Ich starrte in die gelbliche Suppe vor mir. Ein Stück Kartoffel trieb vor meinen Augen vorbei.
,,Wenn du die Suppe weiter so anstarrst, bekommt die noch Augen", meldete sich Julien neben mir, woraufhin Rezo glucksen musste und beihnahe seine Suppe über den Tisch verteilte. Schnell schluckte er und zeigte mit dem Löffel auf mich.
,,Julien hat Recht", tadelte er, ,,Du solltest echt was essen." Vorsichtig nahm ich einen Löffel und pustete.
,,Die ist eh kalt, solange wie du sie schon anstarrst", kommentierte Julien und schlürfte die Reste seiner Suppe.
Ich spürte wie ich rot wurde und ließ den Löffel schnell in meinem Mund verschwinden. Sie schmeckte ziemlich salzig, aber ansonsten gar nicht schlecht. Ich streckte gezwungen meinen Daumen nach oben und nahm einen weiteren Löffel. Aber meine Gedanken waren ganz woanders.
Sowohl Rewi, als auch Felix waren seit heute morgen verschwunden. Ich hatte mir den ganzen Morgen anhören müssen, wie Julien und Rezo darüber diskutiert hatten, ob sie Rewi wieder auf Station 2 schickten oder ihm noch eine Chance gaben.
Eigentlich war es mir gleich, ob er blieb oder wieder auf 2 ging. Ich mochte Rewi, aber den Schock von heute morgen konnte ich nicht vergessen.
,,Felix kommt bestimmt noch zum Mittagessen", sagte Rezo in meine Richtung und ich sah zu ihm.
Er lächelte mir aufmunternd zu: ,,Der hat in seiner Zeit mit Rewi noch schlimmeres überstanden."
Ich zog eine Augenbraue hoch:,,Zum Beispiel?" Rezo hob zu einer Antwort an, aber ein Rülpsen von Julien unterbrach ihn. Ohne es wirklich zu wollen musste ich grinsen.
,,Sorry", entschuldigte dieser sich und konnte sich ein grinsen ebenfalls nicht verkneifen, ,,Die Suppe war echt gut. Ich hol mir mal noch eine Portion." Unter unseren Blicken stand er auf und ging mit seiner Schüssel zur Essensausgabe.
,,Julien kann vielleicht nicht viel, aber im Essen ist er unschlagbar", Rezo wandte den Blick von ihm ab und schüttelte den Kopf.
Ich nickte:,,Stimmt." Irgendwie hatte es meine Stimmung ein wenig gehoben. Erneut nahm ich einen Löffel von der Suppe.
,,Zurück zu deiner Frage", begann Rezo, ,,Körperlich hat Rewi Felix eigentlich noch nie etwas getan, soweit ich weiß, aber wenn Rewi seine Aussetzer hat, schreit er sehr viel. Denke spurlos geht das an Felix auch nicht vorbei."
,,Kann ich mir vorstellen", flüsterte ich und sofort trieben meine Gedanken wieder ab.
Felix war definitiv nicht stabil, aber anscheinend trieb er sich ja immernoch mit Rewi rum, auch wenn er ihn anschrie. Eine solche Ausdauer könnte ich nie besitzen.
,,Naja, mal schaun was-", hob Rezo an, brach aber sofort ab und drehte seinen Kopf zur Tür. Gerade betrat Felix den Raum.
Ohne auch nur einen Blick auf die Essensausgabe zu werfen, ging er zu unserem Tisch und setzte sich. Über seiner Lippe war ein kleines weißes Pflaster geklebt worden und er drückte sich ein Kühlpack an den Kiefer.
Aber viel mehr stachen die Augen hervor. Sie waren nicht mehr so braun, wie gestern Abend. Viel mehr hatten sie einen deutlich helleren Ton und wirkten trist.
,,Felix, alles okay?", fragte Julien als erster und setzte sich mit einer vollen Schale zu uns. Felix schwieg kurz, dann schüttelte er den Kopf.
,,Was ist mit deiner Lippe?", fragte Rezo und setzte sich auf den Stuhl neben Felix.
Felix drehte sich zu ihm:,,Ist nichts. Nur aufgeplatzt."
,,Zeig mal", Rezo schob Felix Hand mit dem Kühlpack zur Seite und musterte das Pflaster.
,,Es ist nichts!", betonte Felix und legte sein Kühlpack genervt wieder an seinen Kiefer.
,,Gut", Rezo hob beschwichtigend die Hände und setzte sich wieder auf seinen Platz.
,,Was ist mit Rewi?", fragte ich und biss mir auf die Lippen. Die Frage war riskant. Bitte Mexi! Denk einmal nach, bevor du redest!
Aber erstaunlicherweise seufzte Felix nur und zuckte mit den Schultern.
,,Keine Ahnung", waren seine einzigen Worte. Sie klangen so gebrochen, dass ich meine nächste Frage für mich behielt. Auch die anderen schwiegen und ich starrte auf die Suppe vor mir.
Felix tat mir Leid. Er hatte Rewi gerademal drei Tage wieder und schon musste er befürchten, dass er ihn wieder verlor. Dass sie ihn zurück auf die Geschlossene schickten. Dorthin, wo Felix ihn schon einmal hingebracht hatte. Mit einem mal glaubte ich zu fühlen, was Felix fühlte.
Er ist wegen mir dort. Weil ich ihn beruhigen wollte. Weil ich zu schwach war um mich zu verteidigen. Waren das seine Gedanken?
,,Suppe?", fragte Julien in die Stille und sah fragend zu Felix. Aber dieser zeigte keine Reaktion und starrte nur weiterhin aus dem Fenster. Ich folgte seinem Blick.
Dunkle Wolken hingen am Himmel und irgendwann würde es wohl anfangen zu regnen. Das Wetter passte also.
,,Iss du wenigstens", Julien stieß mich mit seinem Ellenbogen an und zuckte erschrocken zusammen. Perplex nickte ich und nahm einen weiteren Löffel Suppe.
Grinsend betrachtete mich Julien:,,Ach so funktionierst du."
Ich sah ihn fragend an.
,,Na, ich muss dich nur erschrecken und aus Reflex isst du", gab er bereitwillig Auskunft. Wenn es doch so einfach wäre.
,,Ich kann auch aufhören", sagte ich provokant, aber grinste zurück.
,,Wehe", Rezo wandte ebenfalls seinen Blick von Felix ab, ,,Du musst noch gemästet werden."
,,Pff", war das einzige das mir darauf einfiel. Dafür fiel mir aber etwas anderes ein, als mein Blick auf die Uhr hinter Rezo fiel.
,,Oh fuck", ich schob die Suppe weg und stand auf, ,,Ich hab Therapie."
,,Wie, jetzt?", fragte Julien verwirrt.
Ich nickte:,,Um kurz vor zwei."
,,Es ist schon kurz vor zwei?", Rezo drehte sich ebenfalls zur Uhr, ,,Dann muss ich auch weg. Um zwei hab ich Musiktherapie."
,,Musiktherapie?", äffte ich fragend nach.
,,Ja", unsicher lächelte er, ,,Erst wurd ich gezwungen, aber mitlerweile ist es gar nicht so übel."
,,Was macht ihr da denn?", fragte ich weiter.
,,Wir spielen Instrumente", erklärte Rezo und schob seine leere Schüssel in die Tischmitte, ,,Ist echt ganz lustig."
Klang es ganz und gar nicht. Erstens konnte ich kein Instrument spielen und zweitens wollte ich auch nicht zuhören wie es ein Haufen Psychos versuchte.
,,Bis später", Rezo winkte Julien und Felix.
,,Biff dann", nuschelte Julien mit vollem Mund. Felix reagierte wieder nicht.
Kurz starrte ich ihn noch an, dann drehte ich mich um und folgte Rezo.
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Psychiatrie - Mexify
أدب الهواة,,Bevor ich an meinen Gedanken sterbe, beende ich es lieber selbst" Nach einem gescheiterten Suizidversuch wird der 17.jährige Mexify in die Psychiatrie eingewiesen. Man will seine Psyche in den Griff bekommen, aber für Mexify scheint es nur noch ei...