Ich hatte das Gefühl als hätte er mir den Boden unter den Füßen weggezogen, statt mir diese Frage zu stellen. Als würde ich fallen, mit dem Wissen, gleich aufzuschlagen. Aber die Luft blieb mir schon jetzt weg.
Fassungslos starrte ich Rewi an, der mich fragend ansah. Bitte nicht. Bitte, bitte nicht.
Ich hatte das Gefühl nicht mehr sprechen zu können. Mein Mund fühlte sich trocken an. Meine Knie zitterten und ich glaubte keine Luft zum Atmen zu haben.
,,Bitte, Mexify", Rewi machte einen Schritt auf mich zu und sofort wich ich einen zurück. Was sollte ich tun?
Lüg ihn an. Eine dumme Idee, er hatte meinen Arm gesehen. Er hatte die scheiß Schnitte gesehen!
Wieder machte Rewi einen Schritt auf mich zu, dieses mal wich ich jedoch nicht zurück. Ich konnte nicht. Hinter mir war der Schrank. Wie ein Tier, dass man in die Enge getrieben hatte, starrte ich ängstlich zu Rewi, der jetzt fast vor mir stand und dessen Gesichtsausdruck ich nicht deuten konnte.
Sein Blick wanderte zu meinem Arm und er griff vorsichtig mit seinen Händen nach meinem Ärmel. Nein, bitte nicht. ,,Nein", ich wusste nicht woher ich die Kraft und den Willen nahm, aber ich griff mit meiner rechten Hand nach seiner und hielt sie fest.
Dann sah ich ihn fast flehend an:,,Bitte nicht."
Ich hörte wie meine Stimme brach. Wie gebrochen sie klang, wie schwach, wie flehend.
,,Tut mir Leid", entgegnete Rewi jedoch nur und schob etwas unsanft meinen Ärmel nach oben. Sofort wandte ich den Blick ab und biss mir auf die Lippen. Scheiße.
Ich hörte wie Rewi die Luft anhielt und meinen Arm betrachtete. Ich unterdrückte den Impuls meinen Arm wegzuziehen, aber sein Blick brannte mehr als die Narben selbst auf der Haut. Ja, sieh dir an was ich veranstaltet habe. Sieh dir an wie ich mir die Haut aufgeschnitten habe. Sieh dir an wie kaputt ich bin.
Erst als ich seinen Blick nicht mehr aushielt, zog ich meinen Arm zurück und sah widerwillig zu Rewi, der schweigend meinen Arm gemustert hatte. Ich spürte wie ich zitterte.
Ich spürte die Angst. Die Angst, dass er mich hassen könnte. Die Angst, dass er einen Pfleger rief. Die Angst, dass er mich anschreien würde. Und die Angst, dass er zu Rezo und Julien gehen würde und es ihnen sagte.
Es dauerte einen Moment, bevor Rewi sich rührte. Er setzte sich auf einen der Stühle am Tisch und musterte mich. Seinen Blick konnte ich immer noch nicht deuten.
,,Ich wollte, ich hätte mich vorhin getäuscht", hob er schließlich an. Die Enttäuschung und Sorge in seiner Stimme war nicht zu überhören.
,,Du hast es gesehen...", murmelte ich mühsam und zog meinen Ärmel wieder über meinen Arm. Er nickte. Dann schwieg er wieder und schien zu überlegen.
Jetzt spürte ich, wie meine Beine wirklich nachgaben und so ließ ich mich an den Schrank gelehnt zu Boden sinken. Aber die Angst blieb.
,,Ich-", hob Rewi erneut zögernd an, ,,-Ich verstehe es nicht, Mexify." Sein fragender Blick ruhte auf mir.
,,Was verstehst du nicht?", fragte ich schwach. Ich hatte das Gefühl als würde mich mein gesamter Körper zum Boden ziehen. Wie ein Magnet, den man nicht lösen konnte. Das Gefühl war bedrückend.
,,Ich verstehe gar nichts daran", Rewi zeigte auf meinen Arm. Ich unterdrückte den Impuls den Blick abzuwenden.
,,Da gibt es auch nichts zu verstehen", flüsterte ich leise.
,,Wieso, Mexi?", fragte er schließlich und sah mich fragend an. Ich zuckte mit den Schultern.
,,So bin ich eben", antwortete ich matt. Es war keine gute Antwort und klang so ausweichend, wie es gemeint war.
,,Du weißt, dass die Pfleger dich dafür auf 2 stecken können?", fragte Rewi besorgt und schüttelte fassungslos den Kopf.
,,Machen sie bei Rezo ja auch nicht", hörte ich mich trotzig sagen.
,,Das ist was anderes", warf Rewi ein. Ist es nicht. Aber ich schwieg.
Komm, hol endlich die Pfleger. Bring mich auf 2. Vielleicht ist es sogar besser. Hier mache ich ja eh nur alles kaputt. Besonders mich selbst.
,,Wo sind die Klingen?", fragte Rewi und stand auf. Ich presste die Lippen aufeinander.
,,Ich hab sie weggeschmissen", log ich und versuchte meine Stimme nicht ganz so schwach klingen zu lassen. Rewi seufzte.
,,Auch wenn ich dir das nicht glaube, kann ich ja schlecht das ganze Zimmer auf den Kopf stellen", er sah sich im Raum um, machte aber keine Anstalten zu suchen.
,,Hab ich wirklich", versuchte ich meine schlechte Lüge Aufrecht zu erhalten.
Rewi drehte sich zu mir um:,,Mexi, ich war vielleicht lange blind, aber blöd bin ich nicht!" Wieder biss ich mir auf die Lippen. Er hatte ja Recht.
,,Sorry", murmelte ich leise und sah auf den Boden vor mir. Mein Herz hämmerte in meiner Brust und ich hatte gleichzeitig das Gefühl nie wieder atmen zu können. Die Angst hatte sich um mein Herz gelegt und umschlang es wie eine Schlinge.
,,Wie oft?", fragte Rewi nach einer Weile.
,,Zweimal", flüsterte ich schwach und schloss meine Augen. Ich wusste nichtmal weswegen ich ihm überhaupt antwortete.
Wie gerne wäre ich jetzt tot. Dann müsste ich die ganzen Gefühle und dieses Gespräch nicht ertragen. Dann wäre ich weit fort und nicht hier mir Rewi.
,,Okay, Mexify?", Rewi kniete sich vor mich und sah mir in die Augen, ,,Kannst du wenigstens versuchen es zu lassen?" Seine Frage verwirrte mich. Ich musterte seine Augen. Sie waren braun. Braun wie das Holz einer alten Eiche, dass in der Sonne schimmerte. Ich nickte nur schwach und wandte den Blick ab.
,,Mexi, bitte", wiederholte Rewi und drehte meinen Kopf zu sich, ,,Versprich es mir."
,,Versprochen", brachte ich mühsam heraus. War vermutlich eh gelogen.
,,Mexify, ich werde es keinem sagen, das kannst du mir glauben. Aber dann musst du damit aufhören, verstanden?", Rewi tippte vorsichtig, aber bestimmt auf meinen Arm. Ich sah auf seinen Finger und nickte nur.
Ich verstand gar nichts mehr. Er würde es niemandem sagen?
,,Du hast vor ein paar Tagen auch niemandem von meinem Zusammenbruch erzählt. Ich schulde dir das gleiche. Jetzt sind wir quitt, ja?", er suchte wieder meinen Blickkontakt, aber ich wich ihm aus und nickte nur.
,,Danke", flüsterte ich stattdessen und schloss wieder die Augen.
So müde wie gerade hatte ich mich noch nie gefühlt, obwohl meine Gedanken Amok liefen. Nichtmal als ich die ganzen Schlaftabletten intus hatte, hatte ich mich so schwach und kaputt gefühlt. Und mein Kopf verstand immer noch nicht.
Er würde es keinem sagen?
Hatte ich das verdient?
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Psychiatrie - Mexify
Fanfiction,,Bevor ich an meinen Gedanken sterbe, beende ich es lieber selbst" Nach einem gescheiterten Suizidversuch wird der 17.jährige Mexify in die Psychiatrie eingewiesen. Man will seine Psyche in den Griff bekommen, aber für Mexify scheint es nur noch ei...