Schmetterlinge ausschnitt fast noch amüsanter als die Tatsache, dass er sich wirklich geschnitten hatte nach seinem Scherenverbot.
,,Also gehen wir alle?", fragte Rezo und sah erneut fragend in die Runde, ,,Mexify, glaub mir, das ist echt cool da."
Ich nickte zögernd. Es klang nicht ganz so schlecht, auch wenn ein Teil von mir am liebsten allein im Zimmer gesessen hätte.
,,Bin bereit Schmetterlinge auszuschneiden", ich nickte, auch wenn man meine Unsicherheit vermutlich heraushörte.
,,Glaubt ihr, Rewis Scherenverbot ist aufgehoben?", Felix lachte wieder los.
,,Bestimmt nicht", grinste Julien.
,,Gott, es reicht langsam", Rewi verdrehte die Augen, aber man sah ihm an, wie sein Mundwinkel zuckte.
,,Schmollt da jemand?", Rezo hatte offenbar Gefallen daran gefunden ihn ebenfalls zu necken.
,,So lustig wars jetzt auch nicht", Rewi versuchte sich sein Grinsen immernoch zu verkneifen.
,,Hat da jemand etwa noch ne Narbe von?", lachte Julien und ließ sich im Stuhl zurückfallen. Rewi verdrehte wieder die Augen und hielt seine rechte Hand hoch.
,,Sieht man net mal", er lächelte stolz.
,,Oh doch", Felix griff nach seiner linken Hand und hielt deren Zeigefinger hoch.
Dann deutete er auf eine kleine Narbe: ,,Tadaa."
,,Ey", Rewi zog die Hand weg, aber dieses mal musste er Grinsen, ,,Spasti..."
,,Ich kenn dich zu gut", lachte Felix.
,,Nicht reden, essen", Rewi deutete auf Felix Teller. Dieser griff nach seinem Brot und biss hinein. Irgendwie tat es gerade gut sie lachen zu sehen. Gestern war so scheiße gewesen, dass mir jede Stimmungsänderung gut tat. Und sie verdängten meine dunklen Gedanken. Zumindest für einen kurzen Moment.
,,Ich geh den Pflegern Bescheid sagen", Rezo stand auf und verließ den Speiseraum.
,,Der will da nur hin um mich bloß zu stellen", Rewi zeigte mit dem Messer in der Hand auf Rezo, der gerade im Flur verschwand.
,,Ach Quatsch", man hörte die Ironie in Felix Stimme heraus.
,,Rezo doch nicht", winkte auch Julien ab und wechselte einen neckischen Blick mit Felix.
,,Mexi, du hälst aber zu mir, oder?", wandte sich Rewi an mich.
,,Klar", ich nickte langsam, ,,Aber die Kinderscheren überlass ich dann mal dir."
,,Oh mein Gott, ja!", rief Felix und lachte wieder los, ,,Du meinst diese bunten stumpfen Scheren, oder?" Ich nickte und grinste zu Rewi.
,,Verräter", er zwinkerte mir zu. Ich grinste ihn unschuldig an. Und gleichzeitig spürte ich wie meine innere Spannung verschwand. Es war merkwürdig.
Noch vor einigen Stunden hatte ich gehen wollen und gerade hatte ich wieder das Gefühl zu leben. Einfach nur weil sie mich zum Lachen brachten. Wo soll das enden?
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Psychiatrie - Mexify
Fanfiction,,Bevor ich an meinen Gedanken sterbe, beende ich es lieber selbst" Nach einem gescheiterten Suizidversuch wird der 17.jährige Mexify in die Psychiatrie eingewiesen. Man will seine Psyche in den Griff bekommen, aber für Mexify scheint es nur noch ei...