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Unsicher klopfte ich an die Tür und wartete dann davor.
,,Du brauchst doch nicht klopfen", hörte ich Rewis Stimme gedämpft, dann öffnete er mir die Tür, ,,Du bist hier jederzeit willkommen."
,,Ich auch?", Julien hinter mir streckte den Kopf über meine Schulter und musterte Rewi interessiert.
Rewi lachte auf:,,Immer."
,,Auch um 4 Uhr Nachts?", Rezo drängte sich an Julien und mir vorbei und warf Rewi ein neckisches Grinsen zu. Wieder musste Rewi lachen.
,,Wenn die Nachtpfleger dich nicht erwischen auch dann", antwortete er.
,,Werd ich mal ausprobieren", hörte ich mich sagen und betrat das Zimmer.
,,Bin ich gespannt", Felix saß auf seinem Bett und klopfte neben sich auf die Bettdecke. Dankbar dafür, dass er mir damit meine Platzwahl abnahm, setzte ich mich. Rezo und Julien setzten sich auf Rewis Bett, während der die Tür schloss.
,,Wow danke, ihr seid so tolle Gäste", bemerkte er mit einem Seitenblick auf beide.
,,Komm her", bot Felix an und rückte an die Wand. Er klopfte vor sich auf die Bettdecke. Doch Rewi betätigte nur den Lichtschalter und ließ uns in völliger Dunkelheit zurück. Ich blinzelte mehrfach, bis sich meine Augen an die plötzliche Schwärze gewöhnt hatten.
Aber da war es schon zu spät den schwarzen Schatten zu erkennen, der plötzlich neben mir auf dem Bett landete. Felix stieß einen kurzen Entsetzenschrei aus und ich zuckte zusammen. Dannn herrschte kurz Stille, die erst vom Lachen aus der anderen Zimmerecke unterbrochen wurde. Rewi war einfach so vor Felix aufs Bett gesprungen, ohne dass man sein Manöver hätte erahnen können.
,,Du Bastard", schmollte Felix, dem man seinen Schrecken anhören konnte.
Rewi lachte nur:,,Sorry. Es bot sich einfach an." Langsam konnte ich Rewis Kontur neben mir genaustens von der Dunkelheit unterscheiden. Er hatte sich an Felix angewinkelte Beine angelehnt und die Arme vor der Brust verschränkt.
,,Themenvorschläge?", fragte er.
,,Mexi wollte wissen, wie lange wir noch bleiben", erinnerte sich Julien sofort.
,,Stimmt", warf ich einfallslos ein.
,,Also ich weiß es nicht", began Rewi sogleich, ,,Ich bin jetzt fast ein Jahr hier und es sieht bisher nicht nach einer zeitigen Entlassung aus." Felix hinter ihm nickte:,,Same."
,,14 Monate sind es bald", überlegte Rezo, ,,Vielleicht komm ich irgendwann auf 4, aber ne Entlassung wird es wohl nicht werden." Auch wenn es dunkel war, konnte ich sehen, dass sich alle Köpfe zu Julien wandten. Aber dieser schwieg.
,,Ju, du bist", erinnerte Rezo ihn und stieß ihm in die Seite.
,,Weiß ich", brummte Julien nachdenklich. Dann holte er tief Luft. ,,Also eigentlich wollte ich euch das noch nicht sagen, aber meine Therapheutin würde mich gerne jetzt schon auf 4 umziehen lassen. Und wir haben auch über eine Entlassung in ein paar Wochen geredet", hob er schließlich zögernd an.
,,Was?", fragte Rezo geschockt.
,,Entlassung?", Felix entsetzten Blick konnte ich mir bildlich vorstellen.
,,Ja", Julien nickte, ,,Aber keine Sorge, dass wird nichts werden. Ich möchte meine Traumatherapie hier beenden und die wird noch dauern. Also bleib ich wohl auch erstmal."
Man hörte Rezo ausatmen:,,Ey ich dachte grad du verlässt uns."
,,Nein", Julien lachte auf, ,,So leicht wird man mich nicht los."
Entlassung. Würde man mir diese Möglichkeit anbieten, würde ich sie wohl ergreifen. Aber nicht um ein normales Leben zu führen, sondern um es zu beenden. Aber Julien war da auch anders. Er wollte leben. Er wollte das wirklich.
,,Du könntest auch schon lange auf 4 sein, Rezo", lenkte Rewi das Gespräch in eine andere Richtung, ,,Und du auf 2", kicherte Felix in den Moment hinter ihm.
,,Ey", Rewi drehte sich blitzschnell zu ihm um und ich sah wie sich sein Schatten über den von Felix senkte.
,,Ich kann dich auch gleich wieder allein lassen", versuchte er mit ernster Stimme zu sagen, aber man hörte sein Grinsen heraus. Irgendwie erwartete ich einen Stimmunsumschwung. Entweder von Rezo oder von Felix. Wie beim letzten mal. Aber zu meiner Verwunderung hörte ich Felix erstickt lachen.
,,Hör auf zu Lachen, du", Rewi hatte sich jetzt komplett über Felix gebeugt, der nicht mehr aufhören konnte zu lachen.
,,Was tut ihr da?", hörte ich Rezo neugierig sagen, ,,Mexi, berichte mal."
,,Keine Ahnung", gestand ich und versuchte in der Dunkelheit genaueres zu erkennen.
,,Ficken die gleich?", fragte Julien und stand auf. Diese Frage brachte uns alle so sehr zum Lachen, dass Rewi über Felix zusammenbrach und die beiden lachend aufeinanderlagen.
,,Jetzt ja", lachte ich.
,,Das muss ich sehen", Julien sprang auf und lief durch die Dunkelheit zu uns. Aber er schätzte die Entfernung zu gering ein und ich sah nur wie ein riesiger Schatten über mir zusammenbrach.
,,Fuck", konnte Julien noch sagen, dann lag er auch schon auf mir. Mit seinem zusätzlichen Gewicht fiel mir das Lachen schwer, aber ich konnte einfach nicht aufhören.
,,Reporter Rezo kommt", warte Rezo uns vor, dann verdoppelte sich das Gewicht auf mir.
,,Üff", war das einzige was ich sagen konnte, dann drückte man mir die Luft ab.
,,Das ist ein Gesprächsabend, kein Raufabend", kommentierte Felix, dessen Stimme durch den Stoff von Rewis Hoodie kaum zu hören war.
Rezo stützte sich auf meinem Arm ab und wollte aufstehen, als mir ein ersticktes Zischen entfuhr. Er hatte sich genau auf die frischen Schnitte gestellt und den Stoff meines Hoodies dabei schmerzhaft darüber gezogen. Ich kniff die Augen zusammen und spürte wie mein Arm zur Seite zuckte.
,,Oh sorry", entschuldigte sich Rezo, ,,Wollte deinen Arm nicht treffen."
,,Passt", sagte ich schnell, auch wenn der Schmerz und Juliens Gewicht die Luft raubten. Aber lieber das, als wenn er Verdacht schöpfte. Rezo setzte sich neben uns aufs Bett und griff nach Juliens Arm. Dann zog er ihn von mir runter.
Und damit landete auch Julien auf meinem Arm. Erneut schoss ein brennender Schmerz durch meinen Körper. Fuck.
Ich unterdrückte einen Schmerzenslaut und setzte mich schnell auf. Ich ließ meine Hand in der Hoodietasche verschwinden und drückte den Arm an mich. Auch ohne ihn anzusehen war ich mir sicher, dass der tiefste Schnitt erneut angefangen hatte zu bluten.
Und mit dem Gedanken verschwand mein Lachen. Es war einfach nicht möglich lange Zeit Spaß zu haben, wenn man so kaputt war wie ich.

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