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Als ich nach draußen trat schlug mir ein leichter Nieselregen entgegen und ich fröstelte. Manchmal vergaß ich, dass es allmählich Winter wurde und ein Hoodie allein nicht mehr reichte um die Kälte abzuhalten.
Nicht, dass ich vergaß welcher Monat es war. Es war eher so, dass ich nicht vorgehabt hatte diesen Winter noch zu erleben. Und es immer noch nicht tat.
Ich ließ meinen Blick zum Pavillon wandert und zögerte, als ich einen großen blonden Jungen auf einer der Bänke sitzen sah. Er trug eine Lederjacke, eine schwarze Jeans und rauchte eine Zigarette. Interessiert sah er in meine Richtung. Kurz spielte ich mit dem Gedanken einfach wieder zu Julien und den anderen zurückzugehen, aber ich fasste mir ein Herz und ging zügig auf den Jungen zu.
Bisher funktionierte mein Plan, aber was sollte ich Luca schon sagen? Wie bekam man Klingen von ihm?
,,Bist du Mexify?", fragte der Junge plötzlich, als ich nur noch wenige Schritte von ihm entfernt war. Ich sah auf und musterte ihn verwirrt.
,,Ich beiß schon nicht. Taddl hat mir von dir erzählt", er lachte und zog an seiner Zigarette.
,,Ja, bin ich", stammelte ich und setzte mich unsicher auf eine der Bänke.
,,Ich warte eigentlich auf Rezo", hob er an und blies den Rauch aus, ,,Aber solange können wir uns ja auch Unterhalten. Ich bin Luca." Er streckte mir seine Hand entgegen. Ich stand auf, schüttelte seine Hand und setzte mich wieder. Wow, bist du wieder selbstbewusst.
,,Rezo kommt nicht", sagte ich mutig, ,,Er hat Therapie."
,,Schade", Luca zog erneut an seiner Zigarette und schwieg. So viel zur Unterhaltung. Und nun?  Fragte man einfach? Oder verlor ich meine Chance damit direkt?
,,Wieso so nervös?", fragte Luca unverwandt und ich zuckte zusammen. Jetzt reiß dich zusammen!
,,Keine Ahnung", log ich und biss mir auf die Lippen. Im Reden war ich wirklich miserabel.
,,Sag schon", lockte Luca und ich spürte wie sein Blick mich durchbohrte. Wieso musste jeder außer mir so unfassbar selbstbewusst sein? Wieso konnte ich das nicht?
,,Rezo bekommt von dir Klingen, richtig?", fragte ich und sah zu Luca. Meine Hände waren so schwitzig, dass ich sie an meiner Jogginghose abstreifte, während ich auf eine Antwort wartete.
Auf Lucas Lippen bildete sich ein Lächeln:,,Das weißt du?" Ich nickte einfach und versuchte irgendwie wenigstens etwas selbstbewusst zu wirken.
Es misslang.
Luca zog erneut an seiner Zigarette und musterte mich eine Weile. Ich sah zu auf die Steine unter meinen Schuhen und ließ seinen Blick auf mir ruhen. Der Junge verstand es einen nervös zu machen. Bei keinem anderen fühlte ich mich so unwohl, nichtmal bei Felix, wenn ich seine Gefühlswelt mal wieder nicht verstand.
Ich war mir nicht nichtmal sicher was Luca von mir hielt. Bei Felix wusste ich immerhin mitlerweile, dass es mich ganz okay fand. Entweder hatte ich meine Chance bei Luca schon verspielt oder er versuchte noch immer mich einzuschätzen.
,,Es stimmt. Rezo hat das ein oder andere mal Klingen von mir bekommen", sagte er schließlich, ,,Und wenn ich dich so ansehe tippe ich mal, dass du auch welche willst, richtig?" Ich riskierte einen Blick und begenete seinem. Dieses mal lag ehrliches Interesse darin. Ich nickte wieder und fügte ein leises "Ja" hinzu.
,,Weiß Rezo davon?", fragte er weiter. Dieses mal schüttelte ich den Kopf.
,,Dachte ich mir", auf seine Lippen stahl sich ein erneutes Lächeln und er zog wieder an seiner Zigarette. Dann griff er in seine Tasche und zog etwas daraus hervor. Ich beobachtete ihn interessiert. Luca streckte seine Hand aus und zeigte mir ein Stück Papier.
,,Du weißt, was das ist?", fragte er und zog eine Augenbraue hoch.
Ich inspizierte das Papier und nickte:,,Klingen."
,,Bingo", er grinste wieder.
,,Und wie komme ich daran?", fragte ich und zeigte auf das Papier. Luca lachte und ich zuckte zusammen. War ich zu offensiv gewesen?
,,Du ähnelst Rezo, das muss ich dir lassen", lachte er und ließ seine Hand wieder in seiner Tasche verschwinden.
Aus Luca wurde ich nicht schlau. Und genau das machte mich so nervös. Ich fühlte mich wie ein schutzloses Reh, dass von einem hungrigen Wolf beobachtete wurde und zu erstarrt war um zu fliehen.
,,Rezo zahlt mir Geld", sagte Luca schließlich und unterbrach sein Lachen damit. Ich ließ meine Schultern sinken und seufzte. Natürlich. Wie hatte ich so dumm sein können? Natürlich bekam Rezo sie nicht umsonst. Ich hatte kein Geld.
,,Wofür willst du sie denn?", Luca sah wieder interessiert zu mir und beugte sich vor. Dieses mal sah ich nicht zu ihm. Sollte ich die Wahrheit sagen? Andererseits; was war eine gute Lüge?
,,Das weißt du", murmelte ich mehr zu mir, als zu ihm.
Luca nickte und zog an seiner Zigarette:,,Natürlich weiß ich, dass du damit nicht vorhast Papiersterne auszuschneiden, aber ich wüsste gerne, was genau du vorhast. Willst du dich nur ritzen oder willst du damit versuchen dich umzubringen?"
Ich biss mir erneut auf die Lippen. Es wäre verlockend es damit zu versuchen, keine Frage. Aber es schien mir zu unsicher. Wo sollte ich es schon versuchen, ohne das mich jemand fand?
,,Ich will mich nicht umbringen", antwortete ich schließlich zerknirscht, ,,Ich möchte sie nur zur Selbstverletzung."
,,Wie Rezo also", grinste Luca und lehnte sich zurück. Interessiert sah ich zu ihm.
,,Wie Rezo?", hakte ich nach, ohne wirklich über meine Frage nachzudenken.
,,Naja", Luca holte tief Luft, ,,Rezo will sich damit auch nicht umbringen. Sagt er zumindest. Aber wer rechnet schon bei dem Jungen damit, dass er es nicht doch versucht?" Wieder lachte Luca. Ich schüttelte mich innerlich. Ich verstand Luca nichtmal ansatzweise.
,,Hier", Luca griff wieder in seine Tasche und faltete das Papier auseinander. Dann griff er hinein und zog etwas silbernes hervor.
,,Ich schenke dir eine", er hielt sie mir entgegen und steckte die anderen zurück in die Tasche. Verwirrt sah ich auf die silberne Klinge.
,,Na nimm schon", er grinste, ,,Wenn Rezo schon nicht kommt, mache ich wenigstens eine Person heute glücklich, richtig?" Er lachte wieder und ich fröstelte.
,,Was willst du dafür?", fragte ich misstrauisch. Der Blonde wirkte nicht wie jemand, der einem Fremden ein Geschenk machte.
Luca hörte auf zu lachen:,,Gar nichts, nimm sie. Du kannst auch mehr bekommen, wenn du mal Geld hast. So machen Geschäftsmänner das." Ich musterte ihn immernoch ohne die Klinge zu nehmen.
,,Du kannst auch Zigaretten kaufen. Oder diverse andere Sachen. Ich bin dein Mann für alles", wieder lachte er.
Ich zögerte noch kurz, dann griff ich schnell nach dem Stück Metall und schloss meine Hand darum, ehe Luca es sich anders überlegen konnte.

Psychiatrie - MexifyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt