Ich ließ mich auf den Stuhl fallen und ließ den Teller geräuschvoll auf den Tisch vor mir knallen. Sofort zuckte ich beim Geräusch zusammen und betrachtete seufzend die Frikadellen darauf.
Hunger hatte ich nach der Therapie erst recht nicht, aber man hatte mir den Teller wie immer trotzdem gegeben.
Ich fuhr mir durch die Haare und schüttelte die Bilder ab. Irgendwie hatte ich es geschafft nicht zu weinen, aber dennoch hatte Frau Ohle die Sitzung früher beendet, weil sie gesehen hatte, wie nah es mir gegangen war.
Nah gegangen. Gott, war ich kitschig.
Ich schob den Teller von mir. Wieso hatte ich nochmal die Klingen weggeworfen? Gerade hätte ich alles für ein paar dämliche Schnitte gegeben. Vielleicht hätten sie meine Gedankenwelt zerschnitten. Aber ich hatte sie ja unbedingt wegwerfen müssen.
Und wofür?
Eine Beschäftigung weniger und mehr negative Gedanken. Na dankeschön.
Gerade als ich aufstehen und einfach gehen wollte, wohin auch immer, hörte ich wie der Stuhl neben mir zurückgeschoben wurde.
,,Hey, Mexi", begrüßte mich Julien und setzte sich ächzend.
,,Hey", erwiderte ich matt und ließ mich wieder auf den Stuhl sinken. Damit hatte ich wohl nur die Möglichkeit zu bleiben.
,,Frikadellen", Julien spießte sofort eine auf, ,,Man, die liebe ich ja." Irgendwie musste ich schmunzeln, obwohl ich es nicht wollte. Wenigstens Julien ließ sich nicht unterkriegen. Genussvoll kaute er darauf herum und grunzte zufrieden.
Wie konnte er mit all dem hier so gut klarkommen? Mir kam jeder Tag wie eine unendlich lange Achterbahnfahrt vor. Hoch, runter, Looping...
Ich schob ihm meinen Teller zu:,,Kannst meine auch haben."
,,Da sind aber noch ganz schön viele drauf", bemerkte Julien mit vollem Mund und zeigte mit der Gabel darauf, ,,Die schaff ich nicht alle."
,,Das ist gelogen", Rewi setzte sich gegenüber von uns auf den Stuhl und grinste Julien entgegen. Dieser grinste wortlos zurück.
,,Wie war deine Therapie?", fragte Rewi und biss ebenfalls in eine Frikadelle. Ich zuckte nur mit den Schultern. Niederschmetternd? Schmerzaft?
,,War halt Therapie", ich seufzte und hoffte, dass er sich damit zufrieden gab. Und zum Glück tat Rewi mir den Gefallen auch.
,,Wo ist Felix?", fragte Julien und deutete auf den leeren Platz neben Rewi.
,,Therapie", antwortete Rewi, ,,Rezo auch, oder?" Julien nickte. Dann hatten wir drei ja einen tollen Tag. Aber ich sprach es nicht aus.
,,Wieso war Rezo schonmal in Therapie?", schnitt ich stattdessen ein anderes Thema an, ehe die Stille mich zerfressen konnte. Denn lange würde ich es nicht mehr aushalten nicht mehr an meine Kindheit zu denken.
,,Kannst du Rezo doch selber fragen", wich Julien der Frage geschickt aus. Aber damit hatte ich gerechnet.
,,Bitte Julien, ich brauch gras wirklich Ablenkung", fügte ich fast flehend hinzu. Und das war tatsächlich nicht gelogen. Immer wieder hatte ich das Gefühl, dass mein Kopf mich zurück in die Therapie werfen und mir neue Bilder einbrennen wollte. Als würden die Erinnerungen meinen Kopf zerfressen und nur sich selbst übrig lassen, um mich unabdingbar zu quälen.
Julien warf einen fragenden Blick zu Rewi, aber dieser zuckte nur mit den Schultern und schwieg.
Ernüchtert seufzte Julien und stießte eine weitere Frikadelle auf:,,Nach seinem ersten Versuch halt, da haben die ihn direkt eingewiesen. Auf ne Geschlossene irgendwo weiter weg, weil hier in der Umgebung alles belegt war." Ich merkte, wie reserviert er seine Antwort wählte. Danach sah er wieder zu Rewi, aber dieser wich seinem Blick aus. Also war da noch mehr.
Auch wenn ich beide noch nicht so lange kannte, konnte ich diesen Blick mitlerweile einschätzen. Gerade als ich weiterfragen wollte, schnitt Julien mir das Thema ab:,,Aber frag da mal lieber Rezo, wirklich Mexi."
Ich schluckte meine Frage hinunter und schwieg. Es enttäuschte mich, auch wenn ich ihn verstand.
Mein Blick wanderte zu dem Mülleimer in dem meine Klinge liegen musste. Wäre der Speiseraum leer, würde ich sie einfach greifen und mir hier und jetzt ein paar hässliche Erinnerungen in die Haut eingravieren. Aber bei den ganzen Patienten und vorallem Julien und Rewi konnte ich das vergessen.
Ich ließ meinen Blick aus dem Fenster gleiten. Ich würde, aber ich konnte nicht. Denn ich hatte sie weggeworfen um damit aufzuhören.
Eh es noch jemand außer Rewi mitbekam.
Eh sie mich verurteilten.
Eh meine kleine Insel der Hoffnung erbarmungslos von der grauen Flut der negativen Gedanken überflutet werden würde.
,,Gehen wir gleich zu uns?", fragte Julien und ich sah wieder zu ihm.
Rewi nickte sofort:,,Denke das tut Felix gut nach der Therapie. Sonst denkt er wieder zu viel drüber nach."
,,In einer halben Stunde?", fragte Julien und stellte seinen leeren Teller in die Tischmitte.
,,Geht klar", antwortete Rewi.
,,Du auch?", fragte Julien, auch wenn ich mir sicher war, dass es mehr eine Aufforderung als ein Angebot war. Also nickte ich ergeben.
,,Gehe dann mal Rezo abholen von der Therapie", er stand auf.
,,Abholen?", fragte ich verwirrt.
Julien nickte:,,Hat er bei dir doch auch, oder?" Stimmt.
Ich kam mir dumm vor, auch wenn es meine Frage nicht beantwortete.
,,Kann ich mit?", fragte ich und wollte zum zweiten mal aufstehen.
Aber Julien schüttelte den Kopf:,,Glaube kaum, dass die dich allein zu den Therapieräumen außerhalb von 3 gehen lassen. Nichts für ungut." Enttäuscht ließ ich die Schultern sinken. Aber du darfst? Ich schluckte die patzige Antwort herunter und verschränkte die Arme.
,,Das ist nicht fair", stellte ich fest.
,,Ich darf auch nicht", meldete sich Rewi, aber irgendwie überhörte ich es einfach.
,,Bald bestimmt", versicherte Julien und lächelte aufmunternd.
,,Wir können ja schonmal ihr Zimmer unsicher machen", Rewi stand ebenfalls auf und sah mich auffordernd an.
Eigentlich hatte ich keine Lust allein mit Rewi in einem fremden Zimmer zu hocken, besonders nachdem was er wusste. Aber eine andere Wahl hatte ich wohl nicht. Und solange er es nicht ansprach, konnte er mich vielleicht etwas ablenken.
,,Okay", ich nickte und erhob mich.
Wenn Rezo lächeln konnte, wenn er brach, konnte ich das auch. Zumindest hoffte ich das, denn wirklich sicher fühlte ich mich damit nicht.
Die Therapie hatte mir nicht gutgetan. Aber was hatte ich auch erwartet? Die rundum glückliche Version von mir war irgendwann in meiner Kindheit vom Boot gefallen und gnadenlos ertrunken...----
Tut mir Leid, dass jetzt ein Woche nichts kam. Habe einfach nie Worte für das Kapitel gefunden, sodass ich zufrieden war. Bin immernoch nicht wirklich zufrieden, aber hoffe einfach, dass die nächsten Kapitel besser werden :)
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Psychiatrie - Mexify
Fanfiction,,Bevor ich an meinen Gedanken sterbe, beende ich es lieber selbst" Nach einem gescheiterten Suizidversuch wird der 17.jährige Mexify in die Psychiatrie eingewiesen. Man will seine Psyche in den Griff bekommen, aber für Mexify scheint es nur noch ei...